Für eine konsequente Linke in der Pandemie - gegen den Schulterschluss mit den Bürgerlichen

23.02.2022

Resolution verabschiedet an der Jahresversammlung vom 19.02.2021 in Bern

Die Schweizer Pandemiepolitik richtete sich über die vergangenen 2 Jahre in erster Linie an den Bedürfnissen des Kapitals aus, wie dies auch in der Resolution «Zwei Jahre Corona-Pandemie: Schluss mit Krisen auf dem Buckel der 99%!» (R2) ausgeführt ist. Diese Resolution nimmt Bezug auf die aktuellen pandemischen Entwicklungen und die Position der SP und weiterer linken Organisationen dazu.

Die Entscheidungen des Bundesrats zugunsten des Kapitals und gegen die 99% über die letzten 24 Monate waren stets Entscheidungen des Gesamtbundesrates. Dennoch trägt SP-Bundesrat Alain Berset durch seine Präsenz im Gremium und durch das Amt des «Gesundheitsministers» diese Position mit. Durch sein Amt ist Alain Berset das Gesicht der Schweizer und damit der bürgerlichen Pandemiepolitik und die Positionen des Gesamtbundesrats werden als seine Positionen und teilweise sogar als jene der SP gelesen. Dass viele Menschen in der Schweiz froh sind, keinen SVPler als Vorsteher des BAG zu haben, ist anzuerkennen, ändert aber nichts an dieser Tatsache. In den letzten zwei Monaten ist Alain Berset überdies durch Äusserungen aufgefallen, die nicht mit einer vorausschauenden Pandemiepolitik vereinbar sind (z.B. Vergleich von Omikron mit einer Grippe). Dies hat ihm einiges an Kritik vonMassnahmenbefürworter*innen eingebracht, während ihm die NZZ applaudiert hat.

Die SP Schweiz hat dieses Verhalten grundsätzlich gebilligt und ihrem Bundesrat über die letzten zwei Jahre grundsätzlich den Rücken gestärkt. Während die SVP zu Massnahmen stets offensiver kommuniziert hat, hat sich die SP zu epidemiologischen Fragen mehrheitlich zurückgehalten. Seit dem Spätherbst 2021 hat sich die Partei ausserdem noch weniger kommuniziert und damit die Beurteilung der bundesrätlichen Massnahmen den rechten Parteien und den Wirtschaftsverbänden überlassen. Die SP war mit dieser fehlenden sichtbaren Kommunikation nicht allein. Ein grosser Teil der Linken, darunter auch die Grünen und die Gewerkschaften, hat im Spannungsfeld zwischen Überforderung und Angst vor Wähler*innenverlust in der Pandemie Mühe damit, Kante zu zeigen und für Verbesserung im Sinne der 99% zu kämpfen. Die direkte Folge des Schweigens der SP über mehrere Monate war anfangs Februar dann die unkritische Kommunikation zu den Entscheidungen des Bundesrats zur Aufhebung verschiedener Massnahmen. Statt zu benennen, was (noch) nicht gut ist, wer besser geschützt werden müsste und welche Begleitmassnahmen es bräuchte, wurden nur die Entscheidungen des Bundesrats begrüsst. Zusätzlich bedauernswert ist, dass die SP Schweiz in früheren Coronawellen durchaus gezeigt hat, dass sie für die Interessen der Arbeiter*innen einsteht und dies auch kommunizierte.

Für die JUSO ist diese zurückhaltende Kommunikation während eines grossen Teils der Pandemie und die nicht-Kommunikation über die vergangenen Monate Ausdruck falscher strategischer Entscheide der der SP Schweiz und auch verschiedener anderer linken Organisationen in der Schweiz. Als grösste linke Partei muss insbesondere der Anspruch der SP sein, dass sie die Pandemiepolitik der Schweiz prägt und damit einen Gegenpol zum Propagandafeuer der SVP und der Wirtschaftsverbände darstellt. Gerade Krisenmomente zeigen Machtverhältnisse deutlich und sind deshalb hochpolitisch. Das Schweigen der Linken stärkt die gefährliche Ansicht, dass die Politik sich zurückhalten solle und es vor allem um technokratisches Verwalten ginge. Die SP muss in ihrer Kommunikation klarmachen, welche gesundheitspolitischen und welche wirtschaftlichen Massnahmen zugunsten der 99% ergriffen werden müssten, selbst wenn sie dafür im Parlament oder in der Regierung keine Mehrheit hat. Diese Positionen muss die SP mit Überzeugung einnehmen, auch wenn die Partei damit teilweise ihren eigenen Bundesrat kritisieren muss, der in der rechtsbürgerlich dominierten Regierung sowieso kaum konsequent linke Positionen gegen aussen vertreten darf.

Für die JUSO ist auch klar, dass die Pandemie noch nicht vorbei ist, selbst wenn wir aufgrund der Omikron-Variante einer Überlastung der Spitäler ausweichen konnten. Langzeitfolgen der aktuellen Welle werden uns noch über längere Zeit beschäftigen, seien diese gesundheitlicher (Stichwort LongCovid) oder wirtschaftlicher Natur (Lohneinbussen aufgrund Kurzarbeit, Entlassung oder ausbleibende Aufträge, Ertragsausfälle bei Kleinbetrieben). Ebenso warten weiterhin weltweit Milliarden von Menschen auf eine Impfung. Neue Virusmutationen sind auch deshalb jederzeit möglich, da die Pandemie erst dann vorbei ist, wenn alle Menschen weltweit eine Immunität aufgrund der Impfung oder durchgemachter Erkrankung aufgebaut haben. Die SP muss sich für den weiteren Verlauf der Pandemie strategisch anders ausrichten und darüber hinaus klare Veränderungen einfordern, welche das herrschende System in Frage stellen. Es geht um konsequente (Pandemie-)Politik im Sinne der 99%, unabhängig davon, wer in der Regierung sitzt.

Daraus zieht die JUSO folgende Schlussfolgerungen:

  • Die SP Schweiz muss sich für eine Pandemiepolitik im Sinne der 99% starkmachen und ihren Bundesrat auch kritisieren, wenn dieser rechtsbürgerliche Politik propagiert
  • Die JUSO Schweiz wird sich innerhalb der SP weiterhin für diesen Kurs einsetzen, wenn nötig auch durch entsprechende Resolutionen im Parteirat und am Parteitag oder durch öffentliche Kritik, sollte die SP nicht für eine Pandemiepolitik im Interessen der 99% kämpfen.