Resolution der Geschäftsleitung zuhanden der Delegiertenversammlung vom 5. September 2020 in Bussigny (VD).
Die Coronakrise rückt das Thema Gesundheit und Gesundheitsversorgung in den Fokus der Gesellschaft. Wir dürfen uns in der Schweiz glücklich schätzen, dass es ein stabiles Gesundheitswesen gibt und wir an einem Zusammenbruch der Versorgung vorbeigeschrammt sind. Trotzdem legt die Krise viele Mängel offen: Fehlende Beatmungsapparate und Spitalbetten, zu wenig Pflegepersonal und einen Run um medizinische Materialien. Diese Systemfehler sind nun präsent, aber nicht neu. Die neoliberale Ausrichtung des Gesundheitswesens auf Kostensenkung und Wettbewerb zeigt in der Krise seine hässliche Fratze besonders stark. Die durch dieses System erforderte Anpassungen wurden insbesondere auf Kosten des Personals und der Krisenstabilität durchgeführt.
Eine profitorientierte Gesundheitsbranche und neoliberale Staaten scheitern am Anspruch, die Weltbevölkerung gesund zu halten, doppelt. Zum einen werden Medikamente und Infrastruktur nicht für jene produziert und geliefert, die sie am meisten benötigen, sondern für jene, die am meisten bezahlen können. Das betrifft sowohl die geografische Verteilung wie auch welche Krankheiten überhaupt im Fokus stehen. Zum anderen kann ein profitorientiertes Unternehmen niemals genügend auf eine Krise wie die aktuelle vorbereitet sein, weil dies normalerweise kaum Profit einbringt.
Dies zeigt sich insbesondere in den Ländern des Globalen Südens. Es fehlt an Infrastruktur: medizinische Beratung, Medikamente oder Behandlungsstationen. Wo kein zahlungsfähiger Absatzmarkt da ist, werden auch keine Medikamente hergestellt oder Infrastruktur bereitgestellt. So standen im März im afrikanischen Staat Mali für 19 Millionen Einwohner*innen gerade mal 5 (!) Beatmungsgeräte im Einsatz. Schon jetzt steht fest: der gleiche Ablauf wird sich bei der Verteilung von möglichen Impfstoffen wiederholen. Wir brauchen also ein Ende der Profitgesellschaft und eine echte globale Solidarität.
Grundversorgung in der Schweiz
Eine gute und solidarische Gesundheitsversorgung in der Schweiz steht auf drei Pfeilern: genügend Kapazitäten (auch in Krisenmomenten), ausreichend Personal mit guten Arbeitsbedingungen und eine solidarische Finanzierung.
Die JUSO Schweiz fordert deshalb:
Versorgung
- Die Verstaatlichung aller Spitäler und eine staatliche Grundversorgung an Hausärzt*innen in ländlichen Gebieten
- Ein Profitverbot im Gesundheitssektor (Dienstleistungen)
- Die konsequente Durchsetzung der Pandemiepläne nach der Coronakrise und eine Revision des Pandemiegesetzes
Personal
- Kurzfristig: die Umsetzung der Pflegeinitiative
- Bessere Löhne und Arbeitsbedingungen für das Personal (z.B. mit der kompletten Überführung des Personals in den öffentlichen Dienst)
- Die Aufwertung von bezahlter Care-Arbeit, insbesondere jene geleistet durch Care-Migrant*innen (vgl. Resolution «Corona und Care-Revolution» vom 6. Juni 2020).
Solidarische Finanzierung
- Kurzfristig: die Umsetzung der Prämieninitiative der SP Schweiz
- Mittelfristig: die Finanzierung der kompletten gesundheitlichen Grundversorgung durch Steuermittel statt über Krankenkassen
Pharma
Die grossen Profiteur*innen dieser Krise sind die Pharmakonzerne, welche mit staatlicher Unterstützung garantierte Gewinne einfahren werden. Doch schon vorher war es diese Branche, welche ihre Gewinne auf Kosten von Menschenleben eingefahren haben.
Die JUSO Schweiz fordert deshalb:
- Aufhebung des Patentrechts bei Medikamenten und Impfstoffen für das Coronavirus mit Investitionsentschädigung
- Auch die Versorgung mit Medikamenten ist eine öffentliche Aufgabe: Verstaatlichung der Pharmakonzerne und der wichtigsten Zulieferer. Anschliessend massive öffentliche Investitionen in die Erforschung von neuen Medikamenten und Therapien
- Profitdeckelung bei Medikamenten
- Transparente Produktions- und Testketten
- Mehr Geld für Forschung und Ausbildung (Unis, ETH, Fachhochschulen)
WHO und internationale Zusammenarbeit
Die WHO als wichtigste, internationale Organisation für Krankheitsbekämpfung darf kritisiert werden. Ihre Nähe zur Pharmabranche besteht jedoch wegen der starken finanziellen Abhängigkeit von ebenjener. Eine unabhängigere WHO ist also nur mit einer kompletten öffentlichen Finanzierung möglich.
Die JUSO Schweiz fordert deshalb:
- Eine grössere finanzielle Beteiligung der Schweiz an der WHO von heute 23.5 Mio auf 100 Millionen. Dies könnte beispielsweise durch höhere Gewinnsteuern bei der Pharmabranche finanziert werden.
- Eine diplomatische Offensive, um dies auch bei den anderen Staaten des globalen Nordens zu erreichen.
- Eine solidarische Verteilung von Medikamenten gegen das Coronavirus und eines möglichen Impfstoffes auf der ganzen Welt. Die Stoffe sollen dorthin, wo sie am Dringendsten benötigt werden und nicht dorthin, wo das meiste Geld vorhanden ist.