Stopp der Ausbeutung des globalen Südens

10.11.2019

Positionspapier verabschiedet an der Delegiertenversammlung der JUSO Schweiz vom 10.11.2019

Die Welt steckt in einer Krise. Noch nie befanden sich so viele Menschen auf der Flucht wie heute. Knapp 70 Millionen Menschen fliehen vor kriegerischen Konflikten, Gewalt und Verfolgung. Dazu kommen unzählige Menschen, die vor Umweltkatastrophen fliehen und ihr Zuhause wegen fehlenden wirtschaftlichen Perspektiven verlassen.[1] Die Ursache für die hohe Zahl von Geflüchteten, finden wir im selben Wirtschaftssystem, das auch hier in der Schweiz dazu führt, dass unzählige Menschen nicht wissen, wie sie ihre Rechnungen am Ende des Monats bezahlen sollen.
Dieses Positionspapier ist ein Versuch die Systematik hinter der Ausbeutung des globalen Südens zu skizzieren. Gleichzeitig erhebt das Papier keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da fast jeder Aspekt der herrschenden Lebens- und Wirtschaftsweisen im Kapitalismus eng verknüpft ist mit der Ausbeutung des Südens.

Wir leben auf Kosten des globalen Südens

Das kapitalistische System ist ein Weltsystem, das in verschiedenen Staaten zu unterschiedlichen Formen der Ausbeutung führt und vielfältige Folgen hat. Auch die Linke bleibt bei ihrer Kritik oft gefangen im engen Blick auf die Lohnarbeit in Industriestaaten. Dabei wird übersehen, dass neben der Ausbeutung von Angestellten in der Schweiz noch viele weitere Formen der Ausbeutung gibt.

Dazu gehört die Ausbeutung der Natur und anderer Formen der Arbeit, wie die unbezahlte Care-Arbeit, die in Privathaushalten verrichtet wird und die Arbeitskraft von Menschen im globalen Süden. Die Wirtschafts- und Lebensweise in der Schweiz kann nur aufrechterhalten werden, weil ein Grossteil der damit verursachten Kosten und Schäden in andere Territorien und Gesellschaftsbereiche abgeschoben wird.[2] Unsere Wirtschafts- und Lebensweisen im wohlhabenden globalen Norden bauen auf eine massive Übernutzung und Verschmutzung der natürlichen Ressourcen. Die Kosten werden auf kommende Generationen und die Menschen im globalen Süden abgeschoben.
Das anschaulichste Beispiel dafür ist der ökologische Fussabdruck der Schweiz: Wenn alle Menschen so leben würden wie die Bevölkerung in der Schweiz, wären ca. drei Erden nötig um unseren Ressourcenverbrauch zu decken. Unsere Lebens- und Wirtschaftsweise ist also nur möglich, solange andere Menschen weniger Ressourcen verbrauchen.
Das gleiche Bild zeigt sich auch in anderen Lebensbereichen: In der Schweiz fliesst jedes Jahr etwa ein Drittel des erarbeiteten Wohlstands in Form von Kapitaleinkommen in die Taschen der Besitzenden.[3] Insbesondere vor diesem Hintergrund kann der verhältnismässig hohe Lebensstandard nur aufrechterhalten werden, solange Menschen im globalen Süden unter miserablen Arbeitsbedingungen dafür schuften.In der Textilproduktion, wo unsere Kleidung hergestellt wird, sind die Arbeitsbedingungen nicht besser: Unzählige Frauen in Asien arbeiten mehr als zehn Stunden am Tag für einen Hungerlohn von etwa 60 Franken[4] pro Monat und sind dabei täglich sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Soziale Sicherheitssysteme sind meist nicht gegeben und auch die körperliche Sicherheit am Arbeitsplatz ist nicht gewährleistet. Bei einem T-Shirt aus Bangladesch, das in der Schweiz verkauft wird, fliesst weniger als zwei Franken in die Produktion vor Ort und fast 60% des Verkaufspreises an die Detailhändler in der Schweiz und an deren Besitzer*innen.
Verantwortlich sind die Lebens- und Wirtschaftsweisen im globalen Norden. Obwohl sich diese massgeblich voneinander unterscheiden, handelt sich bei fast allen um imperiale Lebensweisen[5], weil sie nur möglich sind durch einen übermässigen Verbrauch von natürlichen Ressourcen und Arbeitskraft aus dem globalen Süden. Die Lebensweise der vermögendsten Menschen ist dabei besonders belastend für die Umwelt und die Menschen in den Ländern des Südens.
Das kapitalistische System hat sich historisch schon immer stark auf die Ausbeutung der Länder des Südens gestützt. Diese wurden seit dem Zeitalter des Kolonialismus als günstige Rohstoff- und Arbeitskraftlieferanten missbraucht und damit in massive Abhängigkeitsverhältnisse getrieben. Heute wird die Übermacht des Kapitals zusätzlich verschärft durch die Globalisierung. Internationale Grosskonzerne haben die Fesseln des Nationalstaats längst überwunden und Kapital wird in Sekundenbruchteilen über die ganze Welt verschoben. Einzelne Nationalstaaten können der Macht der global agierenden Unternehmen kaum etwas entgegensetzen, selbst wenn sie wollten. Der Raum für demokratische Entscheide wird immer kleiner, Konzerne erpressen die Staaten, die sich der Standortlogik fügen müssen. Die Demokratie verkommt zur Konzerndiktatur. Unter der ständigen Drohung der Abwanderungen von Unternehmen werden die Arbeitsbedingungen verschlechtert und die Unternehmenssteuern nach unten geschraubt. Solange Konzerne ihre Produktion von einem Tag auf den nächsten in ein anderes Land verschieben können und ihren Steuersitz nach Lust und Laune frei wählen können, scheint es für einzelne Staaten kaum möglich dem Kapital Zugeständnisse abzuringen. Statt internationaler Solidarität herrscht erbitterte Konkurrenz um die Krümel, die das reichste Prozent übrig lässt. Das Resultat ist der herrschende Standort- und Steuerwettbewerb, den die Länder des Nordens wegen ihrer kolonialistisch und imperialistisch bedingten Vormachtstellung stets gewinnen.

Das resultierende unausgesprochene Bündnis zwischen den Regierungen der wohlhabenden Industriestaaten des Nordens und den Besitzenden hat weitreichende Folgen. Konzerne mit Sitz im globalen Norden begehen massive Menschenrechtsverletzungen in den Ländern des Südens und die Umwelt wird verschmutzt und zerstört. Die klassische industrielle Produktion wird gezielt in Länder verschoben, in denen die Umweltstandards tief und die Arbeitsbedingungen schlecht sind. Die politischen Eliten der wohlhabenden Staaten des Nordens richten ihre Politik gänzlich nach den Interessen der Kapitalbesitzenden. Die Regierungen des Nordens ziehen Profit aus diesem Bündnis, indem sie die geringen Steuerbeträge einstreichen, die nach dem Steuerwettbewerb noch übrig sind. Die Schweiz ist an vorderster Front dabei bei diesem Raubzug auf die Länder des Südens. Anderen Ländern entgehen jedes Jahr mehr als 30 Milliarden Franken Steuereinnahmen weil Konzerne ihren Hauptsitz aus steuerlichen Gründen in die Schweiz verlegen. Zum Vergleich: Mit 30 Milliarden Franken könnte allen Rentner*innen auf dem afrikanischen Kontinent während sechs Jahren eine existenzsichernde Rente ausbezahlt werden.[6]

Die Folgen der unheiligen Allianz zwischen dem Kapital und den politischen Eliten des globalen Nordens sind massives Elend und Armut in den Ländern des Südens. Dieser Ausbeutung müssen wir ein Ende setzen.

Die Ausweitung der imperialen Lebens- und Wirtschaftsweise

Der globale Süden ist für das Kapital zudem ein wichtiges Mittel um neue Absatzmärkte und neue Investitionsmöglichkeiten zu erschliessen. Der Wachstumszwang im Kapitalismus führt dazu, dass ständig neue Wege gefunden werden müssen, um Kapital gewinnbringend anzulegen. Damit dies möglich ist, müssen neue Absatzmärkte und neue Käufer*innen für die produzierten Produkte gefunden werden.

Das Streben nach neuen Absatzmöglichkeiten für das Kapital ist ein wichtiger Treiber der Globalisierung und des Welthandels. Möglichst alle Winkel der Welt sollen kapitalisiert werden: Dies gilt für natürliche Ressourcen, wie den Regenwald in Südostasien, aber auch für alternative Praktiken des Wirtschaftens, wie bei lokalen Landwirtschaftsbetrieben auf dem afrikanischen Kontinent.

Vom Abbau der Grenzen für das Kapital und der Liberalisierung der Weltwirtschaft profitiert am Ende vor allem das reichste Prozent. Und für die Durchsetzung dieser Ziele sind sie bereit jegliche demokratische Prinzipien über Bord zu werfen. Grosskonzerne eignen sich in Zusammenarbeit mit den lokalen Eliten oft gewaltsam die fruchtbarsten Landwirtschaftsflächen und natürliche Ressourcen an. Das Resultat ist die gewaltsame Vertreibung und Enteignung von unzähligen Menschen. Des weiteren werden die Länder des Südens durch Freihandelsabkommen gezwungen Handelshemmnisse abzubauen, Zölle zu senken und wichtige öffentliche Aufgaben nicht staatlich zu organisieren, sondern zu privatisieren. Die Leidtragenden sind die Lohnabhängigen im globalen Süden, deren Märkte von günstigen Produkten überschwemmt werden und denen damit jegliche Chance genommen wird, eine eigenständige lokale Wirtschaft aufzubauen. Dies gilt insbesondere für Länder auf dem afrikanischen Kontinent, die mit hoch subventionierten Landwirtschaftsprodukten aus Europa überschwemmt werden, die wegen der massiven staatlichen Unterstützung und technologischen Vorteilen meist günstiger sind als lokale Erzeugnisse.

Besonders dramatisch wird die Situation, wenn die Länder des Südens auf finanzielle Unterstützung angewiesen sind. Diese wird oft vom Internationalen Währungsfonds und der Weltbank zur Verfügung gestellt, doch nur unter härtesten Bedingungen. Die beiden UN-Sonderorganisationen zwingen ihre Schuldnerstaaten meist zu einer umfassenden neoliberalen Reorganisation des Staatsapparates. Diese beinhaltet Deregulierungen, Marktliberalisierungen, Privatisierungeneinen und einen massiven Abbau des Service publics. Zusammengefasst: Eine komplette Öffnung für ausländisches Kapital. Wenn Staaten erst mal einen Kredit vom IWF oder der Weltbank erhalten haben, ist es für sie kaum möglich sich wieder aus dem entstandenen Abhängigkeitsverhältnis zu befreien, denn die Kredite sind gekoppelt an massive Zinszahlungen, die eine Rückzahlung der Schulden beinahe unmöglich macht.
Von den erzwungenen Liberalisierungen profitieren nicht nur die Kapitalist*innen aus dem globalen Norden und die lokale Klasse der Besitzenden, sondern in geringerem Ausmass auch die arbeitende Bevölkerung in den Ländern des Nordens.

Mit der Ausbreitung der kapitalistisch-industriellen Wirtschaftsweise wird gleichzeitig auch die imperiale Lebensweise in die Länder des globalen Südens exportiert.[7] So gewinnen typische Statussymbole aus dem globalen Norden, wie die Automobilität, auch bei den wohlhabenderen Teilen der Arbeiter*innenklasse des globalen Südens an Bedeutung. Trotz der massiven Ausbeutungsverhältnisse schafft insbesondere in Schwellenländern ein Teil der Arbeiter*innenklasse den Weg aus der massiven Armut und ihre Lebensweise nähert sich zunehmend der imperialen Lebensweise des globalen Nordens. Damit findet auch im globalen Süden ein zunehmendes Auseinanderdriften der Lebensrealitäten statt: Für einen Teil der arbeitenden Bevölkerung verbessern sich die Lebensbedingungen, während der Druck auf die übrigen Menschen massiv steigt, weil sie die abgewälzten Kosten der imperialen Lebensweise alleine tragen müssen.
Diese Kosten nehmen heute stetig zu, denn mit der Ausweitung der imperialen Lebensweise werden die kulturellen Bräuche und traditionelle Lebensformen in den Ländern des Südens zunehmend verdrängt und verschwenderische, ressourcenintensive Lebensformen und Wirtschaftsweisen werden verbreitet.

Die Zerreissprobe des Kapitalismus

Im Kapitalismus können wir somit zwei entgegengesetzte Tendenzen erkennen: Einerseits braucht der Kapitalismus den globalen Süden, damit dieser die Kosten unserer Lebens- und Wirtschaftsweise trägt.
Andererseits strebt das Kapital danach seinen Einflussbereich immer weiter auszudehnen, um neue Abnehmer*innen für seine Waren zu finden.
Beide beschriebenen Tendenzen sind nicht zufällige Folgeerscheinungen des Kapitalismus, sondern dienen direkt dem obersten Ziel der herrschenden Wirtschaftsordnung: Die Vermehrung der Profite des reichsten Prozentes.
In der Realwirtschaft gibt es zur Erreichung dieses Ziels nämlich nur zwei Wege: Die Nachfrage kann erhöht werden indem neue Käufer*innen gewonnen werden oder die Produktionskosten werden gesenkt. Etwas einfacher ausgedrückt: Der gesamte wirtschaftliche Kuchen kann vergrössert werden oder das Kapital kann sich ein grösseres Stück des Kuchens abschneiden.
Beide Strategien basieren massgeblich auf der Ausbeutung des globalen Südens.
Der gesamte wirtschaftliche Kuchen wird vergrössert, indem der globale Süden als neuer Absatzmarkt missbraucht wird. Und das Kuchenstück des Kapitals wird grösser indem die Umwelt und die Arbeitskraft der Menschen im globalen Süden immer stärker ausgepresst werden.

Gleichzeitig stehen die beiden Strategien in krassem Widerspruch zueinander.
Auf einer begrenzten Welt können sich die imperiale Lebens- und Wirtschaftsweise nicht stetig ausbreiten, während sie gleichzeitig existenziell darauf angewiesen sind, dass es äussere Bereiche gibt, die ihre Kosten tragen.

Der Kapitalismus ist heute drauf und dran sich selber zu zerfleischen.
So sind die Regenwälder wichtige CO2-Speicher, die unerlässlich sind für den Erhalt des Klimas und damit auch für das Zusammenleben im heutigen Kapitalismus. Gleichzeitig sorgt der Kapitalismus für die Abholzung des Regenwaldes, damit die kurzfristigen Profite von Konzernen gesteigert werden können, und zerstört damit seine eigene Lebensgrundlage.

Nicht nur die Produktion von Konsumgütern sorgt für grosses Leid, auch die Abfälle, die entstehen wenn die kurzlebigen Produkte ihre Lebensdauer überschritten haben, belasten die Umwelt und die Menschen im globalen Süden massiv. So wird ein grosser Teil des Technoschrotts, der durch Smartphones und Laptops entsteht, in die Länder des Südens transportiert und dort auf riesigen offenen Deponien entsorgt. Diese sorgen für eine starke Verschmutzung der Umwelt und verursachen Krankheiten bei der lokalen Bevölkerung.

Zahlreiche Krisen im Kapitalismus basieren auf diesem Widerspruch zwischen Ausweitung und Abwälzen von Kosten.
Nicht nur der Regenwald, auch zahlreiche andere natürliche Ressourcen werden heute massiv übernutzt und verschmutzt. Die zugrundeliegende verschwenderische Produktions- Lebensweise dehnt sich immer mehr aus. Doch es können schlicht nicht alle Menschen so leben, als gäbe es drei Welten. Die Leidtragenden der drohenden Ressourcenknappheit sind die Ärmsten unserer Gesellschaft. Die Verschmutzung der natürlichen Ressourcen trifft schon heute in erster Linie die Menschen im globalen Süden. In den am stärksten betroffenen Ländern, wird heute jeder vierte vorzeitige Todesfall durch Umweltverschmutzung verursacht. In der Schweiz liegt die entsprechende Zahl etwa fünf mal tiefer.[8]

Auch die drohende Klimakrise beruht massgeblich darauf, dass die Treibhausgas-intensive Lebens- und Produktionsweisen aus dem globalen Norden heute in die ganze Welt exportiert werden. Obwohl die Verursacher*innen der schädlichen Treibhausgasemissionen noch immer vorwiegend im globalen Norden leben, werden die Kosten auch hier abgeschoben: In die Zukunft und in den globalen Süden. Schon heute befinden sich etwa 20 Millionen Menschen auf der Flucht vor Umweltkatastrophen und den Folgen des Klimawandels. Wenn der Klimawandel ungebremst so weitergeht wie bisher, drohen Dürren, Extremwetterereignisse und das Ansteigen des Meeresspiegels bis ins Jahr 2040 200 Millionen Menschen zu Klimaflüchtlingen zu machen. Besonders bedroht sind dabei Menschen auf dem Afrikanischen Kontinent und in Südasien.

Auch die Zunahme der unfreiwilligen Migration ist eine Folge der widersprüchlichen Tendenzen des Kapitalismus. Die Ausweitung der herrschenden imperialen Wirtschaftsweise zerstört die lokale Wirtschaft und die sozialen Strukturen in den Ländern des Südens. Gleichzeitig wird die Arbeitskraft und die Umwelt der Menschen im globalen Süden massiv ausgebeutet und Menschen werden wegen Profitinteressen gewaltsam aus ihrer Heimat vertrieben. Die unmenschliche Migrationspolitik der europäischen Staatengemeinschaft zeigt auf, dass diese geflüchtete Menschen lieber im Mittelmeer ertrinken lässt, als ihnen die Hilfe zu geben die ihnen zusteht.

Der beschriebene kapitalistische Widerspruch zeigt sich auch im Bereich der Care-Arbeit[9]. Die Kosten der Lohnarbeit werden auf Frauen abgewälzt, die im Haushalt unbezahlt kochen und pflegen und mit ihrer Arbeit dafür sorgen, dass überhaupt Lohnarbeit verrichtet werden kann. Gleichzeitig wird auch die Arbeitskraft von Frauen immer mehr kapitalisiert und eine steigende Anzahl Frauen ist heute berufstätig. Der Kapitalismus steht vor dem Widerspruch, dass er einerseits Frauen braucht, die durch unbezahlte Care-Arbeit die Kosten der Lohnarbeit tragen, und andererseits darauf angewiesen ist, dass auch die Arbeitskraft von Frauen auf dem Markt verkauft wird. Diese Tatsache sorgt sowohl im globalen Süden, als auch im globalen Norden für eine enorme Doppelbelastung unzähliger Frauen, die gleichzeitig Lohnarbeit und Care-Arbeit verrichten müssen.

Rassismus, Patriarchat und Kapitalismus

Obwohl die Besitzenden die grössten Profiteure der Ausbeutung des globalen Südens sind, muss trotzdem klar sein: Die Ausbeutung der Länder des Südens ist keine Frage, die sich nur entlang der Grenze zwischen Kapital und Arbeit abspielt. Sie ist auch eng verknüpft mit sexistischen Mustern und insbesondere mit rassistischen Diskriminierungen.
Die Funktion als Müllhalde des Kapitalismus, die den Ländern des Südens im kapitalistischen Weltsystem zugewiesen wird, besteht schon seit der Zeit der Zeit des Kolonialismus und basierte schon damals massgeblich auf rassistische Diskriminierung. Diese Rolle wird bis heute täglich reproduziert. Die Empörung wenn unzählige Geflüchtete im Mittelmeer ertrinken ist kaum sichtbar, anders als bei Katastrophen, die vorwiegend weisse Menschen betreffen.

Diskriminierungen bleiben insbesondere dann unsichtbar, wenn die betroffenen Personen von mehreren Dimensionen der Diskriminierung betroffen sind. Wenn Diskriminierung wegen der Klassenzugehörigkeit auf Rassismus, Sexismus oder beides trifft. So zum Beispiel bei Frauen aus dem globalen Süden. Auch in Diskussionen um die Ausbeutung des globalen Südens bleibt die Ausbeutung der Care-Arbeit von Frauen aus den Ländern des Südens oft unsichtbar. Dabei sind 70% der armutsbetroffenen Menschen auf der Welt weiblich.[10] Des weiteren sind es insbesonder Frauen im globalen Süden, die von der bevorstehenden Klimakrise am stärksten bedroht werden. Einerseits weil sie für die Versorgung mit Nahrung und Wasser zuständig sind und deshalb am direktesten mit den Folgen von Dürren konfrontiert werden. Andererseits sind Frauen oft stärker von Umweltkatastrophen betroffen. So überlebten beim Tsunami in Südostasien 2004 Schätzungen zufolge dreimal mehr Männer als Frauen.[11]
Die fehlende Sichtbarkeit der Lebensrealitäten von mehrfach diskriminierten Menschen ist insbesondere deshalb ein Problem, weil bestehende Ungerechtigkeiten dadurch auch weniger bekämpft werden können.

Die Ausbeutung der Menschen im globalen Süden ist das beste Beispiel dafür, denn sie beruht sowohl auf rassistischen Denkmustern, als auch auf Abwertungen wegen der Klassenzugehörigkeit.

Der Kampf gegen die Ausbeutung des globalen Südens ist deshalb immer auch ein Kampf gegen das Patriarchat, gegen Rassismus und gegen den Kapitalismus.

Unsere Forderungen - Global denken, lokal handeln

Wir stellen uns gegen jegliche Diskriminierungen und gegen die Ausbeutung der Menschen im globlen Süden. Dieses Ziel ist untrennbar Verknüpft mit dem Einsatz gegen die drohende Klima- und Umweltkrise, deren Folgen vorwiegend den globalen Süden treffen. Die imperiale Lebens- und Wirtschaftsweise auf Kosten der Länder des Südens muss endlich beendet werden. Auch wir, die Lohnabhängigen in der Schweiz, profitieren von der Ausbeutung des globalen Südens. Dennoch leiden wir auch unter dem gleichen ausbeuterischen System, genau darum stehen wir umso mehr in der Pflicht, bei unserem Kampf für ein gutes Leben für alle eben wirklich alle Menschen einzubeziehen. Insbesondere weil unser Handlungsspielraum grösser ist, als jener der Menschen im globalen Süden stehen wir in der Verantwortung diesen auch wirklich zu nutzen.

Deshalb fordert die JUSO:

Finanzwirtschaft an die Leine!

Die Schweiz ist eine der wichtigsten finanzwirtschaftlichen Drehscheiben der Welt. Mit den Investitionen in die Produktion von Kriegsmaterial finanzieren die Schweizer Banken und Pensionskassen Kriege und Unterdrücken in ganzer Welt. Durch die Finanzierungen fossiler Projekte und Unternehmen verursacht der Schweizer Finanzplatz zudem 22-mal so viele Treibhausgasemissionen wie in der Schweiz direkt ausgestossen werden. Damit ist die Finanzwirtschaft einer der grössten Hebel, der sich uns in der Schweiz bietet.
Wir fordern deshalb:

  • Ein Verbot von Investitionen in Kriegsmaterialproduzenten und fossile Unternehmen
  • Ein Verbot von Spekulationsgeschäften, insbesondere mit Nahrungsmitteln, Agrarflächen und Wohnraum

Konzerne in den Dienst der Menschen!

Multinationale Konzerne mit Sitz in der Schweiz begehen Menschenrechtsverletzungen auf der ganzen Welt. Die massive Ausbeutung der Arbeitskraft und der Umwelt im globalen Süden muss endlich beendet werden. Als wichtigste internationale Drehscheibe für Rohstoffhandel nimmt die Schweiz insbesondere bei der Ausbeutung rohstoffreicher Länder eine bedeutende Rolle ein.
Wir fordern deshalb:

  • In der Schweiz dürfen nur Produkte verkauft werden, bei deren Produktion ausschliesslich existenzsichernde Löhne bezahlt wurden. [12]
  • Die demokratische Kontrolle von Konzernen durch einen Rat, der zusammengesetzt wird aus gewählten Vertreterinnen der Angestellten und der Bevölkerung aus jedem Land, in dem das Unternehmen wirtschaftet.

Kein Raubzug auf die Steuergelder des Südens!

Durch Steuerdumping und Steuerschlupflöcher für Unternehmen entgehen den Ländern des Südens jedes Jahr Steuereinnahmen im dreistelligen Milliardenbereich. Dies verunmöglicht den Aufbau eines umfassenden Bildungssystems und sozialer Sicherheitssysteme. Insbesondere bei der Unternehmensbesteuerung ist die Schweiz eine der aggressivsten Antreiberinnen des Steuerwettbewerbs.
Wir fordern deshalb:

  • Eine Harmonisierung der internationalen Unternehmenssteuern
  • Rückzahlung aller Unternehmenssteuern die dem globalen Süden entgangen sind, durch Schweizer Steuerschlupflöcher innerhalb der letzten 20 Jahre

Keine Zerstörung unserer gemeinsamen Lebensgrundlage!

Die Treibhausgasemissionen müssen bis ins ins Jahr 2030 auf Null gesenkt werden. Auch der Ressourcenverbrauch in der Schweiz muss drastisch sinken, wenn wir die drohende Klima- und Umweltkrise aufhalten möchten. Dazu braucht es einen Wandel der imperialen Lebens- und Wirtschaftsweise in der Schweiz und eine Demokratisierung unserer natürlichen Ressourcen. Die Wirtschaft muss den Bedürfnissen der Menschen unterstellt werden und nicht umgekehrt.
Wir fordern deshalb:

  • Eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit
  • Eine Senkung der Treibhausgasemissionen auf netto Null bis ins Jahr 2030

Eine Linke für die gesamten 99%!

Für ein Ende der Ausbeutung des globalen Südens, braucht es eine vereinigte Linke, die gleichermassen für die Bedürfnisse der 99% in allen Ländern einsteht, unabhängig von der Passfarbe der Menschen. Denn der Kampf gegen den Steuerwettbewerb, Grosskonzerne und die Finanzwirtschaft können wir nur gemeinsam führen. Wir fordern deshalb:

Die Gründung einer neuen Internationalen für die 99%


[1] www.medico.de/warum-menschen-fliehen-16487/ (9.5.2019)

[2] Brand, Ulrich; Wissen, Markus: Imperiale Lebensweise, 2017

[3] www.snf.ch/de/fokusForschung/newsroom/Seiten/news-140318-mm-die-lohnquote-in-der-schweiz-bleibt-konstant.aspx (9.5.2019)

[4] www.srf.ch/news/international/made-in-bangladesch-oder-fairtrade-was-kostet-ein-t-shirt (9.5.19)

[5] Imperiale Lebensweise: Lebens- und Produktionsweise im globalen Norden, die auf einem übermässigen Zugriff auf natürliche Ressourcen und Arbeitskraft aus dem globalen Süden beruht. Denn die Schäden der besagten Lebensweise sorgen insbesondere im globalen Süden für eine Zerstörung der Natur und eine massive Ausbeutung der Menschen. In der Linke wird das Konzept zum Teil kritisiert, weil es nicht differenziert zwischen verschiedene Lebensweisen im globalen Norden.

[6] Baumann, Hans; Ringger, Beat: Unternehmenssteuern: Schweiz raubt anderen Ländern jährlich CHF 29.2 bis 36.5 Milliarden Steuereinnahmen, 2012

[7] Brand, Ulrich; Wissen, Markus: Imperiale Lebensweise, 2017

[8] www.tagesanzeiger.ch/wissen/medizin-und-psychologie/umweltverschmutzung-fordert-15mal-mehr-tote-als-krieg/story/12753772 (9.5.2019)

[9] Care Arbeit: Bezahlte und unbezahlte Tätigkeiten, bei denen Menschen für sich oder andere Sorgen und sich um andere kümmern. Z.B. kochen, pflegen, Kinder erziehen oder trösten.

[10] www.heks.ch/was-wir-tun/unsere-schwerpunkte/entwicklung-laendlicher-gemeinschaften (9.5.2019)

[11] https://oxfamilibrary.openrepository.com/bitstream/handle/10546/115038/bn-tsunami-impact-on-women-250305-en.pdf;jsessionid=143A14309FD510982403D11975618767?sequence=1 (9.5.2019)

[12]www.publiceye.ch/de/themen/mode/existenzlohn (9.5.2019)