Solidarisierung mit den Betroffenen der Erdbeben in der Türkei und Syrien!

03.05.2023

Resolution verabschiedet an der Delegiertenversammlung der JUSO Schweiz vom 22. April 2023 in St. Gallen (SG)

Ein Inferno aus Zerstörung und Tod hat die Türkei und Syrien heimgesucht und zehntausende von unschuldigen Menschen in den Tod gerissen. Mehr als 52.000 Opfer haben seit dem sechsten Februar unter den verheerenden Erdbeben gelitten, die mit brutaler Wucht in Gebieten rund um die südwestliche Türkei und das nordwestliche Syrien zugeschlagen haben. Das erste Erdbeben ereignete sich um 4:17 Uhr (Ortszeit) an der Grenze zwischen der Türkei und Syrien und das zweite Erdbeben um 13:24 Uhr. Nach diesen zwei Beben folgten hunderte Nachbeben in unzähligen Gebieten.

Doch nicht nur das Erdbeben allein tötete die Menschen. Eine katastrophale Infrastruktur, eine korrupte Regierungsführung und ein autoritärer Machthaber wie Erdogan sind für den Untergang vieler Menschenleben verantwortlich. Es ist ein Skandal, dass Häuser als erdbebensicher beworben werden, nur um bei einem Erdbeben trotzdem in sich zusammenzufallen. Die Häuser wurden aus minderwertigem Beton gebaut, der bei blosser Berührung fast zu Staub zerfällt.

Der Kapitalismus trägt entscheidend zu den Auswüchsen der Zerstörung bei, denn die Instandhaltung und Sicherung der Infrastruktur für die breite Bevölkerung hat in einem profitorientierten System kaum Priorität. Stattdessen baute die AKP-Regierung die türkische Armee aus, die auch in Zeiten des Erdbebens kurdische Städte bombardierte. Während die herrschende Elite, begünstigt durch Lobbyismus und Korruption, die Bevölkerung ausbeutet, kämpfen die Menschen täglich um ihr Überleben und sind oft nicht in der Lage, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen.

Inmitten des Chaos und der Zerstörung ragte nur das Haus der TTMOB, (Vereinigung der türkischen Ingenieur*innen- und Architekt*innenkammern) noch aufrecht und intakt aus den Trümmern hervor. Die Gewerkschaft hatte die Regierung lange vor der Katastrophe scharf kritisiert, unter anderem, weil sie versäumt hatte, Kontrollen durchzuführen und Präventivmassnahmen zu ergreifen. Die Warnungen des Verbands, dass die Häuser instabil seien und ganze Städte bei einem Erdbeben in Friedhöfe verwandelt werden könnten, wurden nicht beachtet, mit fürchterlichen Konsequenzen.

Während die Menschen an den Folgen der Erdbeben gelitten haben und es immer noch tun, verbrachte der diktatorische Landespräsident seine Zeit in seinem 210’000 Quadratmeter grossen Palast. Ein Vorzeigebeispiel für das Ungleichgewicht von Macht und Menschenwürde in diesem Land.

Für die Zukunft des Landes werden die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen besonders nach solch einem Ereignis von immenser Bedeutung sein, da die Perspektive des Landes von dem Wahlergebnis abhängig sein wird. Die türkische Regierung hat durch ihre fortdauernde Missachtung von grundlegenden Menschenrechten, Meinungsfreiheit und demokratischen Prinzipien immer wieder internationale Aufmerksamkeit erregt. Es ist ein Fiasko, dass Journalist*innen systematisch inhaftiert, Oppositionspolitiker*innen gnadenlos verfolgt und die Unabhängigkeit der Justiz schamlos untergraben werden. Diese alarmierenden Verletzungen fundamentaler Rechte haben das Ansehen der Türkei weltweit schwer beschädigt und machen sie zu einem beispiellosen Fall autoritärer und patriarchaler Machtausübung. Auch die Erdbeben halten türkische Faschist*innen nicht davon ab, Erdogan-Propaganda bezüglich der Wahlen zu verbreiten. So riefen einige auf diversen sozialen Medien dazu auf, die Leitungen der Notrufzentralen zu stürmen, damit Kurd*innen nicht zu Hilfe gelangen, sterben und Erdogan somit eine höhere Wähler*innenschaft erzielt.

Es ist eine Tragödie, dass so viele Menschen ihr Leben und ihre Heimat verloren haben, weil die Regierung ihre Pflichten und Verantwortungen nicht wahrgenommen hat. Es ist an der Zeit, dass die Verantwortlichen für diese schrecklichen Versäumnisse zur Rechenschaft gezogen werden.

Die JUSO solidarisiert sich mit den vom Erdbeben Betroffenen und ihren Familien. Auch die Schweiz soll sich weiter für die Unterstützung der betroffenen Personen und Gebiete einsetzen. Dabei ist neben der wichtigen bereits erfolgten Direkthilfe nach den Erdbeben insbesondere auch eine aktive politische Solidarisierung mit den von der Katastrophe und der politischen Untätigkeit betroffenen Personen sowie eine längerfristige humanitäre Hilfeleistung zentral.

Wir fordern daher:

  • Solidarität und unbürokratische Direkthilfe in allen betroffenen Gebieten. Das Ausmass der Zerstörung ist enorm und noch immer besteht ein grosser Bedarf an der schnellen, unbürokratischen Versorgung der Betroffenen mit den notwendigen Hilfsgütern und Ressourcen.
  • Nachhaltig sichere und offene Grenzübergänge in die Türkei und nach Syrien um den Zugang von humanitären Akteur*innen und Hilfsgütern in alle betroffenen Gebiete zu gewährleisten.
  • Längerfristige, nachhaltige humanitäre Hilfe in der Versorgungssicherung und Unterstützung im Wiederaufbau der Infrastruktur, um den Menschen in den betroffenen Gebieten Zukunftsperspektiven zu ermöglichen.
  • Demokratische und faire Wahlen. Die Schweiz und die internationale Gemeinschaft müssen sich klar positionieren und die politische Unterdrückung, Wahlmanipulation und Instrumentalisierung der Justiz seitens Erdogan und der AKP-Regierung deutlich verurteilen.

Solche Verhaltensweisen sind inakzeptabel und dürfen nicht toleriert werden. Es ist entscheidend, dass die Türkei ihre Verpflichtungen gegenüber diesen internationalen Standards einhält.