Für eine Sozialdemokratie mit Zukunft

22.02.2020

Resolution verabschiedet an der Jahresversammlung vom 22./23. Februar 2020, Bern

Die SP hat bei den letzten nationalen Wahlen das schlechteste Resultat ihrer Geschichte eingefahren. Bei den bevorstehenden SP-Präsidiumswahlen braucht die Partei mehr als ein neues Gesicht. Um die Schweiz zu gestalten braucht die SP eine kritische Analyse und eine mutige Vision. Einen Wandel.

Die Sozialdemokratie steht heute in ganz Europa vor grossen Herausforderungen. Die grosse Masse der Fabrikarbeiter, als deren Vertretung sie sich verstand, gibt es heute in der Schweiz nicht mehr. Die Lebensrealitäten der Arbeiter*innenklasse sind vielfältiger geworden.

Zudem stehen heute richtigerweise nicht mehr alleine die Interessen der männlichen* Arbeiter, sondern auch weitere Dimensionen der Diskriminierung im Fokus, allen voran Sexismus, Rassismus und Queerfeindlichkeit.

Diese Entwicklung stellt die Linke vor grosse Herausforderungen: Die vielfältigen Lebensrealitäten der Arbeiter*innenklasse, der Kampf gegen andere Dimensionen der Diskriminierung und die neoliberale Globalisierung und Individualisierung machen das Aufzeigen von kollektiven politischen Anliegen heute schwieriger denn je.

Diese Realitäten führen zu grossen Diskussionen innerhalb der Linken: Sollen wir uns auf die sogenannte Identitätspolitik konzentrieren oder auf den Klassenkampf? Für die JUSO ist klar: Die Frage ist falsch gestellt. Die Linke muss beide Kämpfe miteinander verbinden. Alles andere wird den Idealen der Linken nicht gerecht und bedeutet ein Nachgeben, gegenüber der kapitalistischen Logik, wonach es immer Bevölkerungsgruppen geben muss, die ausgebeutet werden. Der Kapitalismus sorgt dafür, dass es immer ein Oben und ein Unten gibt. Geschlecht, Herkunft, Sexualität und das Portemonnaie der Eltern bestimmen wo wir in dieser kapitalistischen Hackordnung stehen.

Die SP Schweiz muss für eine dezidiert linke Politik kämpfen.

Neben der inhaltlichen Positionierung muss sie das Augenmerk dabei auf drei Dinge richten: Sie muss Hoffnung schaffen, den gesamtgesellschaftlichen Diskurs nach links ziehen und die herrschenden Kämpfe in einer inklusiven Klassenpolitik verbinden.
Um den Kampf gegen alle Dimensionen der Diskriminierung zu verbinden, muss die SP den Kapitalismus vehement bekämpfen und sich gleichzeitig dafür einsetzen, dass alle Menschen einen realen Zugang zu den erkämpften Fortschritten haben. Im kapitalistischen System stehen jene Menschen ganz unten, die von mehreren Dimensionen der Diskriminierung betroffen sind. So sind weltweit 70% der Armutsbetroffenen weiblich*. Ein Mindestlohn ist damit nicht nur ein klassisch gewerkschaftliches Anliegen sondern, auch eine Forderung, die Frauen* und Migrant*innen am meisten zu Gute kommt.

Gleichzeitig muss die SP weitere gesellschaftliche Diskriminierungen bekämpfen, die dazu führen, dass ebendiese Gruppen einen eingeschränkten Zugang zu verteilungspolitischen Errungenschaften haben. Sie muss dafür kämpfen, dass Sans-Papiers regularisiert werden und Frauen* nicht mehr den Grossteil der Verantwortung für die unbezahlte Care-Arbeit tragen. Konsequente feministische und antirassistische Politik darf Ausbeutung nie auf andere Gruppen abwälzen und ist damit zwingend auch antikapitalistisch. Wir wollen keine Besserstellung von Frauen* in der Schweiz auf Kosten von Care-Migrantinnen*, die für Hungerlöhne schuften und wir wollen keine Besserstellung von Arbeiter*innen in der Schweiz auf Kosten der Steuereinnahmen der Länder des Globalen Südens. Linke Politik kämpft für die gesamten 99%.

Die verteilungspolitische Dimension muss die SP auch in Bezug auf die Klimakatastrophe betonen. Der Umgang mit dem Klimawandel ist keine Frage der technischen Machbarkeit, sondern eine verteilungspolitische Frage und damit auch eine feministische und antirassistische Auseinandersetzung. Im Zentrum steht die Frage, wer für die Folgen des Klimawandels und für die nötigen Anpassungen bezahlt.

Um den Kampf gegen verschiedene Formen der Diskriminierung zu verbinden, muss die SP den Freiheitsbegriff zurückerobern. Die Wähler*innenschaft der SP besteht aus zwei Gruppen, die unterschiedliche Prioritäten setzen: Jene, die nach sozialer Sicherheit streben und jene, die mehr gesellschaftliche Freiheiten einfordern. Die SP muss aufzeigen, dass Freiheit und soziale Sicherheit zwei Seiten derselben Medaille sind. Das Versprechen der Freiheit kann nur eingelöst werden, wenn die Menschen die finanzielle Sicherheit haben, um ihr Leben tatsächlich so zu gestalten, wie sie das möchten.

Die SP der Zukunft muss den Mut zu grossen Forderungen haben, die darauf abzielen, den gesellschaftlichen Diskurs nach links zu ziehen. Die faulen Kompromisse der Vergangenheit, die darauf abzielen, Schlimmeres zu verhindern, bezahlt die Linke langfristig teuer, weil die neoliberale Hegemonie damit gestärkt wird und ein Klima der Alternativlosigkeit zum Neoliberalismus geschaffen wird. Die SP braucht mutige linke Projekte, die nicht nur auf kurzfristige Wahlerfolge abzielen. Denn der erste Schritt zu einer anderen Welt, ist das Aufzeigen von echten gesellschaftlichen Alternativen.
Des Weiteren muss die SP die Hoffnung auf die Erfüllung dieser Alternativen stärken. Dazu braucht es mehr Mitbestimmung für die Mitglieder innerhalb der SP. Die SP kann ihre Mitglieder nur begeistern, wenn sie gesellschaftliche Alternativen aufzeigt, für die es sich zu kämpfen lohnt und ihren Mitgliedern die Möglichkeit gibt, diese real mitzugestalten. Heute sind diese Mitgestaltungsmöglichkeiten oft an gewählte Mandate geknüpft.

Die Politik der SP darf nicht länger nur in den Parlamentssälen stattfinden. Die SP muss näher zu den Bewegungen auf der Strasse rücken und zum Ort werden, an dem Menschen, die eine andere Welt wollen, diese tatsächlich mitgestallten können.
Dafür kämpft die JUSO in der SP.