Resolution zuhanden der Delegiertenversammlung vom 5. September 2020 in Bussigny (VD)
Am 21. Juni 2020 fanden in Serbien die ersten europäischen Wahlen seit Beginn der Covid-19-Pandemie statt. Das angespannte politische Klima, das die Wahlen prägte, fusste darauf, dass die Mehrheit der Oppositionsparteien, von der linken Mitte bis zur extremen Rechten, die Wahlen boykottierten. Zum Boykott kam es deswegen, weil die Oppositionsparteien glaubten, dass es unmöglich geworden sei, "faire und unabhängige" Wahlen in Serbien durchzuführen. Tatsächlich haben die Serbische Fortschrittspartei (SNS) und ihr Präsident Aleksandar Vučić seit ihrer Machtübernahme im Jahr 2012 nichts anderes getan, als die Grundrechte im Land einzuschränken. Vučić, seit 2017 Präsident des Landes, wird daher von vielen Politolog*innen, wie z.B. Prof. Florian Bieber, des "informellen" Autoritarismus bezichtigt. Bei diesem Autoritarismus geht es nicht um eine Änderung der rechtlichen Befugnisse des Präsidenten, eine in Serbien symbolische Funktion, sondern vielmehr um den strikten Einfluss, den Vučić auf Abgeordnete und Minister*innen seiner Partei oder Koalition ausübt, und andererseits um die strikte Kontrolle vieler Medien (Informer , Politika, Pink TV) oder den Druck auf Medien und Journalist*innen, die ausserhalb dieser Kontrolle bleiben, wie z.B. N1.
Es überrascht nicht, dass die SNS bei den Wahlen mit mehr als fragwürdiger Legitimität mehr als 60% der Stimmen erhielt. Rechnet man die Stimmen der verbündeten Parteien hinzu, wird deutlich, dass Vučić damit eine Zweidrittelmehrheit in der Nationalversammlung erhält, die es ihm erlaubt, die Verfassung nach eigenem Ermessen zu verändern. Auf diese Weise können sowohl die Befugnisse des Präsidenten erweitert werden, als auch ein Abkommen zur Gebietsaufteilung mit dem Kosovo ratifiziert werden, was die gesamte Region in ein Chaos zu stürzen droht. Auf die Bekanntgabe der Wahlergebnisse folgten Grossdemonstrationen, insbesondere in Belgrad, die von der serbischen Polizei, die selbst gewöhnliche Passant*innen angriff, mit brutalster Gewalt unterdrückt wurden.
Trotz alledem steht eine formelle Verurteilung der Wahlen noch aus: Während einige Parteien, wie die Sozialdemokratische Partei Europas (PES) oder sogar die Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gefordert haben, haben die Europäische Kommission und die Europäische Volkspartei (EVP) geschwiegen. Einige ihrer Mitglieder, wie der ehemalige Präsident des Europäischen Rates und jetzige EVP-Präsident Donald Tusk, gingen sogar so weit, Vučić zu seinem Sieg zu gratulieren.
Die Schweiz darf das von Aleksandar Vučić und der SNS in Serbien eingerichtete autokratische System nicht unterstützen. Die JUSO fordert deshalb den Bundesrat dazu auf:
- den Ablauf der Wahlen vom 21. Juni 2020 und die daraufhin folgende gewaltsame Repression durch die serbische Polizei offiziell zu verurteilen;
- den Aufruf zur Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission und für Neuwahlen, an denen alle am politischen Leben Serbiens beteiligten Parteien bereit wären, teilzunehmen zu unterstützen;
- Das seit 2010 geltenden Freihandelsabkommens mit Serbien zu kündigen und die Vermögen der Machthaber*innen der Republik Serbien auf Schweizer Banken einzufrieren, falls diese Forderungen nicht erfüllt werden.