UEFA Women's EURO: Kick the patriarchy

19.05.2025

Resolution verabschiedet an der Delegiertenversammlung der JUSO Schweiz vom 17.05.2024 in Sierre (VS)

Im Sommer 2025 ist die Schweiz erstmals Gastgeberin der 14. Fussball-Europameisterschaft der Frauen – ein Ereignis, das Freude über feministische Errungenschaften auslöst, aber auch daran erinnert, wie viel Arbeit noch nötig ist, um echte Gleichheit zu erreichen.

Während des Ersten Weltkriegs erlebte der Frauenfussball einen Aufschwung: Viele Männer mussten in den Krieg ziehen, Vereine waren auf neue Spieler*innen angewiesen. Doch dieser Aufschwung wurde rasch wieder gebremst durch Argumente, die sich auf körperliche Unterschiede und stereotype Vorstellungen stützten. Frauen wurden die Eigenschaften von Kraft und Aggressivität abgesprochen, die als biologisch notwendige Voraussetzungen für Fussball dargestellt wurden.[1] Die Gebärfähigkeit wurde ins Zentrum gerückt, da diese nicht mit den Risiken des Fussballspiels zu vereinbaren wären.[2] So konnte die binäre Geschlechterordnung gerechtfertigt und die Vorstellung gestützt werden, Fussball sei “natürlich” Männersache. Diese Zuschreibungen sind aber nicht naturgegeben, sondern sozial konstruiert. Die Gemeinschaft unter Männern dient dazu, die traditionelle, Heterocisnormativität[3] aufrechtzuerhalten und sich von FLINTA-Personen, wie auch von anderen Formen von Männlichkeiten abzugrenzen.[4] Wenn der Männerfussball also etwas nicht kann, dann gesellschaftliche Veränderungen anstossen. Es ist das Produkt einer patriarchal-kapitalistischen Gesellschaft, die Männlichkeitskult und die Identifikation damit fördert.[5]

Ein Blick in die Schweiz zeigt: Der Weg von Frauen in den Fussball war lang und von Widerstand geprägt. Als zwei Frauen beim Schweizerischen Fussballverband (SFV) forderten, zu offiziellen Spielen zugelassen zu werden, wurde ihr Anliegen abgelehnt. Erst 1965 durften Frauen als Schiedsrichterinnen amtieren – allerdings nur wegen des akuten Personalmangels. Die Männer-Nationalmannschaft gibt es seit 1905 – die Frauen mussten bis 1972 warten. Angesichts dieses zeitlichen Vorsprungs überrascht es kaum, dass der Männerfussball heute deutlich stärker institutionalisiert und organisiert ist.

Deshalb sind die Unterschiede auch heute noch gravierend. Nur 12 % aller lizenzierten Spieler*innen sind Frauen; der Anteil weiblicher Schiedsrichter*innen liegt bei gerade einmal 2,6 % und von über 34'000 Trainer*innen sind nur rund 2’500 Frauen – das entspricht etwa 8%.[6] Diese Zahlen sprechen eine klare Sprache: Der Zugang und die Teilhabe von Frauen im Schweizer Fussball ist strukturell stark benachteiligt. Besonders aber erleben TINA-Personen Ausgrenzung – vor allem durch binäre Geschlechtertrennungen und transfeindliche Haltungen. Viele verzichten ganz auf sportliche Betätigung, obwohl sie gerne aktiv wären. Probleme stellen dabei insbesondere das Fehlen geschlechtsneutraler Umkleiden, Duschen und Toiletten sowie mangelnde Akzeptanz von Geschlechtervielfalt in Vereinen und Verbänden dar.[7]
Die Unterschiede zum Männerfussball zeigen sich auch bei den finanziellen Mitteln, die zur Verfügung stehen, etwa bei der Ausbildung und Förderung von Frauen, oder wie viel Geld für die EM zur Verfügung steht. Der Bund hat für die Männer-Fussball-EM 2008 80 Millionen gesprochen, der Betrag für die UEFA Women’s Euro 2025 beträgt lediglich 15 Millionen.[8] Auch verdienen Frauen nur höchstens 5% vom Gehalt, was Männer verdienen.[9]

Im Zusammenhang mit der diesjährigen UEFA Women’s EURO hierzulande hat der SFV die Hoffnung, dass die Entwicklung im Frauenfussball um 10 Jahre in die Zukunft gehievt wird und hat sich in diesem Zusammenhang enorm hohe Ziele gesetzt. So soll bis in zwei Jahren die Zahl der fussballspielenden Mädchen und Frauen in der Schweiz von 40’000 auf 80’000 verdoppelt werden. Im Gleichschritt soll auch die Anzahl der Trainerinnen und Schiedsrichterinnen von aktuell rund 2’700 um das Doppelte ansteigen. Zur Erreichung der Ziele wurden vom Verband Massnahmen ausgearbeitet: Es soll unter anderem Kurse (nur) für Trainerinnen geben, ein Rekrutierungsprogramm für Schiedsrichterinnen und es wurde die Legacy Challenge ins Leben gerufen. Bei dieser können Vereine Punkte für erreichte Massnahmen sammeln und so Preise wie z.B. einen Besuch in der Video Assistant Referee Zentrale gewinnen.[10] Diese Massnahmen werden jedoch bei weitem nicht ausreichen, um die hochgesteckten Ziele zu erreichen - geschweige denn, die vorherrschende strukturelle Benachteiligung der Frauen im Fussball angemessen zu bekämpfen. Es scheint, als sähe der Verband die EM als reinen Selbstzweck für die Entwicklung; selbst wenn es trotzdem in den kommenden Jahren doppelt so viele Spielerinnen geben sollte, würden aktuell bestehende Probleme weiter verschärft werden. So herrscht bereits jetzt eine akute Trainingsplatz-Knappheit und eine Benachteiligung von Trainingszeiten gegenüber den Frauen - in diesen Bereichen sind keine drastischen Massnahmen vom SFV vorgesehen. Auch Schwangerschaften werden im Frauenfussball kaum systematisch mitgedacht – es mangelt an verbindlichen Regelungen zum Mutterschutz, zur finanziellen Absicherung oder zur Rückkehr in den Sport. Da der Verband nicht in der Lage dazu scheint, diese Probleme anzupacken, muss die Politik Abhilfe schaffen.

Ein Grossevent der UEFA in der Schweiz muss natürlich auch kritisch betrachtet werden. Der Fussballverband hat sich einer schamlosen Kommerzialisierung und Profitorientierung des Fussballs verschrieben: Statt den Fussball als Kulturgut und sozialen Raum zu fördern, treibt die UEFA dessen Vermarktung voran – zulasten von Fankultur, Vielfalt und regionaler Identität. Grosse Clubs profitieren überproportional von Turnieren wie der Champions League, während kleinere Vereine kaum Zugang zu den Ressourcen haben. Diese Ungleichverteilung verstärkt soziale Spaltungen auch im Sport. Zudem ist die UEFA wiederholt durch fehlende Transparenz, zweifelhafte Austragungsorte und schlechte Arbeitsbedingungen rund um Turniere aufgefallen. Ihre Politik folgt wirtschaftlichen Interessen – nicht menschenrechtlichen oder demokratischen Prinzipien. Die Women’s EURO in der Schweiz kann trotzdem die Chance bieten, wichtige Schritte für die Gleichheit unter den Geschlechtern im Fussball einzuleiten; dafür müssen jedoch triftige Massnahmen getroffen werden!

Deshalb stellt die JUSO Schweiz folgende Forderungen:

  • Fördergelder von Bund und Kantone an Fussballvereine sollen an folgende Bedingungen geknüpft werden:
  • Vereine müssen mehr Kapazitäten an Trainingsplätzen und -möglichkeiten im Mädchen- und Frauenfussball gewährleisten
  • Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern
  • Antidiskriminierungskampagnen und Aufklärung im Männerfussball zur Förderung von Inklusion
  • TINA-Personen soll der Zugang zum Vereinsfussball ermöglicht werden: dafür braucht es sichere Zugänge, Sichtbarkeit im organisierten Spielbetrieb und Mitsprache bei Entscheidungsstrukturen
  • Spielerinnen sollen bei einer Schwangerschaft eine automatische einjährige Vertragsverlängerung zu mindestens den bestehenden Konditionen erhalten

[1] Körner, F. (2014). Männlichkeit (en) im Fussball. Hegemoniale Männlichkeit und ihre Bedeutung für pädagogische Prozesse. Bulletin Texte 41. GenderOpen. https://www.genderopen.de/bitstream/handle/25595/11/BulletinTexte41_K%C3%B6rner_Franziska.pdf?sequence=1, S. 141

[2] Körner, F., 2014, S. 142.

[3] Heterocisnormativität ist in diesem Kontext die Vormachtstellung besonders von weissen, heterosexuellen Männern.

[4] Körner, F., 2014, S. 143.

[5] https://daslamm.ch/passt-links-und-maennerfussball-zusammen/

[6] https://www.football.ch/sfv/zahlen-fakten.aspx

[7] https://www.tgns.ch/wp-content/uploads/2020/06/20-06-19_Trans-Sein-im-Sport_Auswertung.pdf

[8] https://www.srf.ch/sport/fussball/frauen-fussball/15-statt-4-millionen-sfv-freut-sich-ueber-hoehere-bundesbeitraege-fuer-frauen-em-2025

[9] https://www.woz.ch/2411/diesseits-von-gut-und-boese/ballspiele-im-bundesrat/!3PG0YV61DH5H

[10] https://www.football.ch/sfv/juniorinnen-und-frauenfussball/weuro-2025/here-to-stay-die-weuro-2025-legacy-des-sfv.aspx