Auf gehts zum feministischen Streik 23!

21.11.2022

Resolution verabschiedet an der Delegiertenversammlung der JUSO Schweiz vom 19. November 2022 in Basel (BS)

Seit dem feministischen Streik vom 14. Juni 2019 konnten der feministische Kampf in der Schweiz einige Erfolge verzeichnen: Bei den vergangenen nationalen Wahlen im Jahr 2019 wurden 42% Frauen gewählt, das sind 20 Frauen mehr als noch im Jahr 2015. Die Initiative, die Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung (Ja zum Schutz) forderte, wurde im Jahr 2020 und die Initiative zur Ehe für alle im Jahr 2021 angenommen. Ausserdem wurde 2020 ein neuer Artikel des Gleichstellungsgesetzes eingeführt, der die Lohngleichheitskontrolle in Unternehmen mit mehr als 100 Angestellten sicherstellt. Die angenommene Pflegeinitiative hat die Arbeitsbedingungen für das Personal (das zu einem grossen Teil aus FLINTA-Personen besteht) verbessert. Diese Teilerfolge sind hauptsächlich der Mobilisierung von einer halben Million FLINTA-Personen und feministischen Männern während dem feministischen Streik am 14. Juni 2019 zu verdanken. Genauso wie das 1996 verabschiedete Gleichstellungsgesetz, das auf dem ersten feministischen Streik in der Schweizer Geschichte im Jahr 1991 ankert. Und doch ist der Kampf noch lange nicht vorbei.

Heute werden wir mit einem patriarchalen Backlash konfrontiert, der von den Rechten angestachelt wird. Das JA zur AHV-Reform21 ist das jüngste und krasseste Beispiel dafür: Wir sprechen hier von realen Verschlechterungen der materiellen Bedingungen von Tausenden von Frauen in der Schweiz, von welchen jene am stärksten betroffen sind, die mehrere, sich überlagernde, Formen der Diskriminierung (wie Migrationshintergrund, soziale Herkunft oder Hautfarbe) erleben müssen. Während sich die Lohnungleichheit in der Schweiz zwischen 2014 und 2018 von 18,1 % auf 19 % weiter verschärft hat, hat die COVID-19-Pandemie diese Situation in den OECD-Ländern noch weiter verschlechtert. Und das Gesamteinkommensgefälle zwischen Frauen und Männern in der Schweiz liegt derzeit bei 43,2%! Es ist unbestreitbar: Frau zu sein ist eine soziale Klasse.

Sexistische und sexualisierte Gewalt werden noch immer nicht systematisch erfasst und betreffen immer noch eine von 5 Frauen1, obwohl die Istanbul-Konvention bereits vor vier Jahren ratifiziert wurde. Im Jahr 2021 wurden 26 Feminizide verzeichnet, während die Frauenhäuser in der Schweiz weiterhin unterfinanziert sind, massiven Platzmangel2 aufweisen und mehrheitlich keine trans Frauen aufnehmen. Dies ist Teil der eklatanten Transmisogynie unserer Institutionen und der bürgerlichen Mehrheiten im Parlament, die abgelehnt haben, die Strafnorm gegen Diskriminierung auf Geschlechtsidentitäten auszudehnen. Nicht zu vergessen ist aber, dass solche Diskriminierungsstrukten auch in den eigenen links-aktivistischen Reihen vorkommen.

Die Rechts-Bürgerlichen wagen es noch immer, unser Recht auf Selbstbestimmung über unseren Körper anzugreifen, wie beispielsweise die beiden Initiativen zur Einschränkung des Rechts auf Abtreibung zeigen. Und leider verbucht die Rechte damit Erfolge: die Anti-Burka-Initiative hat 2021 in der Verfassung festgeschrieben, wie sich muslimische Frauen kleiden müssen. Unter dem Deckmantel der Gleichstellung denkt der Bundesrat sogar darüber nach, die Wehrpflicht auch für Frauen einzuführen.

Wir haben die Nase voll von Backlashes gegen die Rechte von FLINTA-Personen. Wir sind wütend. Die institutionelle Schweiz scheint zu schnell vergessen zu haben, wie stark der Zusammenhalt von FLINTA-Personen sein kann. Deshalb werden wir gemeinsam am 14. Juni 2023 unsere Arbeit, bezahlt oder unbezahlt, niederlegen und streiken.

Dazu braucht es bis zum Streiktag 2023 eine Vereinigung der feministischen Kräfte: Feministische Kollektive, Gewerkschaften, Gruppierungen und Parteien müssen an einem Strang ziehen und gemeinsam den Streik zu einem schlagkräftigen und historischen Ereignis in der Schweizer Geschichte machen. Dies gelingt nur, wenn Feminismus intersektional und damit inklusiv gedacht wird. In der feministischen Bewegung sind Anliegen von TINA-Personen genauso berechtigt, wie Anliegen der Bäuer*innen, Detailshandelsangestellten, unbezahlte Care-Arbeiter*innen, Care-Migrant*innen oder jene von BiPoCs. Keine Anliegen sollen über andere gestellt werden und alle müssen nebeneinander Platz haben, denn in der feministischen Bewegung ist Solidarität und gegenseitige Unterstützung elementar. Die Revolution wird intersektional und feministisch oder sie wird nicht!

Wir als JUSO Schweiz wollen daher:

  • unsere Mitglieder für den feministischen Streik 2023 mobilisieren
  • uns aktiv an der Organisation des Streiks beteiligen, in Zusammenarbeit mit Kollektiven, Gewerkschaften, Parteien und allen feministischen Kräften in der Schweiz
  • unsere Mitglieder ermutigen, sich an der Organisation des feministischen Streiks zu beteiligen
  • konkrete Forderungen entwickeln, die während des feministischen Streiks 2023 platziert werden.

1 Etude de gfs.bern.

2 Momentan gibt es schweizweit rund 300 Plätze in Frauenhäusern. Nach den eher konservativen Empfehlungen des Europarats sollte auf 10’000 Einwohner*innen ein Familienzimmer kommen. Demnach sollte es in der Schweiz mindestens 860 Plätze geben. Dies ist bei Weitem nicht der Fall.