Grundrechte während der Corona-Krise

11.06.2020

Resolution verabschiedet an der Delegiertenversammlung vom 06.Juni 2020, online

In den vergangenen Monaten hat der Staat unsere individuellen Freiheiten aufgrund der Corona-Krise massiv eingeschränkt. Viele dieser Einschränkungen waren kurzfristig legitim, gewisse sind es bis heute. Die Krise führt zu einem Konflikt zwischen dem Schutz der öffentlichen Gesundheit und verfassungsmässigen Grundrechten. In dieser Abwägung gilt es diese Rechte so schnell wie möglich wiederherzustellen. Dies tut der Bundesrat ungenügend.

Politische Rechte

Mit dem Ausrufen der ausserordentlichen Lage hat der Bundesrat die direktdemokratische Beteiligung vorübergehend gestoppt und politische Kundgebungen verboten. Das ist kurzfristig nachvollziehbar, aber der Bundesrat hat sich geweigert, das Grundrecht der Versammlungsfreiheit zu gegebener Zeit genügend wiederherzustellen. Es darf nicht sein, dass wir am Ausüben der demokratischen Rechte gehindert werden, obwohl Schutz- und Hygienemassnahmen eingehalten werden können.

  • Das Versammlungsrecht muss für Demonstrationen und Kundgebungen unmittelbar wieder gewährleistet werden. Diese müssen unter Einhaltung der Sicherheits- und Hygienemassnahmen erlaubt werden. Die Teilnahme an solchen darf nicht weiter kriminalisiert werden.
  • Den Initiativ- und Referendumskomitees ist eine verlängerte Frist zu gewähren, um die gleichen Chancen auf eine erfolgreiche Unterschriftensammlung sicherzustellen.
  • Bei der zwangsläufig anstehenden Revision des Epidemiengesetzes ist eine Gewährleistung dieser Rechte festzuschreiben.

Bewegungsfreiheit

In der Schweiz wurde richtigerweise keine Ausgangssperre verhängt. Kritische Einschränkungen gab es aber bei den Risikogruppen. Einzelne Kantone und Pflegeinstitutionen sind zu weit gegangen. Auch besonders gefährdete Menschen müssen das Recht haben, nach draussen zu gehen oder Besuch zu erhalten. Um dabei ihre Mitmenschen oder das Personal nicht zusätzlich zu gefährden, braucht es trotzdem klare Sicherheitsregeln.

Die JUSO fordert deshalb:

  • Das Sicherstellen der Bewegungsfreiheit auch von Menschen der Risikogruppe unter Sicherheitsmassnahmen.
  • Eine Aufhebung der Besuchsverbote in den Alters- und Pflegeheimen oder ähnlichen Institutionen. Diese sollen Regeln definieren können, um die Bewohner*innen und Angestellten trotzdem zu schützen (z.B. Maskenpflicht, Trennwände).
  • Eine grosszügigere Regelung bei Beerdigungen.

Contact-Tracing

Der Bund und die Kantone setzen in den kommenden Monaten auf das digitale und physische «Contact Tracing». Diese Strategie ist grundsätzlich sinnvoll, aber es gibt einige Punkte zu klären. Die Tracing App wird mit dem relativ sicheren D3-PT-Standard aufgebaut, welcher die Daten dezentral speichert. Dies soll so bleiben. Wichtig ist zudem die Freiwilligkeit des Apps. Niemand darf eine wirtschaftliche oder rechtliche Benachteiligung erfahren, wenn die App nicht installiert wird.

Für das Funktionieren der Strategie braucht es jedoch mehr. So müssen Lohnabhängige das Recht auf Fernbleiben von der Arbeit mit vollem Lohnausgleich erhalten, wenn der Verdacht auf Infektion besteht. Es ist fahrlässig, wenn potenziell Infizierte, die das Geld benötigen, weiterhin arbeiten gehen müssen.

Die JUSO fordert deshalb:

  • Eine garantierte Freiwilligkeit der Tracing-App. Wer sie nicht nutzt, darf keine wirtschaftlichen oder rechtlichen Benachteiligungen erfahren.
  • Weiterhin keinen Zugriff durch die Behörden auf die dezentralen Daten des Tracing-Apps.
  • Das Recht auf Fernbleiben vom Arbeits- oder Ausbildungsort für Kontaktpersonen von Infizierten (sowohl bei physischem wie auch digitalem Contact Tracing). Kann die Arbeit nicht im Home-Office weitergeführt werden, braucht es vollen Lohnausgleich (gedeckt durch die Arbeitslosenversicherung, ALV).
  • Einen weiteren Ausbau der Testkapazität.

Kontrolle über die Exekutive

Im Krisenfall müssen heute die Exekutiven handeln. Mit den weitgehenden Kompetenzen im Epidemiengesetz besteht die Gefahr des Machtmissbrauchs. Es braucht deshalb ein weiteres Gremium, welche die Beschlüsse sofort prüfen kann und ein Fortführen der demokratischen Prozesse. Die Prüfung kann entweder ausserordentlich das Bundesgericht oder eine Parlamentsdelegation durchführen.

Die JUSO fordert deshalb:

  • für die laufende Gesundheitskrise: die Bildung dieses Gremiums durch Beschluss des Bundesrats oder der Bundesversammlung.
  • für die Revision des Epidemiengesetzes: das Festschreiben von neuen Kontrollorganen im Krisenfall.
  • die Schaffung der rechtlichen Grundlagen und der Infrastrukturen, damit die Parlamente auch digital tagen können und demokratische Prozesse wie das Unterschriftensammeln weiterhin funktionieren (z.B. E-Collecting).