KAMPF DER GIG ECONOMY

23.04.2024

Resolution verabschiedet an der Delegiertenversammlung der JUSO Schweiz vom 21. April 2024 in Frauenfeld

Ab dem November 2021 legten die Kurier*innen vom Lieferdienst Smood in den grössten Westschweizer Städten über Monate hinweg an verschiedenen Streiktagen ihre Arbeit aus Protest nieder. Zusammen mit der Gewerkschaft Unia prangerten sie die prekären Arbeitsbedingungen beim Partnerunternehmen der Migros an: Tiefe Löhne, keine Entschädigungen für gekürzte Schichten, Arbeit auf Abruf und geringe Spesenentschädigungen. Nach gescheiterten Verhandlungen und etlichen Klagen zwang Smood den Kurier*innen einen GAV auf, der keine Verbesserungen in Aussicht stellte und nun sogar bisherige Mindeststandards vom Bund unterschreitet.[1]

Bei Smood handelt es sich wie bei Uber, Just-Eat und Co. um ein sogenanntes Plattformunternehmen. Das Hauptziel solcher Plattformen ist, zu einer unverzichtbaren Infrastruktur im Alltag der Menschen zu werden. Wir befinden uns im Zeitalter des Plattformkapitalismus, eine neue Form des Kapitalismus, bei dem nicht mehr die Ware als Kernelement der Wertschöpfung dient, sondern deren Vermittlung.[2] Die Produktionsmittel werden von Plattformunternehmen grösstenteils externalisiert; die Smood-Kurierin muss beispielsweise ihr eigenes Fahrrad besitzen und im Stand halten. Die Plattformunternehmen sehen sich nicht als Arbeitgeber verpflichtet; entsprechend übernehmen sie keine Verantwortung, die Kurier*innen oder Taxi-Fahrer*innen müssen selbst für ihre soziale Absicherung sorgen. Es handelt sich also eigentlich um systematische Schwarzarbeit, denn Uber und Co. beschäftigt Scheinselbstständige, die entsprechend nicht bei Sozial- und Unfallversicherungen angemeldet sind. Die Plattformunternehmen beuten ihre Arbeitskräfte also ohne jegliche Absicherungsgarantie aus und drücken gleichzeitig die Löhne einer gesamten Branche in den Keller. Obendrauf wird ein neues Ausmass an Disziplinierung und Kontrolle durch das Unternehmen geschaffen. Durch die entsprechenden Apps kann die Leistung der Beschäftigten nämlich von Kund*innen bewertet und gleichzeitig vom Unternehmen analysiert und ausgewertet werden.

Diese Art der Beschäftigung ist der Gig Economy zuzuordnen, welche eine bestimmte Arbeitsweise im Plattformkapitalismus bezeichnet, die «Arbeitskraft auf Abruf», also kurzfristige und temporär verrichtete Arbeit über Plattformen. Der Ursprung dieser Gig Economy ist in der Finanzkrise 2008 auszumachen, insbesondere in den USA wurden viele Menschen durch Jobverlust in die prekäre Arbeitsform getrieben.[3] Zuletzt hat die Covid-Pandemie den Plattformunternehmen zu einem neuen Aufschwung verholfen. Die Gig Economy wächst rasant und hat ein neues Prekariat geschaffen. Eine Beschäftigung in der Gig Economy bedeutet tägliche Auftragssorgen und erfordert maximale Flexibilität bei gleichzeitiger finanzieller Unsicherheit. Gerade migrantische Menschen laufen besonders in Gefahr, nachhaltig in ein solch prekäres Nicht-Arbeitsverhältnis zu rutschen, da die Einstiegshürden vergleichsweise tief sind. Die Plattformunternehmen verlangen beispielsweise nur wenige Papiere und es werden keine Sprachkenntnisse vorausgesetzt. Die Plattformarbeit reiht sich also in die lange Geschichte von prekarisierter Arbeit ein.

In der Schweiz wurden bereits jahrelange Prozesse gegen Plattformunternehmen geführt, die zwar unter anderem dafür sorgten, dass beispielsweise Uber nun als Arbeitgeber gilt, der gegenüber den Fahrer*innen entsprechende Pflichten wahrhaben muss. Uber umgeht diesen Entscheid jedoch mit komplizierten neuen Organisationsstrukturen und der Schaffung von Subunternehmen. Für die Plattformarbeitenden wurden also nur wenige Fortschritte erzielt. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn die Plattformunternehmen funktionieren nach diesem arbeiter*innenfeindlichen Logik der Abwälzung von Risiken und Kosten auf andere. Damit werden solche Unternehmen zu beliebten Investitionsobjekte für Risikokapital.[4] Unternehmen wie Uber, Just-Eat und Co. untergraben jegliche Ideen eines Sozialstaates und müssen entsprechend reguliert, kollektiviert und anschliessend zerschlagen werden.

Die JUSO Schweiz fordert...
...für die Plattformbeschäftigten, so lange Plattformunternehmen noch existieren:

  • Reguläre Arbeitsrechte und Generalarbeitsverträge für Plattformbeschäftige

Die Plattformbeschäftigten müssen aus der Scheinselbstständigkeit geholt werden. Um Arbeitsnehmer*innenrechte greifen zu lassen, sollen die Beschäftigten entweder in regulären Arbeitsverhältnissen angestellt werden oder die entsprechenden Rechte anderweitig geltend machen lassen können.

Universelle Arbeitsrechte

Die Plattformunternehmen agieren international, entsprechend müssen auch die Rechte für die Arbeitnehmenden international greifen. Dafür braucht es international geltende Bestimmungen, welche Arbeiter*innen weltweit schützen.

... für die Allgemeinheit:

Offenlegung der Plattform-Algorithmen

In einem ersten Schritt müssen die Algorithmen der Plattformunternehmen müssen aufgedeckt und zugänglich gemacht werden. Zum einen kann damit digitale Integrität und Schutz für die Beschäftigten und Nutzer*innen hergestellt werden, zum anderen wären Algorithmen für die nicht-profitorientierte Organisierung der Gesellschaft von grossem Nutzen.

Digital Commons: Alles für alle!

Commons sind gemeinschaftlich besessene und genutzte Ressourcen jenseits der kurzfristigen Profitmaximierung. Die Idee der digitalen Commons darf aber nicht bei einzelnen Open Source Programmen halt machen, im Gegenteil: alle digitalen Güter müssen international vergesellschaftet werden, um danach gemeinschaftlich zum Wohle der Menschheit eingesetzt werden zu können.

Zerschlagung von Plattformunternehmen

Plattformunternehmen müssen erst reguliert, dann kollektiviert, demokratisiert und zerschlagen werden.


[1] Unia: Arbeitskonflikt bei Smood, [https://unia.ch/de/arbeitswelt/von-a-z/dienstleistungsberufe/transport-logistik/smood]

[2] Albicker, Stephanie: Gewerkschaften im Plattformkapitalismus. Arbeitskämpfe und gewerkschaftliche Organisierung in der Lieferbranche, in: Young Academics, Soziologie (Bd. 7), Baden-Baden 2023.

[3] Altenried, Moritz / Nibler, Valentin: Kampf um Regulierungen, in: Jacobin Online (10.06.2021), [https://jacobin.de/artikel/kampf-um-regulierungen-gig-economy-plattformarbeit-deliveroo-lieferando-uber-prop22]

[4] Altenried, Moritz: Was ist eine Plattform? Politische Ökonomie und Arbeit im Plattformkapitalismus, in: Moritz Altenried, Julia Dück und Mira Wallis (Hrsg.): Plattformkapitalismus und die Krise der sozialen Reproduktion, Münster 2021, S. 50-69.