In der Schweiz hat mindestens jede fünfte Frau ab 16 Jahren sexuelle Übergriffe erlebt, mehr als jede zehnte wurde vergewaltigt. Die Dunkelziffer ist beträchtlich. Nach dem heutigen Gesetzesartikel wird für den Tatbestand der Vergewaltigung die vaginale Penetration durch einen Penis vorausgesetzt. Andere ungewollte sexuellen Handlungen gelten höchstens als sexuelle Nötigung und unterstehen somit einem milderen Strafrahmen. Zusätzlich verlangen beide Straftatbestände, dass der*die Täter*in das Opfer «bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht». Der fehlende Wille der betroffenen Person ist im Endeffekt also nicht ausschlaggebend. Auch in der geplanten Revision des Sexualstrafrechts ist dies noch der Fall. Selbst wenn einephysische Abwehr aufgrund von Angst, Überforderung oder einer Schockstarre unmöglich ist, genügt ein «Nein» nicht. Dies widerspricht sowohl der EMRK und der Rechtsprechung des EGMRs, als auch der Istanbul-Konvention, welche die Schweiz 2017 ratifizierte. In der Ständeratskommission RK sind 10 der 13 Mitglieder Männer, die Mehrheit ist über 50 Jahre alt, es sind alle Mitglieder weiss, cis-hetero und nicht disabled. Es ist offensichtlich, dass bei diesem Prozess die überwiegende Mehrheit an Betroffenen Gesellschaftsgruppen von sexualisierter Gewalt nicht genügend repräsentiert oder gehört wurden.
Wir fordern eine geschlechtsneutrale Formulierung des Gesetzesartikels, weil allen Geschlechtern und Gendern sexualisierte Gewalt widerfahren kann.
Wir fordern ein Sexualstrafrecht, welches das Konsensprinzip festschreibt – denn nur Ja heisst Ja!
Der Zugang zu therapeutischer Hilfe für gewaltbetroffene Personen muss vereinfacht werden. Sie müssen im Vorhinein über ihre Rechte und über den oftmals belastenden Rechtsweg im Falle einer Anzeige nach sexualisierter Gewalt aufgeklärt und unterstützt werden. Menschen, die rechtlich gegen ihre Täter vorgegangen sind, berichten von langwierigen Verfahren, Victim Blaming und Retraumatisierung.
Wir fordern, dass Menschen, die gegen gewaltausübende Menschen vorgehen, langfristig Unterstützung und Schutz erhalten!
Wir fordern eine gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt und mehr Sichtbarkeit von Anlaufstellen für Betroffene im öffentlichen Raum!
Der Sexualkundeunterricht in unseren Schulen ist längst nicht mehr zeitgemäss. Wir müssen dafür sorgen, dass Jugendliche mit ihren Fragen zur Sexualität nicht allein gelassen werden. Es kann nicht sein, dass gewisse Pornoseiten, welche sexistische Stereotypen zementieren, die einzigen zugänglichen Informationsquelle für junge Menschen bieten! Es braucht eine radikale Veränderung des Sexualkundeunterrichts. Der Unterricht darf sich nicht nur auf biologische Fakten beschränken: Er muss thematisieren, dass Sex mehr als Geschlechtsverkehr beinhaltet und dass er nicht ausschliesslich zur Reproduktion dient. Lust, Begehren und Konsens dürfen nicht weiterhin aus dem Unterricht ausgeklammert werden. Es ist zentral, dass Schüler*innen über ihr Recht auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung aufgeklärt und darin bestärkt werden. In neuen Formen der schulischen Aufklärung muss Platz geschaffen werden, über Machtverhältnisse zu sprechen. Sex wurde zu lange tabuisiert. Patriarchale Strukturen sind in unserer Gesellschaft allgegenwärtig – auch beim Sex. Schüler*innen sollten lernen, was Konsens bedeutet und einen Weg finden, auf eine gesunde Weise über Sex zu sprechen.
Wir fordern ab dem Kindergarten einen geschützten Rahmen, sich mit dem eigenen Körper und dessen Grenzen auseinanderzusetzen.
Wir fordern Sexualkundeunterricht, der von Expert*innen durchgeführt wird, und Bildung über Sex, sexuelle Orientierung, Gender, sexualisierte Gewalt, Konsens und mehr beinhaltet.