Solidarität mit den Armenier*innen aus Arzach!

13.11.2023

Resolution verabschiedet an der Delegiertenversammlung der JUSO Schweiz vom 11. November 2023 in Luzern

Rund 120'000 Armenier*innen aus Arzach mussten, nach der Annexion von Arzach durch Aserbaidschan, ihre Heimat verlassen und nach Armenien fliehen. Die JUSO Schweiz fordert eine Positionierung der Schweiz für das Selbstbestimmungsrecht der Armenier*innen in Arzach. Dafür braucht es einen Boykott der Handelsbeziehungen mit Aserbaidschan und insbesondere einen Stopp der Gas- und Ölimporte.

Das Gebiet Bergkarabach (armenischer Name: Arzach) ist eine gebirgige Enklave zwischen Armenien und Aserbaidschan. Das Gebiet ist historisch gesehen armenisch geprägt und wurde bis vor kurzem von etwa 120’000 Menschen bewohnt, von denen die große Mehrheit armenischer Sprache und Kultur angehört. Die meisten dieser Menschen sind aktuell, aus Angst vor ethnischen Säuberungen, gezwungen ihre Heimat zu verlassen und nach Armenien zu flüchten, wo sie unter unbefriedigenden humanitären Bedingungen aufgenommen werden.

Seit dem Zerfall des Osmanischen Reichs ist das Gebiet Arzach zwischen Armenien und Aserbaidschan umstritten. Unter der Sowjetunion wurde das Gebiet an Aserbaidschan angegliedert, bis es 1988 den Status einer vollwertigen sozialistischen Sowjetrepublik beanspruchte. Nach dem Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1991 erklärte das Gebiet seine Unabhängigkeit. Diese Unabhängigkeit wurde weder von Aserbaidschan noch von der internationalen Gemeinschaft anerkannt und es kam zu einem Krieg mit Aserbaidschan, in dem Arzach von Armenien unterstützt wurde.
Nach einer Aggression Aserbaidschans, die von der Türkei unterstützt wurde, brach 2020 ein neuer Krieg aus. Eine russische Vermittlung beendete den Krieg und russische Truppen blieben zur Friedenssicherung stationiert.

Am 12. Dezember 2022 verhängte Aserbaidschan eine Blockade über den Latschin-Korridor, den einzigen Landweg, der Armenien mit der Republik Arzach verbindet. Durch die neunmonatige Blockade war die Republik von der Energie-, Medikamenten- und Lebensmittelversorgung abgeschnitten, was schwerwiegende humanitäre Folgen hatte: Lebensmittelrationierungen, sinkende Kapazitäten der Krankenhäuser und erschwerter Zugang zu Behandlungen für Menschen mit Behinderungen. Ausserdem schränkte die Blockade die lokale Bevölkerung in ihrer Bewegungsfreiheit ein.

Nachdem die Bevölkerung von Arzach neun Monate lang geschwächt worden war, startete Aserbaidschan am 19. September eine militärische Blitzoffensive auf die Republik und erreichte innerhalb weniger Tage eine Abdankung. Unter dem Druck Aserbaidschans erklärten die lokalen Behörden die Auflösung der Republik Arzach und die aserbaidschanische Flagge wurde in Stepanakert, der Hauptstadt des Gebiets, gehisst. Die aserbaidschanische Machtübernahme führte zur Vertreibung von rund 100’000 Menschen, die nach Armenien flüchteten.

Anders als in den Kriegen von 1988 und 2020 unterstützte Armenien die Republik Arzach nicht gegen diese militärische Aggression. Die armenische Regierung begründete ihre Untätigkeit mit der Präsenz aserbaidschanischer Truppen, die in der Nähe der armenischen Grenzen stationiert waren. Armenien befürchtete nämlich, dass sich der Krieg auf sein Territorium ausweiten könnte.
Diese Annahme ist berechtigt: Nach Arzach beabsichtigt Aserbaidschan wahrscheinlich, den Süden Armeniens einzunehmen, um einen Landkorridor zwischen der Türkei und Aserbaidschan zu schaffen.

Die Türkei und Russland konkurrieren seit langem um die Kontrolle über den Südkaukasus. Da Russland aktuell mit seiner Aggression gegen die Ukraine militärisch beschäftigt ist, hat die Türkei freie Bahn, um ihren Einfluss in der Region auszubauen.

Russland, das einen Bündnisvertrag mit Armenien unterzeichnet hat, griff nicht ein. Russische Truppen sind jedoch in der Region präsent, um die Sicherheit des Latschin-Korridors zu gewährleisten. Es ist offensichtlich, dass die Invasion der Ukraine erhebliche Ressourcen bindet, wodruch Russland nicht in der Lage ist, gegen die Allianz Türkei-Aserbaidschan in den Krieg zu ziehen.

Die Rolle der Schweiz und Europas

Europa hat in dieser Situation eine Verantwortung zu tragen, auch die Schweiz. Diese hat den Völkermord an den Armenier*innen erst 2003 anerkannt, allerdings gegen den Widerstand der Rechten, welche um den Erhalt der Handelsbeziehungen mit der Türkei, die den Völkermord immer noch nicht anerkennt, besorgt waren.

Auch heute noch haben die wirtschaftlichen Interessen der bürgerlichen Staaten mehr Gewicht als die internationale Solidarität. Die Schweiz hat die Unabhängigkeit der Republik Arzach nie anerkannt und betrachtet sie als Teil von Aserbaidschan. Sie erkennt auch die aktuelle Situation in Arzach nicht als ethnische Säuberung an, im Gegensatz zum Europäischen Parlament.

Die Schweiz ist mit Aserbaidschan durch den Ölhandel verbunden. SOCAR (State Oil Company of Azerbaijan Republic), die Ölgesellschaft des aserbaidschanischen Staates, trägt 10 % zum BIP des Landes bei. In der Schweiz erzielt SOCAR, mit seinen 200 Tankstellen sowie den Öl- und Gashandelsaktivitäten der Socar Trading SA, welche ihren Sitz in Genf hat, 76 % seines Umsatzes. Die Schweiz war somit in erheblichem Maße an der Finanzierung von Militäroperationen beteiligt, die zu ethnischen Säuberungen und einer humanitären Katastrophe führten.

Die JUSO Schweiz erachtet diese Situation als dramatisch. Die humanitäre Hilfe für Geflüchtete ist dabei absolut notwendig aber nicht ausreichend. Denn die wirtschaftlichen und strategischen Interessen der Nationalstaaten dürfen nicht über dem Selbst-bestimmungsrecht der Völker stehen.

Wir fordern darum:

  • Die Verurteilung der ethnischen Säuberung, welche Aserbaidschan in Arzach durchführt, durch die Schweiz;
  • Die Einführung von Wirtschaftssanktionen gegen Aserbaidschan, insbesondere den Boykott von SOCAR;
  • Das Engagement der Schweiz für die Selbstbestimmung der Armenier*innen in Arzach und die Unterstützung von Geflüchteten, die in ihr Gebiet zurückkehren möchten.