Resolution verabschiedet an der JUSO Schweiz z uhanden der Online-Delegiertenversammlung vom 6. Juni 2020
Die Corona-Krise, wie jede andere Krise zuvor, zeigt die Probleme im Kapitalismus verstärkt auf. Der Klassenkampf von oben wird aggressiver angegangen und die Unterschiede zwischen den 99% und dem reichsten 1%, zwischen dem Globalen Süden und Norden werden offensichtlicher.
Hier seien einige Beispiele angeführt: Für 37% der arbeitenden Schweizer Bevölkerung[1] wurde Kurzarbeit beantragt, während für die Reichsten immer noch Dividenden ausgeschüttet werden. Auf den Balkonen wird für systemrelevante Berufe[2] geklatscht, aber deren Lohn und Arbeitszeiten werden nicht verbessert, sondern sogar verschlechtert, indem Pausenreglemente temporär aufgehoben werden[3]. Während die Schweiz 11 Intensivbetten pro 100'000 Einwohner*innen hat, besitzt Mali für seine 19 Mio. Bevölkerung nur 5 (sic!) Beatmungsgeräte[4].
Für den männlichen Spitzensport werden anfangs Mai 350 Mio. CHF Kredit gesprochen[5], im Gegensatz zur essentiellen Kinderbetreuung, die gleichzeitig und damit viel zu spät, mit nur 65 Mio. CHF Unterstützungsgeldern vom Bund abgespeist wird[6].
Dies zeigt, die Corona-Krise verstärkt auch eine weitere grosse Krise unseres Systems: Das Patriarchat. Bezahlte Kinderbetreuung, Pflege und Gesundheitsversorgung sind sogenannt «typische Frauenberufe» und die unbezahlte Care- Arbeit wird fast zu zwei Dritteln von Frauen übernommen[7]. Und genau diese Bereiche werden momentan als «systemrelevant» bezeichnet und beklatscht, aber ansonsten von der bürgerlichen Politik ignoriert. Denn der Care- Bereich wirft weniger einfach Profit ab, als andere Sektoren, da Pflege von Menschen nicht immerzu effizienter gestaltet werden kann[8].
Hier zeigt sich die Fäulnis des kapitalistischen Systems: Es stellt den Profit anstatt Bedürfnisse in die Mitte der Gesellschaft. Spätestens die Corona-Krise zeigt aber: Wir brauchen eine Gesellschaft, die füreinander sorgt, ohne Profit abwerfen zu müssen. Wir brauchen eine Care-Gesellschaft – wir brauchen eine Care-Revolution!
Die JUSO fordert deshalb eine Stärkung der Betreuungsstrukturen:
- Externe Kinderbetreuung, Gesundheitsversorgung und Pflege müssen kostenlos und allen zugänglich sein.
- Externe Kinderbetreuung, Gesundheitsversorgung und Pflege müssen staatlich organisiert sein.
- Externe Kinderbetreuung, Gesundheitsversorgung und Pflege müssen geografisch für die ganze Bevölkerung erreichbar sein.
- Betreuungs- und Gesundheitsinstitutionen dürfen nicht profitorientiert ausgerichtet sein. «Minütelen» und «blutige Entlassungen» sind keine menschenwürdigen Optionen. Es braucht genügend Platz, Zeit, Material und Personal.
- Es braucht eine einkommensabhängige Finanzierung des Pflege-, Betreuungs- und Gesundheitssektors.
- Krankenkassenprämien dürfen nicht mehr als 10% des monatlichen Einkommens kosten und sollen progressiv nach dem Einkommen gestaltet sein.
Die JUSO fordert die Aufwertung von bezahlter und unbezahlter Care-Arbeit
- Es braucht einen Kinderbetreuungsschlüssel, der eine gute Betreuung erlaubt. Maximal drei 0-1-jährige Kinder, maximal vier 1-2-jährige Kinder, maximal sechs 2-3-jährige Kinder und maximal sieben 4-5-jährige Kinder sollen auf eine Betreuungsperson kommen[9].
- Es soll ein Mindestlohn von 5'500 CHF für alle Pflegeberufe gelten.
- Aus- und Weiterbildungen aller Pflegeberufe müssen staatlich finanziert werden.
- Genügend Aus- und Weiterbildungsplätze, damit eine menschenwürdige Pflege in der Schweiz garantiert sein kann.
- Die Arbeitsverhältnisse von Care-Migrant*innen müssen schweizweit in einem GAV geregelt werden: Darin sollen Pausen, Freizeit, Anspruch auf Infrastruktur, Entlöhnung und Anspruch auf Sozialversicherungen garantiert werden[10].
- Es braucht regelmässige und flächendeckende staatliche Lohnkontrollen und Pausenkontrollen in Kinderbetreuungsstätten, Spitälern, Altersheimen, Spitex, bei Einzelberufler*innen und bei Care- Migrant*innen
- Eine Arbeitszeitverkürzung zu einer 25-Stunden-Woche für alle!
[1] Stand 20.05.2020: https://www.zofingertagblatt.ch/?srv=sda&pg=det&id=66657
[2] Als systemrelevant gelten jene Berufe, die weiterhin ausgeübt werden um die Gesellschaft aufrecht zu erhalten: Gesundheitsversorgung, Pflege, Kinderhüten, Logistik, Medien, Verkehr, Infrastruktur, Sicherheit, öffentliche Verwaltung und Liquiditätsicherung.
[3] https://vpod.ch/brennpunkte/coronavirus/petition-fuer-das-gesundheitspersonal/
[6] https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-79056.html
[7] idgenössisches Büro für Gleichstellung von Mann und Frau, 2010.
[8] Siehe Baumol- Effekt.
[10] Unfallversicherung, Krankenversicherung, AHV/IV, EL/EO, ALV und Mutterschaftsversicherung.