Resolution verabschiedet an der Delegiertenversammlung der JUSO Schweiz vom 07.09.2025 in Baden (AG)
Mit sechs Massnahmen will der Bund den Zivildienst insbesondere beim Wechsel nach oder während der Rekrutenschule unattraktiver machen, um den Bestand der Armee zu sichern. Dazu gehören unter anderem eine Fixzahl von 150 Diensttagen (und damit eine Abkehr der Berechnung der Diensttage im Verhältnis zu den verbleibenden Diensttagen im Militärdienst) oder verschiedene Verschärfungen der Vollzugsregeln zur Absolvierung der Diensttage, welche sowohl die Zivildienstleistenden wie auch die Einsatzbetriebe in ihrer Planung und Flexibilität stark einschränken würden. Kurz: Vom Militärdienst in den Zivildienst zu wechseln soll erschwert werden und länger dauern.
Der Zivildienst ist eine zentrale Errungenschaft im Schweizer Dienstpflichtsystem und ermöglicht es Leuten, die aufgrund eines Gewissenskonflikts keinen Militärdienst leisten können, ihre Dienstpflicht anderweitig zu erbringen. Abgesehen davon, dass das Dienstpflichtsystem an sich abzulehnen ist, vertritt der Zivildienst die sinnstiftende und tatsächlich für die Gesellschaft arbeitende Sparte dieses Systems. Leider häuften sich in den letzten Jahren kontinuierlich die Angriffe auf den Zivildienst.
Zivildienst als Sündenbock
Unter der Prämisse des Dienstpflichtsystems stellt der Zivildienst jene Dienstform dar, welche der Gesellschaft tatsächlich nützt. Viele soziale oder gesundheitliche Einrichtungen wie Spitäler, Altersheime, Kitas oder Schulen sind auf Zivildienstleistende angewiesen. Dieser Umstand ist an sich bereits problematisch und offenbart eine riesige Schwachstelle im Dienstpflichtsystem, nämlich die Ausbeutung von günstigen und vom Staat gezwungenen Dienstleistenden anstatt qualifiziertes und entsprechend bezahltes Personal. Mit der Verschärfung des Zivildienstgesetzes (ZDG) würde sich jedoch die Situation der Betriebe verschlechtern, die Planung erschweren und letztlich die Versorgung stark unter Druck stehen.
Der Bundesrat rechtfertigt dies mit der Bestandssicherung der Armee. Das Bestandsproblem ist ein altes Narrativ der Armee, welches beim genaueren Hinschauen allerdings keineswegs standhält. Die Armee ist nicht zu klein, sie ist im Gegenteil seit mehreren Jahren widerrechtlich zu gross, was erst durch eine Recherche der Republik bekannt wurde.[1]
Im Zivildienst leisten täglich tausende Leute enorm wertvolle Arbeit zugunsten der Gesellschaft. Während die Erzählungen von Kollektivbestrafungen und stundenlanges Warten im Militärdienst omnipräsent sind, unterstützen Zivildienstleistende systemrelevante Institutionen, die ohne diesen Dienst nicht in der heutigen Form überleben könnten. Dieser Umstand und die Folgen für die entsprechenden Betriebe wurden im Bericht zur Gesetzesänderung ausgelassen. Für Bundesrat und Armee ist der Zivildienst Sündenbock. So sorgt sich der Bund bspw. über hohe volkswirtschaftliche Kosten, wenn Zivildienstleistende am Arbeitsplatz fehlen. Dass diese Kosten aufgrund des Dienstes in der Armee um ein Vielfaches höher sind, lässt er aus.
Die vorgeschlagenen sechs Massnahmen sind nicht neu, sondern wortgetreu von einer fast identischen Gesetzesvorlage kopiert. 2020 befand das Parlament über acht Massnahmen – wobei die aktuell vorliegenden bereits Teil davon waren – lehnte diese Änderung aber letztlich ab. Im Nachgang des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und der damit einhergegangenen höheren politischen Unterstützung der Armee, kopierte die SVP-Fraktion 2022 – also nur zwei Jahre nach der Ablehnung – die damalige Vorlage und reichte sie erneut per Motion ein. Auch dieses zwar nicht verbotene aber unübliche und von Links nicht gern gesehene Vorgehen wird vom Bundesrat mit keinem Wort erwähnt.
Internationales Recht
Die Vorlage basiert nicht nur auf dünner Argumentation, sondern verstösst möglicherweise gegen die Verfassung und internationales Recht. Mit der Fixzahl von 150 Diensttagen wird ermöglicht, dass ein Militärdienstleistender beim Wechsel in den Zivildienst zusätzliche Diensttage mit dem Faktor 150 leisten muss (heute gilt der Faktor 1,5). Dies verstösst gegen die Dienstgerechtigkeit und damit gegen das Rechtsgleichheitsgebot. Zudem bekräftigte der UNO-Menschenrechtsausschuss, dass im Falle von zivilen Ersatzdiensten bereits ein Faktor 2 gegen das Diskriminierungsverbot verstösst (Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte).[2]
Die Hoffnung des Bundesrats ist es, Leute in der Armee zu behalten, welche ohne Gewissenskonflikt in den Zivildienst wechseln. Dies kann aber gar nicht erreicht werden, die neuen Regeln gälten für alle, auch für jene mit Gewissenskonflikt, die dadurch abgestraft werden. Nicht zuletzt steht hinter dieser Haltung ein hochtoxisches Männlichkeitsnarrativ gegenüber jungen Menschen, die keinen Dienst in der Armee leisten.
Die JUSO Schweiz will jegliche Art von Dienstpflicht abschaffen. Bis diese Abschaffung vollzogen ist, kämpfen wir gegen jeden Angriff auf die Errungenschaft des Zivildiensts. Entsprechend wird auch ein allfälliges Referendum gegen die Verschlechterung des Zivildienstgesetzes unterstützt.
[1] Republik, die Armee ist grösser als erlaubt, 12.12.2022, https://www.republik.ch/2022/12/12/die-schweizer-armee-ist-groesser-als-erlaubt und Republik, Wie der Bund die Armee kleinrechnet, 29.01.2024, https://www.republik.ch/2024/01/29/wie-der-bund-die-armee-kleinrechnet
[2] Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1993/750_750_750/de.