Offener Brief: Gerechtigkeit für die Jugend!

Wir, junge Arbeitnehmer:innen, Auszubildende, Studierende und junge Menschen auf Arbeitssuche, richten uns mit dieser Botschaft an Sie, an Eigentümer:innen, Chefs und Aktionär:innen. Und das tun wir mit schwerem Herzen, gezeichnet von Erschöpfung, Frustration und Ungerechtigkeit. Wir wachsen in einem System auf, das uns zermalmt, das immer mehr von uns verlangt und das uns trotz unserer Bemühungen am Rande des Abgrunds stehen lässt. Mit Wut, denn wir, die jeden Tag ums Überleben kämpfen, sehen zu, wie Sie Ihren Reichtum immer weiter und weiter anhäufen.

Da Sie die unangenehme Tendenz haben, wegzuschauen, wenn es nicht um Rentabilität oder Gewinne geht, wollen wir Ihnen mit diesem Brief zeigen, was innerhalb der Mauern Ihrer Unternehmen tatsächlich vor sich geht. Aber zuerst einmal stehen wir heute zusammen, bereit, für die Verbesserung unserer Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Denn ja, und damit malen wir nicht den Teufel an die Wand, wir leiden: körperlich und seelisch, an unseren Arbeitsplätzen, wie auch daneben, unter diesem kapitalistischen System.

Wissen Sie, wie es ist, wenn man sich trotz wochenlanger Arbeit nicht sicher sein kann, ob man am Ende des Monats seine Miete bezahlen kann? Wissen Sie, was es bedeutet, seine Träume und Leidenschaften zu opfern, nur um den Kopf über Wasser halten zu können? Können Sie sich vorstellen, wie das ist, wenn man sich fürchten muss, krank zu werden, weil ein einziger Fehltag alles zum Einsturz bringen könnte? Weil eine einzige Rechnung monatelange Bemühungen zunichtemachen könnte?

Sie können die Realität, welche wir tagtäglich erleben, nicht ignorieren. Wir stehen heute gemeinsam hier, um Sie daran zu erinnern, dass Ihre Gewinne und Dividenden weder das Ergebnis eines Zufalls noch Ihrer Genialität sind, falls Sie es vergessen haben sollten. Ihre Profite und Dividenden werden mit Gewalt aus unserer täglichen Arbeit herausgepresst. Wir, junge Arbeitnehmer:innen, Auszubildende und Studierende, halten Ihre Unternehmen und Gesellschaften am Laufen. Wir tragen ein System auf unseren Schultern, das uns ausbeutet und --vor uns—schon unsere Eltern und Grosseltern ausgebeutet hat.

Wir leben in einem Land, in dem uns jeden Tag gesagt wird, dass wir, wenn wir nur hart genug arbeiten, Erfolg im Leben haben werden. Aber täuschen Sie sich nicht, Eigentümer:innen, Chefs und Aktionär:innen, wir misstrauen diesem Diskurs, der Ihnen so sehr am Herzen liegt. Wir misstrauen diesem Diskurs, weil er es Ihnen ermöglicht, sich hinter einem „Wenn du kannst, wenn du nur willst!“ zu verstecken, aber wir können nicht mehr.

Denn dieser Mythos nützt uns nichts, er nützt nur Ihnen und Ihrer Position in der Gesellschaft, die nie wirklich strukturell hinterfragt wird. Wie können wir daran glauben, wenn alle Geschäftsberichte für uns ein Schlag ins Gesicht sind? Wie können wir daran glauben, wenn Sie als Führungskräfte 140-mal mehr verdienen als wir? Wie können wir daran glauben, wenn sich die von den grossen Schweizer Unternehmen im Jahr 2024 ausgeschütteten Dividenden auf 54 Milliarden CHF belaufen? Wie können wir daran glauben, wenn Sie mehr als 70% des Reichtums dieses Landes besitzen? Wie können wir daran glauben, wenn unsere Reallöhne sinken? Es geht nicht, unmöglich!

Wir wollen nicht um Gefälligkeiten betteln, wir schreiben Ihnen, um Gerechtigkeit zu fordern.

Wir sind nicht dumm, und Sie sind es auch nicht, das wissen wir. Sie leben in Ihren Türmen und Villen in einem System, das nur für Sie geschaffen ist und Sie natürlich erhalten wollen. Es heisst immer, dass Sie so viele Risiken eingehen und dass Sie so viel Verantwortung tragen. Also ist es höchste Zeit, dass Sie sich Ihrer wichtigsten Verantwortung stellen. Nämlich der, uns, Jung und Alt, zu ermöglichen, in diesem Land ein würdiges Leben führen zu können. Dazu haben wir klare Forderungen, Forderungen, die Sie nicht mehr einfach so vom Tisch wischen können:

  1. Sofortige Lohngleichheit: Es ist schlicht nicht akzeptabel, dass Frauen im Jahr 2024 für die gleiche Arbeit immer noch weniger Lohn erhalten als Männer. Ebenso inakzeptabel ist es, dass sie 140-mal mehr verdienen als wir. Es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit und es ist Ihre Pflicht, dieser nationalen Schande ein Ende zu setzen.
  2. Arbeitszeitverkürzung: Warum sollten wir weiterhin ganze Generationen auslaugen, während die Unternehmen Rekordgewinne verzeichnen? Die Produktivität ist gestiegen, die Maschinen arbeiten für uns. Wir fordern eine 32-Stunden-Woche ohne Lohnverlust. Wir brauchen Zeit zum Leben, zum Lernen, zum Gestalten, zum Atmen. Wir wollen, dass das Leben mehr ist als nur ein einziger anstrengender Arbeitszyklus.
  3. Investitionen in die Jugend: Worauf warten Sie? Warum investieren Sie nicht in jene Menschen, die die Zukunft dieses Landes sind? Wir fordern zugänglichere Ausbildungen, konkrete Programme, um jungen Menschen beim Einstieg in die Arbeitswelt zu fördern und Arbeitsplätze, die uns Stabilität und eine Zukunft bieten. Wir weigern uns, eine geopferte Generation zu sein.
  4. Bezahlbarer Wohnraum: Die Mieten explodieren und schnüren uns die Luft ab. Dass sich in einem so reichen Land, so viele Menschen keine eigene Wohnung leisten können, ist ein Skandal. Wir fordern strenge Regulierungen, damit Wohnraum für alle erschwinglich ist und junge Menschen endlich ein Dach über dem Kopf haben können, ohne ihr gesamtes Einkommen opfern zu müssen.
  5. Steuergerechtigkeit: Sie, die Reichsten der Schweiz, geniessen skandalöse Steuerprivilegien. Es ist an der Zeit, dass auch jene mit grossen Vermögen ihren gerechten Anteil zahlen und dass sie endlich unseren Service Public, von dem die ganze Gesellschaft abhängt, mitfinanzieren. Es kann nicht sein, dass die Arbeiter:innenklasse und die Schwächsten der Gesellschaft diese Last weiterhin allein tragen müssen.

Wir mögen die Generation sein, die heute leidet, aber wir werden auch jene Generation sein, die morgen für eine gerechtere und fairere Gesellschaft kämpft.

Wir wollen nicht länger eine Welt, in der der Reichtum von Wenigen auf der prekären Lage der Mehrheit basiert. Wir wollen eine Gesellschaft, in der jeder Mensch die Mittel hat, um ein würdiges Leben zu führen, in der Arbeit gerecht entlohnt wird und in der wir tatsächlich genug Zeit zum Leben haben. Und das für alle Menschen. Ihr Modell des unendlichen Wachstums, das nur einigen wenigen Eliten nützt, ist überholt. Es ist an der Zeit, eine gerechtere Zukunft aufzubauen.

Wir, die jungen Arbeiter:innen der Schweiz, sind bereit zu kämpfen. Denn der Wandel wird kommen, ob Sie ihn mitmachen oder nicht.

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