Resolution verabschiedet an der Delegiertenversammlung der JUSO Schweiz vom 17.05.2024 in Sierre (VS)
Seit 2015 findet am letzten Samstag im August der Welttag für das Ende des Speziesismus statt. Dieses Jahr, 10 Jahre nach seiner Einführung, unterstützen wir ihn im Sinne der sozialen Gerechtigkeit.
Der Speziesismus ist eine soziale Ordnung, die durch ein Machtverhältnis zwischen zwei antagonistischen Klassen strukturiert wird: Menschen und Tiere. Er organisiert die Herrschaft der Menschen, indem er die Unterlegenheit von Tieren, die von den Menschen als Eigentum betrachtet werden, als natürlich darstellt.
Aus dieser materialistischen Perspektive sind Menschlichkeit und Tier haftigkei t keine biologischen, sondern sozial konstruierte Kategorien. Die Spezies einer Person sagt nichts darüber aus, wie viel Rücksicht wir auf sie nehmen müssen. Wir behandeln den Lebenswunsch eines weissen Mannes anders als den eines Huhnes, und zwar aus sozialen und politischen, in keinem Fall aber aus natürlichen oder unveränderbaren Gründen.
Der soziale Charakter der Kategorie Spezies wird offensichtlich, wenn bestimmte Menschen animalisiert, also durch die Assoziation mit dem Tierischen in eine minderwertige Position herabgesetzt werden. Sie werden in die «Kategorie eingeordnet, in die wir bestimmte Körper einordnen, wenn wir Gewalt an ihnen rechtfertigen wollen»[1]. Wenn Frauen als Bitches bezeichnet werden[2] und rassifizierte Menschen als Affen, werden sie ins Tierische gedrängt, nicht um auf ihre Zugehörigkeit zu den Säugetieren, zu Tieren allgemein, zu verweisen, sondern um ihnen einen niederen sozialen Status zuzuweisen und so die Herrschaft über sie zu rechtfertigen[3]. «Der Mensch» wird wertgeschätzt, als zivilisiert, rational, sauber und kultiviert dargestellt, während «das Tier» im Gegensatz dazu als wild, triebgesteuert, schmutzig und dumm dargestellt wird.
Uns an die Menschenwürde zu erinnern, wie wir es so oft tun, also daran, dass Menschen nicht als Tiere betrachtet werden dürften, erlaubt uns nicht, «das Problem anzugehen»[4]. Im Gegenteil; es bekräftigt die Relevanz der Kategorien des Menschlichen und des Tierischen und lässt wiederum die Möglichkeit zu, dass Menschen weiterhin durch animalisierende Beleidigungen herabgewürdigt werden. Somit unterstützt die Annahme einer Dichotomie zwischen Menschen und Tieren die Herrschaft des Menschen und stärkt gleichzeitig Unterdrückungssysteme zwischen Menschen.
Somit ist der Antispeziesismus ein erster Schritt in Richtung des Endes der Herrschaft des Menschen, während er gleichzeitig die Animalisierung der Unterdrückten schmälert. Wenn Tiere würdevoll behandelt werden, wird auch die Bezeichnung als Tier nicht mehr herabwürdigend sein. Vermeintlich kulturlos, irrational oder dumm zu sein, wird unseren Wert weniger vermindern.
Wir lehnen wir den Speziesismus aus den gleichen Gründen ab, wegen denen wir das Patriarchat, die white supremacy, den Ableismus und alle anderen Formen der Unterdrückung bekämpfen. Wir wollen die Aneignung der Körper und der Leben unterdrückter Menschen beenden und auch damit aufhören, Tiere unter dem Vorwand ihrer angeblichen natürlichen Unterlegenheit zu ermorden, zu konsumieren, zu vergasen, einzusperren, zu verstümmeln, zu verkaufen und ihre Arbeitskraft zu stehlen. Es ist Zeit, unsere Privilegien als Spezies zu hinterfragen und unsere Solidarität mit anderen Tieren zu zeigen[5].
Deshalb fordert die JUSO Schweiz langfristig:
- Das Recht auf physische und psychische Integrität, das Recht auf Leben, das Recht auf Freiheit und die juristische Persönlichkeit für empfindungsfähige Tiere.
- Das Verbot von Freizeiteinrichtungen wie Zoos, Aquaparks oder Zirkussen mit Tieren.
- Die Abschaffung der Tierzucht, der Fischerei und der Jagd.
- Die Finanzierung von Umschulungen für Menschen, die beruflich von der Ausbeutung von Tieren abhängig sind und eine Einkommensgarantie für diejenigen, die keine neue Arbeit finden.
[1] KO A., & KO S., 2017. Aphro-ism: Essays on Pop Culture, Feminism, and Black Veganism from Two Sisters. Lantern Publishing & Media.ARLUKE, A., 1994 Managing Emotions in an Animal Shelter. In A. Manning & J. Serpell (Éds.), Animals and Human Society.
[2] Im Original: «traitée de chienne ». Bitch wurde hier als Wort gewählt, da es auch «Hündin» bedeutet und angewandt auf Frauen abwertend verwendet wird. Trotzdem der Hinweis, dass «Bitch» im Deutschen Sprachgebrauch nicht die gleiche tierische Konnotation hat, wie «chienne» im Französischen.
[3] FERDINAND M., 2019. Alliances interespèces : Cause animale et cause Nègre. In Une écologie décoloniale. Penser l’écologie depuis le monde caribéen. Le Seuil, p. 355 380. [En ligne] : https://shs.cairn.info/une-ecologie-decoloniale--9782021388497-page-355 ; HARCHI K., 2024. Ainsi l’Animal et nous. Actes Sud. ; KIM C. J., 2015. Dangerous Crossings: Race, Species, and Nature in a Multicultural Age. Cambridge University Press. [En ligne] : https://doi.org/10.1017/CBO9781107045392 ; TAYLOR S. 2019. Braves Bêtes : Animaux et handicapés, même combat ? Les Éditions du Portrait.
[4] KO A., & KO S., 2017.
[5] PLAYOUST-BRAURE A., BONNARDEL Y. 2020. Solidarité animale. Défaire la société spéciste. Paris : La Découverte. [En ligne] https://www.cairn.info/solidarite-animale--9782348044397.htm