Resolution verabschiedet an der Delegiertenversammlung der JUSO Schweiz vom 15.11.2025 in Zug
Am 29. September präsentierte der faschistische US-Präsident Trump seinen Plan für Gaza. Am 3. Oktober wurde dann die erste Phase dieses Plans von der Hamas und Israel akzeptiert. Sie sah den Austausch aller 20 noch lebenden israelischen Geiseln gegen ein Drittel der 6’000 palästinensischen Geiseln aus Gaza in israelischen Foltergefängnissen vor.[1]
Daraus resultierte ein Waffenstillstand, der (trotz vieler Brüche durch Israel) das Ausmass des Genozids reduzierte und somit zu Erleichterung in der palästinensischen Bevölkerung führte. Der sogenannte “Trump-Plan” ist jedoch keine Perspektive für einen gerechten Frieden, sondern eine Fortführung des israelischen Kolonialismus und US-Imperialismus, und versetzt die Palästinenser*innen in eine noch ungerechtere Lage als noch vor zwei Jahren. Die Rechte des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung, Gleichberechtigung und Freiheit sind nicht verhandelbar.
Allein schon angesichts seiner Entstehungsbedingungen ist dieser Plan zu verurteilen:
Wie immer in der Geschichte des palästinensischen Volkes wurden diese “Friendenspläne” ohne dessen Einbezug vollzogen. Einmal mehr zwingen die USA, das Vereinigte Königreich, Israel und weitere verbündete Nationen der palästinensischen Bevölkerung Bedingungen für ihren sogenannten Frieden auf.
Diese Staaten sind es aber, die überhaupt erst die Voraussetzungen für den Genozid an der palästinensischen Bevölkerung geschaffen haben. Sie tolerierten und ermöglichten die Nakba (arab. Katastrophe), die 1947 durch die gewaltsame Vertreibung der Palästinenser*innen begann und als eine Grundlage der Kolonisierung des historischen Palästinas diente. Nun sollen ausgerechnet diejenigen Staaten, welche Israel auch im aktuellen Genozid in Gaza unterstützen, die regelkonforme Umsetzung des Vertrags garantieren.
Noch entscheidender ist die Tatsache, dass die Bedingungen des unterzeichneten Plans unverhohlen und in aller Öffentlichkeit unter dem Druck von Aushungerung und Genozid aufgezwungen wurden. Israel hat die Hungersnot in Gaza durch die Zerstörung der Landwirtschaft, das Verbot der Fischerei und die Blockade von Hilfslieferungen absichtlich herbeigeführt.[2] Dies wurde auch offen zugegeben, indem der “Trump-Plan” die ungestörte Lieferung von Hilfsmitteln nur im Falle der Akzeptanz des Plans vorsah. Das Ende der illegalen Blockade von Hilfsgütern wird somit von einem Menschenrecht zur Verhandlungsmasse.
Die Nichteinhaltung der aufgezwungenen, teils unmöglichen Bedingungen kann deshalb keine Waffenstillstandsbrüche auf Seiten Israels rechtfertigen. Ein Beispiel ist die Anforderung, alle toten Geiseln unter den Trümmern, die Israel in Gaza hinterlassen hat, innerhalb von 72 Stunden nach Israels Zustimmung zum Plan zu finden und zurückzubringen.
Da dieses internationale “Abkommen” durch Zwang zustande gekommen ist, ist es zudem selbst nach internationalem Recht null und nichtig. Ausserdem verstösst dieser Plan durch die fehlende Selbstbestimmung und Souveränität des palästinensischen Volkes gegen die UN-Charta.[3]
Dass der Plan die durch Genozid etablierten Machtverhältnisse verfestigt, zeigt sich auch im ersten Punkt, welcher die zwingende Einteilung von Gaza als “terrorfreie” Zone fordert, welche keine Gefahr für Nachbarländer darstellt. Ähnliche Anforderungen werden an Israel, das in den letzten zwei Jahren sieben verschiedene Länder bombardiert hat, nicht gestellt.[4] Unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung unterdrückt Israel die gesamte palästinensische Bevölkerung und schlägt jeglichen Widerstand nieder, welcher den Palästinenser*innen unter kolonialer Besetzung laut dem UN-Völkerrecht zusteht.[5]
In Punkt neun wird der wahre Plan für Gaza deutlich. Es ist von einem technokratischen, apolitischen Komitee die Rede, das jedoch durch einen sogenannten "Friedensrat" beaufsichtigt werden soll. Dieser wird von Donald Trump und Tony Blair präsidiert. Sie sollen also den Rahmen festlegen, in dem Gaza wieder aufgebaut werden soll, sodass dieser Aufbau attraktiv für Investitionen ist.
Das würde nichts anderes bedeuten, als die Privatisierung des Wiederaufbaus zur Profitmaximierung Einzelner. Die Schaffung von Luxus-Ressorts statt bezahlbarem Wohnraum ist daher die logische Konsequenz dieser Forderung. Dies ist auch in Punkt zehn ersichtlich, indem indirekt Städte wie Dubai als Inspiration für den Wiederaufbau genannt werden. Damit entsteht die ernstzunehmende Gefahr, dass die palästinensische Bevölkerung durch Gentrifizierung verdrängt wird. Der aktive Genozid soll also einer technokratisch organisierten ethnischen Säuberung weichen.
Dass die Kontrolle über Gaza dann sogar noch an eine neue militärische Organisation unter jordanischer und ägyptischer Leitung gehen soll, ist an Zynismus kaum zu übertreffen. Denn damit werden die Staaten, die historische Mitverantwortung für die Nakba tragen, wieder einbezogen, um über die verbleibenden 20% des historischen Gebiets Palästinas zu bestimmen.
Die drohende Besetzung von Gaza durch diese Länder dient dazu, der Besetzung ein arabisches Gesicht zu verleihen, obwohl beide undemokratische Regime sind und heutzutage faktisch im Interesse der USA und Israels agieren. Dieses Vorgehen stellt also eine Form der imperialistischen Kontrolle über Gaza dar und schliesst eine eigenständige, demokratische Selbstverwaltung der Palästinenser*innen aus.
Über all die etablierten repressiven Bedingungen hinaus, erscheint Israel zudem nicht gewillt, der Vereinbarung Folge zu leisten. Israel hat den Waffenstillstand seit der Unterzeichnung des “Trump-Plans” in Gaza bereits in erheblichem Masse missachtet. Bis zum 29.10.2025 hat Israel wieder über 200 Menschen in Gaza getötet. Ausserdem reduzierte Israel willkürlich die Anzahl der versprochenen Hilfslieferungen auf die Hälfte und zerstört weiterhin zivile Infrastruktur.[6] Es ist durchaus denkbar, dass Israel wie bereits Anfang 2025, nach einer temporären Waffenruhe den Genozid in vollem Umfang fortsetzt.
Die Situation ähnelt der im Libanon, welcher seit der Zustimmung zum Waffenstillstand Ende 2024 regelmässig bombardiert wird. Diese Vertragsbrüche werden von den Garantiemächten des Waffenstillstandes, Frankreich und den USA, die zugleich Israels Verbündete sind, stillschweigend akzeptiert. In ähnlicher Weise sollen erneut Israels Verbündete die Einhaltung des “Friedens” garantieren.
Das hat zur Folge, dass selbst wenn Israel den Waffenstillstand nicht für nichtig erklärt und sich offiziell daran hält, dieser Waffenstillstand doch Israels Interessen dient. Der internationalen Druck auf Israel wird reduziert, Genozid und Kolonialismus zu beenden, währenddem gleichzeitig der Waffenstillstand immer aufs neue übergangen oder willkürlich ausgesetzt wird, ohne dass es Konsequenzen für Israel gibt. Ähnlich wie bei der fortwährenden Bombardierung des Libanons seit dem Waffenstillstand, würde Gaza kaum noch mediale Aufmerksamkeit erfahren.
Der Plan ist also eine direkte Reaktion auf den immer weiter steigenden internationalen Druck, der von der globalen palästinasolidarischen Bewegung ausgeht, und soll Israels kolonialer Politik eine diplomatische und vermeintlich friedliche Fassade verleihen. So wird der Waffenstillstand beispielsweise bereits jetzt als Vorwand genommen, um Sanktionen gegen Israel zu verzögern.[7]
Aus diesen Gründen lehnen wir den “Trump-Plan” ab, weil er von imperialistischen, am Genozid beteiligten Kräften aufgezwungen wurde. Stattdessen setzen wir uns auf der Strasse und im Parlament für ein Ende des israelischen Kolonialismus, der Apartheid und des Genozids ein, weil es keinen Frieden ohne Gerechtigkeit geben kann. Wir fordern deshalb:
- Den sofortigen Rückzug aller israelischen Truppen und Siedler*innen aus Gaza und dem Westjordanland sowie das Ende der Blockade von Gaza
- Das Ende des israelischen Siedlerkolonialismus , der Apartheid und der illegalen militärischen Besetzung, sowie US- und anderem Imperialismus in der ganzen Region
- Die umfassende und bedingungslose Zulassung aller benötigten Hilfsgüter nach Gaza ohne Erpressung der Zivilbevölkerung. Humanitäre Hilfe darf nicht an Bedingungen geknüpft werden.
- Für das Recht auf Rückkehr, Wiedergutmachung, Widerstand und Selbstbestimmung der palästinensischen Bevölkerung
- Einen Wiederaufbau Gazas ohne Profitinteresse, der durch Gelder aus dem imperialistischen Kern finanziert wird, welcher diesen Genozid seit zwei Jahren unterstützt und das Leid ignoriert
- Stopp der militärischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und politischen Zusammenarbeit mit Israel
- Für den Aufbau einer breiten und klassenkämpferischen Solidaritätsbewegung mit der palästinensischen Bevölkerung
[1] https://www.bbc.com/news/articles/c70155nked7o
[2] https://www.theguardian.com/world/2025/jul/31/the-mathematics-of-starvation-how-israel-caused-a-famine-in-gaza
[3] https://bds-info.ch/de/reaktion-der-palastinensischen-zivilgesellschaft-auf-den-genozidalen-trump-netanjahu-plan/
[4] https://www.aljazeera.com/news/2025/9/10/maps-israel-has-attacked-six-countries-in-the-past-72-hours
[5] https://law4palestine.org/do-palestinians-have-the-right-to-resist-and-what-are-the-limits-short-article/
[6] https://www.aljazeera.com/news/2025/10/29/why-did-israel-launch-air-strikes-on-gaza-then-resume-truce
[7] https://www.theguardian.com/world/2025/oct/21/eu-pause-trade-sanctions-israel-donald-trump-gaza-ceasefire