No pasarán: Nie wieder Faschismus!

12.03.2016

Verabschiedet an der Jahrversammlung des 12-13. März 2016, Bern. I. Der Faschismus und seine Hinterlassenschaften

Als am 2. September 1945 der Zweite Weltkrieg formell endete, hatte der globale Vernichtungskrieg insgesamt mehr als 60 Millionen Opfer gefordert. Mehr als sechs Millionen Jüdinnen und Juden, Roma und weitere Minderheiten wurden durch den Holocaust in nie da gewesener grausamer Effizienz umgebracht. Am 19. April 1945 leisteten die rund 21'000 Überlebenden des Konzentrationslagers Buchenwald den „Schwur von Buchenwald“. Nach den globalen Schrecken des Zweiten Weltkrieges, von Nationalsozialismus und Holocaust verabschiedeten die Anwesenden in einer eindrücklichen Zeremonie eine Erklärung, in der es heisst: „Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden und ihren Angehörigen schuldig.“ Inhaltlicher Kern des sozialistischen Schwurs war ferner die Formel: „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“

Mehr als 70 Jahre nach Ende des Zeiten Weltkrieges hat der Kampf für Frieden und Freiheit und gegen Krieg und Faschismus traurige Aktualität. Kriegerische Auseinandersetzungen beherrschen nach wie vor unseren Planeten und Militarismus und Faschismus sind auf dem Vormarsch. In ganz Europa gewinnen faschistoide und offen faschistische Kräfte an Rückhalt, setzen sich fest und beeinflussen den politischen Diskurs. Damit ist Faschismus heute nicht nur in abgegrenzten Gruppierungen vorhanden, sondern auch versteckt im alltäglichen Denken. Häufig ist er nicht klar abzugrenzen vom rassistischen und nationalistischen Gedankengut. Durch den täglichen Umgang mit diesem Denken wird der alltägliche Faschismus verharmlost und nicht mehr als solcher wahrgenommen.

Die Schweiz wurde von faschistischer Herrschaft und dem Zweiten Weltkrieg verschont. Während sich deren Schrecken ins kollektive Gedächtnis der allermeisten Völker Europas als in Zukunft unbedingt zu vermeidende Katastrophen tief eingebrannt haben, fehlt diese Erfahrung in der Schweiz. Mehr noch: Während dem Vernichtungskrieg spielte die Schweiz aussen-, wirtschafts- und flüchtlingspolitisch eine beschämende Rolle, die bis heute – auch nach dem Bericht der so genannten Bergier-Kommission 2002 – in der breiten Öffentlichkeit schlecht aufgearbeitet bleibt. Die Schweizer Behörden kollaborierten in fast allen Fragen umfassend mit den Achsenmächten und die Schweizer Wirtschaft profitierte in gewissen Bereichen vom Krieg, wodurch sich die Situation Hunderttausender noch verschlimmerte. Ideologisch standen zahlreiche Politiker dem Nationalsozialismus nahe, gegen die Frontisten wurde kaum vorgegangen. Auch deshalb ist eine Auseinandersetzung mit dem Faschismus und der Kampf gegen ihn in der Schweiz nach wie vor eine Randerscheinung.

Wir Sozialistinnen und Sozialisten verstehen uns als Antifaschistinnen und Antifaschisten. Der Sozialismus als Bewegung für Freiheit, Gleichheit und Solidarität war stets der erbittertste Feind der Faschisten. Die extrem nationalistische, antiliberale, antimarxistische, autoritäre, frauenfeindliche und militaristische Ideologie und Herrschaft ist mit allen Zielen und Werten unserer Bewegung zutiefst unvereinbar. Eine Ideologie, die die Ungleichheit der Menschen als Prämisse setzt und den Ausschluss und die Vernichtung gewisser Personen zum Ziel hat, ist in jeder Form antihumanistisch, menschenfeindlich und das genaue Gegenteil von sozialistisch.

Umso erschreckender ist das Wiedererstarken des Faschismus in Europa als Folge der Wirtschaftskrise und der beschleunigten Globalisierung. 70 Jahre nach Ende der real-existierenden Herrschaftssysteme ist der Kampf gegen grundlegende demokratische Prinzipien, wie Rechtsstaatlichkeit und Minderheitenschutz, wieder salonfähig. Die Menschenrechte, die als Antwort der Völker auf die Schrecken des Faschismus erlassen wurden, werden heute von rechts wieder offen angegriffen. In der Schweiz ist die extreme Rechte institutionell im europäischen Vergleich überdurchschnittlich stark und hegemonial. Die Schweizerischen Volkspartei (SVP) ist nicht nur stärkste Partei im Land, sie sitzt neu auch mit zwei Vertretern in der Regierung, ist in zahlreichen Kantonen taktangebend und vermag mit fremdenfeindlichen Initiativen Volksabstimmungen zu gewinnen. In Ideologie und politischer Funktion ist die SVP zwar eindeutig neoliberal und marktfundamentalistisch. Ihre Hass-Rhetorik – die sich durch das Motiv des Niedergangs, durch die Beschwörung der Volksgemeinschaft, einem aggressiven Antiinternationalismus und durch kulturellen Rassismus auszeichnet – macht sie aber zu einer faschistoiden Partei. Damit erfüllt sie im krisengeschüttelten Kapitalismus die Aufgabe, die seit ihrer Entstehung die Funktion der Faschisten war: Die Stabilisierung des Systems zu Gunsten der Herrschenden. Historisch ist der Faschismus verantwortlich für die Spaltung der Unterdrückten, die Verhinderung des Klassenkampfes und die gewalttätige Unterdrückung der Arbeiter_innenbewegung. Durch seinen Militarismus, seine Gewaltexzesse und seine Autoritarismus verunmöglicht er Gleichheit.

Rassistische und nationalistische Denkmuster sind heute Teil unserer Gesellschaft. Alltäglicher Rassismus und Nationalismus dürfen auf keinen Fall verharmlost werden, denn sie sind Anhaltspunkt für die faschistischen Tendenzen. Faschistische Sichtweisen haben sich heute ins politische Denken aller eingeschlichen und reproduzieren dadurch Ungleichheit und Hass. Die Überordnung einer Gruppe oder Nation über andere und deren Unterdrückung und Ausbeutung sind in jeder Form gefährlich und müssen bekämpft werden, sei es bei Volksabstimmungen, bei Demonstrationen, in der Schule oder im persönlichen Gespräch. Eine Ideologie, die andere per se und mit Gewalt aus der „Gemeinschaft“ ausschliessen möchte, ist keine Meinung, sie ist an sich ein Verbrechen gegen die Menschheit. Insbesondere, da sie sehr oft gewalttätig wird. 2000 gewaltbereite Rechtsextreme zählt der Bund heute in der Schweiz – die Dunkelziffer ist weit höher. Die offene Gewalt gegen Jüdinnen und Juden hat zugenommen und die Anzahl rechtsextremer Konzerte ist steigend. Unzählige Menschen leiden ganz konkret unter der faschistischen Bedrohung. Damit stellen Neonazis in der Schweiz eine weit grössere Gefahr dar, als die medial viel diskutierten „Islamisten“ oder „Balkanraser“.

Die Gefahr der Verankerung von Rechtsextremismus in der Gesellschaft wird auch geschichtswissenschaftlich untersucht und diskutiert. Der Historiker Robert O. Paxton formuliert in seinem Werk „Anatomie des Faschismus“ ein 5-Stufen-Modell des Faschismus. Dabei lassen sich sowohl geschichtliche Ereignisse als auch gegenwärtige Situationen unter Einbezug nationaler Gegebenheiten grob einstufen. Auf der ersten Stufe ist faschistisches Gedankengut in jeder Gesellschaft vorhanden. Auf der zweiten Stufe tun sich die Menschen, die faschistisches Denken pflegen, zu einer Gruppierung zusammen. In der dritten Stufe mischen sich diese Gruppierungen politisch aktiv ein, sind auf parlamentarischer Ebene aktiv und gewinnen an Macht und Sympathie in der Gesellschaft. In der vierten Phase übernehmen die Faschisten die Macht, um sich in der fünften Phase – zum Beispiel durch Krieg – erneut zu radikalisieren. Gemäss Paxtons Modell ist der Faschismus den halben Weg zurück zur Machtergreifung heute bereits gegangen. Als Jungsozialistinnen und Jungsozialisten, die für eine bessere Zukunft für uns und uns nachfolgende Generationen kämpfen, ist dies Alarmzeichen und Motivation zugleich. Wir wissen um unsere historische Verantwortung und kämpfen umso unerschrockener für unsere sozialistische Utopie.

II. Für Freiheit, Gleichheit und Solidarität!

Der demokratische Sozialismus versteht sich als internationale Freiheitsbewegung. Seit unseren Anfängen sind wir Jungsozialistinnen und Jungsozialisten Teil einer Emanzipationsbewegung der Arbeiter_innenschaft und einer Demokratiebewegung in Staat und Wirtschaft. Unsere Bewegung war es, die in ganz Europa die Ideen der Revolutionen von 1789 und 1848 weiterführte und das Versprechen der Bewegung von 1968 ernst nahm, weil wir Sozialistinnen und Sozialisten für die Befreiung aus Fremdbestimmung und Unmündigkeit stehen. Dabei verstehen wir zwar den Kapitalismus als historischen Fortschritt gegenüber Vergangenem, akzeptieren ihn aber nicht als „Ende der Geschichte“ und wollen ihn als ausbeuterisches und freiheitsfeindliches System überwinden. Zu seinen Errungenschaften gehören insbesondere: Der demokratische, bürgerliche Rechtsstaat, der das Recht auf grundlegende politische Freiheit schafft. Die bürgerliche Demokratie, die den Minderheitenschutz ermöglicht. Und die universellen Menschenrechte, die Freiheit und rechtliche Gleichheit der einzelnen garantieren.

Wir anerkennen diesen Progress der bürgerlichen Gesellschaft, denn wir haben ihn massgeblich mitgeprägt. Genau deshalb verteidigen wir die Errungenschaften des Kapitalismus und die bürgerliche Demokratie wenn nötig auch mit allen Mitteln gegen die Barbarei des Faschismus. Wir wissen aber auch, dass ohne Überwindung des Kapitalismus, die Gefahr des Totalitarismus nie weit ist.

Als Sozialistinnen und Sozialisten stehen wir aber auch für ein Mehr an Gleichheit ein. Dafür, dass alle Menschen gleich behandelt werden und niemand auf Grund seiner sozioökonomischen Stellung, seiner Hautfarbe, seines Geschlechts, seiner Sexualität, seiner Herkunft, seiner Religion, einer Behinderung oder seiner Überzeugungen diskriminiert wird. Und dafür, dass jeder und jede gemäss seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen die gleichen Voraussetzungen hat. Auch das ist – wenn auch ein unerfüllter – Teil der Menschenrechte.

Schliesslich stehen wir Sozialistinnen und Sozialisten für Solidarität. Und diese verpflichtet uns, für die Wahrung der Rechte der Menschen international zu kämpfen. Freie Migration ist ein Menschenrecht und ein Versprechen der Französischen Revolution. Dieses Recht gilt speziell und gesondert für Menschen auf der Flucht. Wir JUSOs stehen ein für das Asylrecht, gegen die Stigmatisierung und Ausgrenzung von Asylsuchenden und für eine globale Reise- und Niederlassungsfreiheit. Das bedeutet: Jeder Mensch hat das Recht sich frei zu bewegen, jeden Ort seiner Wahl zu betreten und dort zu verweilen, solange er oder sie will, ohne Auflagen und Begrenzungen. Dieses Recht darf nicht durch Kontingente eingeschränkt werden. Grenzen müssen abgebaut werden.

Diese Ziele unterscheiden uns fundamental von jenen der Faschisten. Sie machen uns zu ihren Gegner_innen. Und genau deshalb, weil ihrer Verwirklichung die reaktionäre Ideologie des Faschismus im Wege steht, sind wir unter allen Umständen Antifaschistinnen und Antifaschisten.

III. Schulter an Schulter gegen den Faschismus

Im Buchenwalder Manifest heisst es: „Solange Faschismus und Militarismus [...] nicht restlos vernichtet sind, wird es keine Ruhe und keinen Frieden bei uns und in der Welt geben. Unsere ersten Anstrengungen müssen darauf gerichtet sein, alle gesellschaftlichen Erscheinungen dieser blutigen Unterdrückung des Lebens für immer zu beseitigen.“ Wir Jungsozialistinnen und Jungsozialisten beherzigen diese Deklaration der Opfer des Faschismus und bekämpfen Faschismus in allen seinen Formen. Wir stehen ein für eine Welt, in der Gleichheit, freie Meinungsäusserung und das Recht auf freie Bewegung verwirklicht sind. In der die Freiheit des und der einzelnen und die Solidarität der vielen gilt. Darum fordern wir:

  • Kein Fussbreit dem Faschismus in der Schweizer Politik.

Faschistische Politiker_innen, sowie faschistische und faschistoide Parteien haben in unserer Demokratie nichts verloren. Parteien, die Menschenrechte nicht anerkennen und Rechtsstaatlichkeit und Minderheitenschutz ablehnen, müssen in allen Belangen bekämpft und ausgegrenzt werden.

  • Kein Fussbreit dem Faschismus in der Schweizerischen Gesellschaft.

Faschismus und faschistisches Gedankengut muss in unserer Gesellschaft bekämpft werden und darf im öffentlichen Raum keinen Platz haben. Rechte „Gedenkveranstaltungen“, Aufmärsche und Konzerte müssen durch zivilgesellschaftliche Proteste verhindert werden. Rassistisch motivierte Verbrechen müssen konsequent verfolgt, geahndet und als solche bezeichnet werden.

  • Wider die Blindheit auf dem rechten Auge.

Faschistische Kriminalität und rechter Terror müssen als Problem anerkannt und verfolgt werden. Die Polizei muss demokratisiert und insbesondere im Kampf gegen den Faschismus von unabhängigen Stellen kontrolliert werden.

  • Gegen die Verharmlosung rechter Gewalt.

Rechte Gewalt darf auf keinen Fall verharmlost werden, wie es Staatsschutz, Polizei und bürgerliche Politik systematisch tun. Insbesondere die Gleichsetzung rechter mit linker Gewalt verschleiert den bereits in ihrer Prämisse gewalttätigen und menschenverachtenden Charakter der rechten Ideologie und muss angeprangert werden.

  • Nieder mit dem Militarismus.

Militarismus und Aufrüstung reproduzieren Nationalismus und dienen damit dem Faschismus. Die Schweizer Armee muss auch aus diesem Grund abgeschafft werden. Auslandeinsätze und der Einsatz des Militärs für innere Aufgaben müssen, solange die Armee besteht, unbedingt verhindert werden. Waffenexporte sind zu verbieten. Personen mit rechter Gesinnung haben in der Armee nichts verloren.

  • Grenzen öffnen und Bewegungsfreiheit für alle.

Es braucht ein ein bedingungsloses Bleiberecht. Jeder Mensch muss sich frei bewegen und niederlassen können. Die Nationen müssen ihre Grenzen öffnen. Allen Menschen müssen sichere Transfer- und Fluchtwege ermöglicht werden. Insbesondere fordern wir heute das Ende des Dublin-Systems, ein umfassendes und grosszügiges Asylrecht und die Legalisierung aller Sans-Papiers.

  • Demokratie in allen Bereichen des Lebens.

Die freie Meinungsäusserung muss zu jeder Zeit gewährleistet werden. Jeder Mensch hat das Recht auf eine Meinung, jeder Mensch hat das Recht auf Mitbestimmung – auch in der Wirtschaft. Alle in der Schweiz wohnhaften Menschen müssen unabhängig von Herkunft und Niederlassungsstatus dieselben demokratischen Rechte besitzen und somit an Wahlen und Abstimmungen teilnehmen können.

  • Keine Toleranz der Intoleranz.

Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Wer öffentlich zu Gewalt und Hass gegenüber Minderheiten aufruft und die Würde der Menschen verletzt, muss konsequent bestraft werden. Die rechtliche Schwelle beim Willen zur Verbreitung rechten Gedankenguts muss dabei tief angesetzt werden. Jede Lockerung der Anti-Rassismus-Strafnorm ist abzulehnen. Faschismus, Rassismus, Antisemitismus, Islamophobie und Nationalismus müssen in der Schule vermehrt thematisiert werden.

  • Soziale Gleichberechtigung.

Der Kampf gegen den Kapitalismus ist unsere Priorität. Alle Menschen müssen die gleichen Chancen und Rechte haben. Jeder Mensch muss in der Schweiz dasselbe Anrecht auf finanzielle, physische und psychische Hilfe haben. Die Ursache für Armut und Ungleichheit müssen bekämpft werden. Das Recht auf Bildung und soziale Partizipation muss im gleichen Ausmass allen offen stehen. Damit wird der rechten Ideologie der Nährboden entzogen.