Menschenleben vor Profite: Wir brauchen jetzt einen Stopp der nicht notwendigen wirtschaftlichen Aktivitäten

27.03.2020

Nach heute ist klar: Zwar können die Kantone weitergehende Massnahmen (wie die Schliessung der Baustellen im Tessin) beim Bundesrat beantragen, doch solche Betriebsschliessungen sind immer noch nicht zwingend für die Kantone. Diese Lösung reicht nicht. Immer noch müssen viel zu viele Menschen physisch zur Arbeit gehen, weswegen sie im öffentlichen Verkehr und am Arbeitsplatz selbst dem Risiko einer Ansteckung mit dem Coronavirus ausgesetzt sind. Diverse Einzelpersonen und Organisationen, darunter die JUSO, fordern den Bundesrat nun per Appell dazu auf, den Schutz von Menschenleben endlich vor den Schutz von Profiten der Mächtigen zu stellen.
Die aktuellen Zahlen deuten darauf hin, dass die Massnahmen des Bundesrates nicht ausreichen werden, um die COVID-19-Pandemie einzudämmen und eine Überlastung unserer Krankenhäuser zu verhindern. Ohne eine drastische Reduktion der Neuansteckungen in den kommenden Tagen werden nicht alle Kranken die notwendige Intensivpflege erhalten können, welche sie benötigen. Dies gilt insbesondere, weil die Abbaupolitik der letzten Jahre die Ressourcen im Gesundheitssystem stark dezimiert hat. Die Beschäftigten im Gesundheitswesen, welche jetzt schon massiv unter Druck stehen, werden vor die Entscheidung gestellt werden, wer Pflege erhält und wer nicht. Zu einer solchen Situation darf es nicht kommen.
Deswegen fordern wir die jetzt die Umsetzung der Massnahme, die die Neuansteckungen am effizientesten verhindert: Einen sofortigen Stopp aller nicht wesentlichen und nicht dringenden wirtschaftlichen Aktivitäten, ausser die Arbeitenden können ihre Arbeit zuhause oder alleine an ihrem Arbeitsplatz verrichten.
Weiter unten in dieser Medienmitteilung finden Sie den gesamten Appell-Text inkl. Forderungen.
Und hier finden Sie die Möglichkeit zum Unterschreiben des Appells.
Für weitere Auskünfte:

  • Ronja Jansen, Präsidentin JUSO Schweiz

  • Nicola Siegrist, Vize-Präsident JUSO Schweiz

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Aufruf: der Bundesrat muss alle nicht notwendigen wirtschaftlichen Aktivitäten stoppen

Die Corona-Epidemie entwickelt sich in der Schweiz weiter exponentiell. Die Zahlen zeigen, dass die Ausbreitung des Virus in den letzten Tagen dramatisch zugenommen hat. Wir können jetzt noch die nötigen Massnahmen ergreifen, um eine ähnliche Katastrophe abzuwenden: Der Bundesrat muss einen schweizweiten sofortigen Stopp aller nicht wesentlichen und nicht dringenden wirtschaftlichen Aktivitäten erlassen, ausser die Arbeitenden können ihre Arbeit zuhause oder alleine an ihrem Arbeitsplatz verrichten.
In den letzten Wochen hat der Bundesrat immer wieder neue, recht zögerliche Massnahmen ergriffen, um die Ausbreitung des Virus zu verringern. Dennoch deuten die aktuellen Zahlen darauf hin, dass dies nicht ausreichen wird, um die COVID-19-Pandemie einzudämmen und eine Überlastung unserer Krankenhäuser zu verhindern. Ohne eine drastische Reduktion der Neuansteckungen in den kommenden Tagen werden nicht alle Kranken die notwendige Intensivpflege erhalten können, welche sie benötigen. Dies gilt insbesondere, weil die Abbaupolitik der letzten Jahre zu einer Reduktion der Krankenhausbetten auf der Intensivstation von 5.6 pro 1000 Einwohner*innen (1998) auf heute 3.6 pro 1000 Einwohner*innen geführt hat (Daten der OECD). Die Beschäftigten im Gesundheitswesen, welche jetzt schon massiv unter Druck stehen, werden vor die Entscheidung gestellt werden, wer Pflege erhält und wer nicht.
Weitere Massnahmen müssen dringend ergriffen werden, welche die Ausbreitung des Virus entscheidend und schnell einzudämmen vermögen. Die Bundesbehörden, das BAG und der Bundesrat, empfehlen der Bevölkerung, ihre Fahrwege und die Zeit in der Öffentlichkeit auf das absolute Minimum zu beschränken – Anweisungen, welche weitgehend akzeptiert und umgesetzt werden. Hunderttausende von Menschen arbeiten jedoch weiterhin in nicht zwingend notwendigen, nicht prioritären und nicht dringenden Sektoren, insbesondere in der Industrie und im Baugewerbe. Die Ansammlung der Arbeitenden am Arbeitsplatz, die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel für den Arbeitsweg und Kinderbetreuung in geöffneten Institutionen oder bei Verwandten tragen weiter zur Verbreitung des Virus bei. Zudem werden die vom BAG empfohlenen Vorsichtsmassnahmen (Abstandhalten, Masken, Desinfektionsmittel, etc.) nicht immer umgesetzt oder können in der Praxis gar nicht umgesetzt werden, weder in Unternehmen, welche für die Grundversorgung relevant sind, noch in nicht essenziellen Sektoren.
Um die Ausbreitung der Pandemie zu stoppen und die Gesundheit der arbeitenden Bevölkerung und ihrer Familien zu schützen, dürften unter diesen Bedingungen nur die zwingend notwendigen Wirtschaftssektoren weiterlaufen. Diese Massnahme, die eine wirkliche Eindämmung ermöglichen soll, würde natürlich nicht diejenigen Arbeitnehmenden betreffen, die ihren Beruf aus der Distanz ausüben (Home-Office) oder ihre Tätigkeiten allein, ohne physischen Kontakt zu Kolleginnen oder Kunden, erledigen können.
Der Staatsrat des Kantons Tessin – weltweit eine der Regionen mit der höchsten Anzahl positiv Getesteten pro Kopf – hat am 21. März die Schliessung von nicht wesentlichen kommerziellen und produktiven Betrieben angeordnet. Die bisher ergriffenen Massnahmen reichten nicht aus. Der Bundesrat hat an seiner Pressekonferenz vom 27. März zwar bekanntgegeben, dass die Kantone solche strengeren Massnahmen jetzt neu erlassen dürfen, jedoch sind sie nicht obligatorisch für die Kantone.
Um die Ausbreitung des Coronavirus in der Schweiz entscheidend und schnell einzudämmen, fordern wir den Bundesrat deshalb auf:

  • schweizweit einen sofortigen Stopp aller nicht wesentlichen und nicht dringenden wirtschaftlichen Aktivitäten zu erlassen, ausser die Arbeitenden können ihre Arbeit zuhause oder alleine an ihrem Arbeitsplatz verrichten.

  • die Arbeitsinspektorate und die Gewerkschaftsrechte massiv zu stärken;

  • den vollen Schutz der Einkommen von Arbeitenden, deren Arbeit unterbrochen wird, zu gewährleisten (Notfalls mit Bundesmitteln).

  • Wir fordern zusätzlich von den kantonalen Regierungen, dass sie diese Massnahmen umsetzen, solange dies in ihrer Kompetenz liegt und der Bundesrat dies nicht macht.

Link zum Aufruf online.