Ökosozialismus oder Barbarei!

23.04.2016

Positionspapier verabschiedet an der Jahresversammlung vom 23. April 2016 in Delémont.

Einleitung

Die Fakten sind seit Jahren bekannt: Bereits bei einem minimen Temperaturanstieg drohen unserem Planeten katastrophale Konsequenzen, die wir schon heute sehen können. So würde sich das Ökosystem in gravierender Weise verändern, was zum Verschwinden unzähliger Arten führen würde. Überflutungen und Dürren erschweren bereits heute die Produktion von Nahrungsmitteln in vielen Gebieten wie zum Beispiel südlich der Sahara oder am Horn von Afrika. Ein weiterer Anstieg der Temperaturen würde die Situation weiter verschlimmern. Gewalttätige Auseinandersetzungen sowie Hungersnöte sind die Folgen. Millionen von Menschen wurden bereits in die Flucht getrieben, weil die Veränderung des Klimas ihnen die Lebensgrundlage entrissen hatte. Bis 2050 rechnet die Internationale Organisation für Migration mit 200 Millionen Klimaflüchtenden.

Es scheint, als wäre die Ökologie für die meisten Schweizer Parteien und auch für die meisten Regierungen der Welt ein wichtiges Thema. Doch trotz noch so grandioser Forderungen vieler Regierungen und Politiker*innen werden heute so gut wie keine konkreten, umfassenden Massnahmen in die Tat umgesetzt. Dabei sollten die Dringlichkeit des Klimaproblems, und die damit verbundene Notwendigkeit, rasch eine Lösung zu finden, die Umwelt zu einer zentralen politischen Frage unserer Zeit zu machen.

Statt dementsprechend zu handeln, scheinen sich heute alle wichtigen Institutionen im Umweltbereich mit theoretischer Symptombekämpfung zu begnügen, sei diese zur Reduktion von CO2-Ausstössen oder für ein neues Mülltrennsystem. Die notwendige, grundlegende ökologische Wende wird weiterhin vermisst. Die Gründe sind unterschiedlich und vielfältig. Zum Einen ist das Thema für die Menschen abstrakt und schwer zu fassen. Immer wenn es konkreter wird, wie bei der Atomkatastrophe in Fukushima, finden grüne Anliegen bei den Wähler*innen Gehör, was sich in den Wahlresultaten der Grünen zeigt. Meist jedoch sind grüne Themen nicht ganz oben auf der Tagesordnung, weil sie das Leben der Menschen im Moment noch nicht unmittelbar beeinflussen - oder zumindest sind sich die Menschen dessen nicht bewusst. Andererseits werden grüne Themen von Lobbyisten*innen, Firmen und Interessenverbänden torpediert. Denn tatsächlich finden wir die Gründe in den herrschenden Wirtschafts- und Gesellschaftsmodellen. Egal wie Kapitalbesitz und Kapitalverteilung in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem konkret aussehen – solange das System eine Vorstellung von ewigem und exponentiellem Wachstum beinhaltet, werden wir das Problem der Endlichkeit natürlicher Ressourcen nie lösen können. Der heutige Irrglaube, dass eine Gesellschaft, die auf exponentiellem Konsum basiert, ewig andauern könnte, bedeutet Blindheit gegenüber des Ressourcenverbrauchs und der steigenden Müllberge dieser Welt.

In der ökologischen Debatte, vertreten gewisse Strömungen, auch in der Linken, die Ansicht, dass es sich dabei um eine Frage unseres Lebensstandards bzw. unseres Konsumverhaltens handle. Diese Betrachtungsweise, welche die Schuld für den zerstörerischen Umgang mit unserem Planeten auf das einzelne Individuum abwälzen will, können wir als Sozialist*Innen nicht teilen. Uns ist klar, dass nicht wir als Einzelpersonen für die drohende Umweltkatastrophe verantwortlich sind, sondern die kapitalistische Produktionsweise. Der Zwang zur Akkumulation von Kapital und der Steigerung der Produktivität, welche beide aus der Konkurrenz zwischen den einzelnen Kapitalist*Innen resultieren, bildet die Grundlage des Wachstumszwangs unserer Wirtschaft. Eine sozialistisch-umweltfreundliche Politik muss also notwendigerweise antikapitalistisch sein.

Kapitalismus und Ökologie

Besessen von der Rentabilität

Die Jagd nach kurzfristigen Gewinnen ist ein grundlegender Faktor des kapitalistischen Systems. Doch der einzige Weg, solche Gewinne zu gewährleisten, ist das blinde Streben nach Rentabilität. Dieses Streben bedingt, dass sowohl die Produktion wie auch der Konsum immer weiter wachsen, obwohl die natürlichen Ressourcen eindeutig begrenzt sind.

Die Rentabilitätsbessenheit des privaten Kapitals ersetzt in einem solchen System jegliches Interesse an den Konsequenzen, die aus dem eigenen Handeln entstehen. Dadurch, dass die Ausrichtung auf finanziellen Gewinn zum Kern kapitalistischer Unternehmen erklärt wird, werden andere Formen von Gewinn, egal ob umweltfreundlich oder sozial, systematisch vernachlässigt. Zudem werden in diesem Streben nach kurzfristigen Gewinnen ausschliesslich die rentabelsten Produkte und Ressourcen berücksichtigt. Alternative Formen der Produktion werden ausgeschlossen, auch wenn sie umweltfreundlicher wären, da sie finanziell nicht attraktiv sind. Bei der blinden Suche nach Rentabilität und dem einfachsten Weg, verzögern und verhindern die Lobbyisten der Interessenverbände immer wieder Gesetzgebungen und anderweitige Bestrebungen, fossile Brennstoffe durch saubere Energien zu ersetzen bzw. nutzen eben nur „saubere Energien“, die profitabel sind.

Dieses grundlegende Streben nach Rentabilität findet man auch auf der staatlichen Ebene, in den grossen volkswirtschaftlichen Indikatoren. So bezieht die Berechnung des Bruttoinlandprodukts nur die Brutto-Finanzwerte der Wertschöpfung eines Landes mit ein. Aktivitäten, die nicht von Unternehmen ausgeführt wurden, werden genauso wie Umweltkosten von der Rechnung ausgeschlossen. Schlimmer noch: auch die Sanierung von Umweltschäden wird im BIP als positiver Faktor gewertet – sogar wenn diese Schäden durch eine umweltfreundliche Produktionsweise hätten vermieden werden können. Dementsprechend sieht die herrschend Klasse im Bereich des Klimaschutzes auch nur Handlungsbedarf, wenn die Schäden des Klimas das BIP stark negativ beeinflussen. Es verwundert daher auch nicht, dass die, aus wissenschaftlicher Sicht völlig willkürlich, angestrebte 2 Grad-Grenze von den Industriestaaten derart stark propagiert wird: Sie würde das BIP bis 2050 nur um rund 0.5-1% reduzieren. Eine Senkung der Erwärmung auf 1.5 Grad hingegen hätte im gleichen Zeitraum eine BIP-Senkung von rund 1.5% zur Folge. Somit ist diese von vielen Inselstaaten geforderte Höchsterwärmung aus wirtschaftlicher Sicht uninteressant.

Das Märchen der unendlichen Produktion

Der Kapitalismus funktioniert nur so lange, wie die Produktion und der Konsum uneingeschränkt wachsen können. Allerdings ist eine unbegrenzte Produktion mit begrenzten Ressourcen nicht möglich. Ein ewiges Wachstum mag bei immateriellen Gütern (wie z. B. Wissen) möglich sein – aber sogar wenn die technischen Entwicklungen die umweltverschmutzenden Faktoren der materiellen Produktion reduzieren oder gar aufheben, ist ein unendliches Wachstum hier schlicht nicht möglich. Jegliche Produktion von Gütern erfordert Ressourcen, erzeugt Abfälle und verbraucht nicht-erneuerbare Energie.

Die Dogmen des Neoliberalismus

Der Neoliberalismus ist historisch eng mit der absoluten Privatisierung der Produktionsmittel verbunden, wovon auch die natürlichen Ressourcen betroffen sind. Das Privateigentum an Produktion und Ressourcen führt laut orthodoxer neoliberaler Theorie zu einem Eigeninteresse der Besitzenden, die Sicherheit ihres Eigentums zu garantieren. Im Bezug auf die Umweltpolitik würde diese Theorie bedeuten, dass die Besitzenden die Umweltprobleme ganz einfach alleine lösen, um ihr Eigentum zu bewahren und die weitere Produktion sicherzustellen. Der Staat hätte dabei keine Rolle zu spielen.

Diese schöne Vorstellung scheitert allerdings an der kapitalistischen Realität. Um auf dem Markt zu überleben, müssen die Kapitalist*innen möglichst rentabel und effizient produzieren. Diese Grundlage des kapitalistischen Wachstumszwangs lässt die Vorstellung, im Rahmen der bestehenden Besitz- und Produktionsverhältnisse eine Lösung für die ökologische Problematik zu finden, zur Illusion verkommen. In diesem kompetitiven System gehen finanzielle Interessen den Umweltinteressen voraus bzw. Umweltmassnahmen werden nur durchgeführt, wenn deren nicht-Durchführung teurer wäre.

Im Laufe der Geschichte wurde dieser Fakt immer wieder durch die Übernutzung der natürlichen Ressourcen bewiesen. Doch während man vor 150 Jahren Unwissenheit vortäuschen konnte, ist dies heute längst nicht mehr der Fall. Trotz des Wissens um die Risiken der Ausbeutung unserer Umwelt wird viel zu wenig unternommen, um diese einzudämmen. Wir überfischen weiterhin unsere Meere, stossen weiterhin Treibhausgase aus und häufen weiterhin Berge von Abfall an. Das liberale Modell, dass die Besitzenden die Umwelt schon retten werden, hat klar versagt.

Grüner Kapitalismus- Scheinlösungen und die Unfähigkeit, das Problem zu fassen

Die Grenzen der nachhaltigen Entwicklung

Das Konzept der «Nachhaltigen» Entwicklung basiert auf der Idee, dass wirtschaftliche, soziale und ökologische Ziele miteinander vereinbar sein sollen. Dieses Konzept ist über hundert Jahre alt und hat sich in letzter Zeit als klar überholt herausgestellt. Die sozialen und ökologischen Aspekte können in der kapitalistischen Wirtschaft nie denselben Stellenwert wie die Profitmaximierung gewinnen. Durch den Fokus auf kurzfristige Profite ist eine langfristige Verwaltung von Ressourcen oder gar eine Beschränkung des Wachstums zum Schutze der Umwelt nie möglich. Darüber hinaus ist das Konzept der nachhaltigen Entwicklung schon an sich höchst fragwürdig. Denn es stellt sich grundsätzlich hinter das konstante Bevölkerungswachstum und das konstante wirtschaftliche Wachstum. Beides bedingt heute notwendigerweise eine exponentielle Zunahme des Ressourcenverbrauchs.

Obwohl die meisten bürgerlichen Parteien und leider auch ein Grossteil der Sozialdemokratie heute gerne nachhaltige Entwicklung predigen, um die Überlebensfähigkeit ihres Wirtschaftsmodells zu beweisen, ist sie nichts weiter als ein Märchen. Ihr Prinzip ist vage und wird von verschiedenen Unternehmen und Regierungen auf komplett unterschiedliche Art und Weise umgesetzt. Da die nachhaltige Entwicklung offiziell schon seit den 70-er Jahren von mehreren Institutionen angewendet wird, sollten wir schon heute ihre Folgen – eine sinnvolle Ressourcennutzung – sehen können. Stattdessen können wir feststellen, dass sich das Konsumwachstum nie verlangsamt hat, dass die Umweltverschmutzung immer weiter anstieg und der Abbau von Mineralien und fossilen Brennstoffen ihren Zenit erreicht oder, wie im Falle des Phosphat- und Goldabbaus, gar überschritten hat. Dies bestätigt unsere Kritik, dass das heutige Wirtschaftswachstum nicht mit dem Erhalt unserer Ressourcen und unserer Umwelt vereinbar ist.

Aus dieser Logik ist auch die „Energiestrategie 2050“ zu betrachten, die aktuell im Parlament diskutiert wird. Von den ursprünglichen progressiven Entscheiden, aus der Kernkraft auszusteigen und konsequent erneuerbare Energien zu fördern, sowie die Energieeffizienz zu steigern und den Energieverbrauch zu senken, ist kaum noch etwas übrig geblieben. Weder existiert ein fixes Ausstiegsdatum für die Atomkraftwerke, noch werden die erneuerbaren Energien angemessen gefördert. Stattdessen behält sich das Parlament den Bau von Gas-Kombikraftwerken in der Hinterhand. Auch eine wirksame Lenkungsabgabe auf Kraftstoffe fehlt, sodass die angekündigte Energiewende bloss die engen Grenzen der „nachhaltigen Entwicklung“ im Kapitalismus aufzeigt.

Der „grüne“ Kapitalismus

Die “grünen” Massnahmen sind die Folge der Forderungen nach konkreten Massnahmen in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung. Vom Kyoto-Protokoll, welches von den grössten Umweltverschmutzern ganz einfach nicht ratifiziert wurde, über das nicht ausreichende Abkommen von Paris, bis hin zu dem völligen Scheitern der Klimakonferenz von Kopenhagen – es gab niemals einen wirklichen globalen Konsens für die Schaffung einer wirksamen Umweltpolitik. Dieser ist von Natur aus unmöglich in unserem Wirtschaftsmodell, welches auf Konkurrenz, internationalem Wettbewerb und kurzfristiger Rentabilität basiert. So weigern sich die sogenannten Industrieländer, ihre angebliche Wettbewerbsfähigkeit zugunsten einer umweltverträglicheren Politik zu opfern und die sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländer werden ihr Wachstum nicht für Nachhaltigkeit aufs Spiel setzen. Somit werden alle Staaten durch ihre wirtschaftlichen Eigeninteressen davon abgehalten, eine Politik umzusetzen, die uns vor dem Untergang bewahren könnte. Stattdessen wird auf die Selbstbeschränkung und Selbstregulierung jener gezählt, die daran wohl das geringste Interesse haben. Es ist absurd zu hoffen, dass Unternehmen, die von Grund auf nach Rentabilität streben, von sich aus ihre Gewinne begrenzen würden. Die aktuelle globale Klimapolitik gleicht einem Monopoly-Spiel, wo Emissionsrechte gehandelt und Laufzeiten von Atomkraftwerken verlängert werden, um Ziele zu erreichen, die gestern schon unzureichend waren.

In der Schweiz steht das Versagen der nationalen Umweltpolitik, die im Wesentlichen auf steuerlichen Anreizen basiert, schon fest. Das Verursacherprinzip kann zwar die Umweltverschmutzung immerhin geringfügig senken, kann aber niemals ein wirklich umweltfreundliches Prinzip sein, da es die Umweltverschmutzung gewissermassen autorisiert – solange sie von den Verursacher*innen bezahlt wird. Wir befürworten zwar kurzfristig sinnvolle Reformen zur Verbesserung des Umweltschutzes, wie z. B. höhere Bussen oder tiefere Subventionsbeiträge für Unternehmen, die sehr umweltschädlich wirtschaften, langfristig gesehen muss jedoch ein Systemwechsel stattfinden, da der Kapitalismus mit seiner Ideologie vom ewigen Wachstum nie umweltfreundlich und nachhaltig sein kann. Ein weiteres Problem gibt es bei den verschiedenen Steueranreizsystemen: Denn Steuer- oder Preissenkungen für umweltfreundliche Produkte fördern letztendlich eher den Konsum als den Umweltschutz.

Dort, wo es eine gemeinsame Strategie für die Nutzung der Ressourcen bräuchte, wird heute auf individuelle Veränderung gesetzt. Dies zeigt sich am Beispiel der Mobilität: Wenn jeder Mensch ein Elektroauto kaufen würde, hätten wir zwar keine neuen Treibhausgase mehr, aber dafür eine Unmenge an wertvollen Ressourcen für die Herstellung von Fahrzeugen verschwendet, welche die meiste Zeit leer und ungenutzt auf riesigen Parkflächen stünden."

Die Technologie als Rettung

Heute ist die Vorstellung weit verbreitet, dass es uns die Technologie irgendwann ermöglichen wird, die aktuelle Umweltkrise zu überwinden und unser derzeitiges Wirtschaftssystem beizubehalten. Es ist zwingend notwendig, diese Vorstellung so schnell wie möglich aus unseren Köpfen zu fegen. Die Technologie kann uns den Weg zum Ende des Wachstums bequem gestalten und uns die Mittel geben, uns den aktuellen Klimaveränderungen anzupassen. Aber sie kann das aktuelle Wirtschaftssystem nicht aufrechterhalten. Hier greift dieselbe Kritik wie bei der nachhaltigen Entwicklung: In einem System des unendlichen Wachstums von Produktion und Konsum kann die Technologie allenfalls die Zunahme des Ressourcenverbrauchs verlangsamen, aber sie kann diese nicht aufhalten. Genauso wenig ist jeder technische Fortschritt ein sicherer: Neben grossen Chancen und einem transformativen Potential für die Gesellschaft haben uns technologische Entwicklungen auch grosse Risiken gebracht, wie die Atomkraft eindrücklich zeigt. Jetzt wo die Forderung nach dem Atomausstieg wieder von der politischen Ebene verschwindet, täten wir gut daran, uns zu erinnern, dass die japanische Atomindustrie technologisch an der Spitze war. Doch auch der technologische Fortschritt konnte die nukleare Katastrophe in Fukushima nicht verhindern. Das Problem der Atomkraft beweist, wie fehlgeleitet ein blinder Glaube an die Technologie im Angesicht ökologischer Krisen ist. Die Atomindustrie galt lange Zeit als "saubere" Energie, die wenige Abgase produziert und so eine ökologisch sinnvolle Energiegewinnung darstellen könnte. Heute wissen wir, wie gross das konstante inhärente Risiko der Atomenergie ist, und dass ihre Abfälle die Menschheit noch für Generationen belasten werden. Wenn auch der technische Fortschritt also neue, CO2-neutralere Energieformen erschliessen kann, so sind diese nicht zwingend sicher und auch nicht nachhaltig.

Des Weiteren ist jeder technische Fortschritt genauso wenig ein ökologischer: Hier kommt der sogenannte Rebound-Effekt ins Spiel. Er ist bei einer Anaylse der kapitalistischen Umweltpolitik unerlässlich. Der Rebound-Effekt zeigt, dass auch an sich umweltfreundliche technische Fortschritte durch den Wachstumszwang des Kapitalismus wieder zerstört werden können. So führen beispielsweise effizientere Verfahren in der Autoherstellung nebst Emissionseinsparungen auch zu einer Verbilligung der Autos, was wiederum erhöhten Autoverkehr zur Folge hat.

Auch der Raumwärmebedarf pro Kopf in Deutschland blieb in den letzten Jahren praktisch gleich, obwohl der Wärmebedarf pro Quadratmeter enorm abnahm. Dies weil gleichzeitig auch die Wohnfläche pro Kopf entgegengesetzt zunahm.

Ursprüngliche Emissionseinsparungen werden also oftmals durch den wirtschaftlichen Wachstumszwang zu einem grossen Teil wieder vernichtet.

Ökosozialismus oder Barbarei!

Die Verteilung von Reichtum und Ressourcen

Unsere heutige Gesellschaft mit ihrer ungleichen Verteilung von Reichtum und ihrem übermässigen Ressourcenverbrauch ist dem Untergang geweiht. Um eine ökologische Gesellschaft zu erreichen, müssen die Produkte entsprechend der tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen verteilt werden und nicht mehr entsprechend der finanziellen Mittel ihrer Konsument*innen. Und die benötigten Ressourcen für die Warenherstellung müssten sparsamer und effizienter genutzt werden, als dies heute der Fall ist. Doch auch die Produktion selber, muss gesellschaftlich organisiert werden. So könnte unsere Lebensmittelproduktion heute rund 12 Milliarden Menschen ernähren, und damit den Hunger ausrotten, an dem heute fast eine Milliarde Menschen auf der Welt leiden. Doch nutzen wir weder unsere Ressourcen effizient, noch werden die Produkte fair verteilt – oft landen sie als Foodwaste im Abfall. Es ist weder notwendig noch sinnvoll, Wälder abzuholzen, um neues Ackerland zu erzeugen; alles, was wir brauchen, ist eine andere Verteilung der bereits existierenden Produkte. Genauso müssen technologische Fortschritte als gemeinsamer Reichtum gesehen und verteilt werden, um das Leben aller Menschen zu verbessern und nicht nur die Produktivität und den Reichtum einiger Unternehmen zu steigern.

Waren, vor allem jene, die für das menschliche Überleben wesentlich sind, müssen entsprechend dem Bedarf und dem Nutzen für die Gemeinschaft produziert und verteilt werden. Da viele wesentliche natürliche Ressourcen in ihrer Menge oder ihrer Erneuerungsfähigkeit beschränkt sind, müssen sie als Waren von allgemeinem Interesse betrachtet werden. Sie gehören unter gesellschaftliche Kontrolle und müssen im Interesse der heutigen Generation aber auch zukünftiger Generationen verwaltet werden. Im Falle von nicht-erneuerbaren Ressourcen müssen wir jetzt aktiv alternative Lösungen suchen, damit unsere Nachkommen nicht unter der zwingend erfolgenden Erschöpfung leiden müssen. So sollten Öl und Ackerland von der Gemeinschaft verwaltet werden, im Interesse der Gemeinschaft und zum Wohle zukünftiger Gemeinschaften.

Das Ende des Wachstums

Das kapitalistische System beruht auf der Prämisse, dass die Investition von Kapital immer zu einem Gewinn führen muss. Um diesen Gewinn zu gewährleisten, muss das Kapital durch die Arbeit der Lohnabhängigen in produzierte Waren umgesetzt werden, welche wiederum konsumiert werden müssen – wobei der Konsum immer weiter ansteigen muss, um der fortschreitenden Produktion gerecht zu werden. Falls sich die naturwüchsige Nachfrage nach Produkten erschöpft, wird diese falls nötig auch künstlich geschaffen - sei es per Kredit, mit intensiver Werbung oder anderen vergleichbaren Marketingstrategien. Absatzmärkte haben aber gerade aufgrund der Ungleichverteilung von Reichtum bzw. der Konzentration von Reichtum in wenigen Händen klare Grenzen, welche auch mit Freihandelsabkommen und ähnlichen Massnahmen nur begrenzt ausgedehnt werden können. Ein besonders absurdes Mittel zur Erhöhung des Warenabsatzes bietet hier aber beispielsweise die sogenannte "geplante Obsoleszenz". Das heisst, dass Produkte bewusst so konstruiert werden, dass sie nur eine begrenzte Lebensdauer haben und somit nach einer gewissen Zeitdauer ersetzt werden müssen, obwohl die technischen Möglichkeiten durchaus vorhanden wären, langlebige und einwandfrei funktionstüchtige Waren zu produzieren. Zwischen 2004 und 2012 hat sich etwa die durchschnittliche Lebensdauer von Haushaltsgeräten wie Waschmaschinen und Kühlschränken von 14,1 auf 13 Jahre verkürzt, bei Notebooks sank sie zwischen 2005 und 2012 von 6 auf 5,1 Jahre.[1] Dies führt zu irrsinnigen und problemlos vermeidbarem Verschleiss von Ressourcen. In den USA werden schätzungsweise jedes Jahr 100 Millionen Handys und 300 Millionen Computer weggeworfen.[2]

Es ist offensichtlich, dass ein solches System ein absurdes Mass an Verbrauch und Produktion verlangt. Dabei wird die Schaffung eines Warenüberschusses, der sowieso nur in unseren Mülleimern landet, dem Schutz der natürlichen Ressourcen vorgezogen. Die Idee eines unendlichen und exponentiellen Wachstums in einer endlichen Welt mit begrenzten Ressourcen ist unvereinbar mit einer umweltfreundlichen Gesellschaft. Und auch eine blosse Umverteilung der produzierten Waren, ohne das Hinterfragen des Wachstums an sich, kann weder unsere Müllprobleme noch die Probleme der Endlichkeit unserer natürlichen Ressourcen lösen. Die Vorstellung des ständigen Wachstums des Kapitals, und damit des ständigen Wachstums von Produktion und Konsum, muss aufgegeben werden.

Als Sozialist*Innen kämpfen wir für die Vergesellschaftung der Produktionsmittel und die Organisierung der Wirtschaft nach einem demokratischen und umweltfreundlichen nachhaltigen Produktionsplan. Nur auf dieser Grundlage, die eine bewusste Kooperation der Menschheit und die Organisierung der gesellschaftlichen Produktion nach den Bedürfnissen der Bevölkerung statt nach Profiten zulässt, lässt sich die Frage der ökologischen Nachhaltigkeit und unseres Umgangs mit den natürlichen Ressourcen klären. Eine Gesellschaft, welche eine bewusste Kontrolle über die gesellschaftliche Produktion ausübt, hätte logischerweise ein Interesse daran, die Produktion so zu gestalten, dass ihr Lebensraum nicht durch von der Produktion verursachten Umweltschäden zerstört wird. Diesem eigentlich banalen Gedanken steht heute jedoch das Privateigentum an Produktionsmitteln und die Profitlogik im Weg.

Dennoch dürfen wir den gewaltigen Fortschritt der Arbeitsproduktivität, die der Kapitalismus hervorgebracht hat, nicht grundsätzlich verteufeln. Denn diese rasante Entfaltung der Produktivkräfte bildete zugleich auch die notwendige Voraussetzung für die Emanzipation der Menschheit von materiellem Mangel sowie die Grundlage für eine radikale Verkürzung der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit. Eine sozialistische Organisation dieser Produktivkräfte würde endlich die demokratische Planung der Produktion erlauben, durch den auch die Interessen der gesamten Menschheit statt nur die privaten Interessen ihrer Eigentümer berücksichtigt werden könnten. Unter diesen Bedingungen könnte auch der Widerspruch zwischen technologischem und ökonomischem Wachstum auf der einen Seite und ökologischer Nachhaltigkeit auf der anderen Seite behoben werden - allerdings nur, wenn wir die Produktion nach ökologischen Kriterien organisieren. Dazu gehören notwendige Schritte wie erneuerbare Energieproduktion, nachhaltige Herstellung von langlebigen Produkten und konsequentes Recycling.

Schlussfolgerung

Die kanadische Aktivistin Naomi Klein beschreibt in der Einleitung ihres Buches „Klima vs. Kapitalismus“ die herrschende Amnesie in ökologischen Fragen mit dramatischen Worten: „Wir leugnen, weil wir Angst haben, dass sich alles ändern wird, wenn wir die Krise in ihrer ganzen Tragweite an uns heranlassen. Und da haben wir ganz recht. Wir wissen, dass der Klimawandel unsere Welt von Grund auf verändern wird, wenn wir auf dem derzeitigen Weg bleiben und die Emissionen Jahr für Jahr zunehmen. Grosse Städte werden aller Voraussicht nach im Meer versinken, alte Kulturen werden von den Fluten verschlungen, und es ist mehr als wahrscheinlich, dass unsere Kinder einen Grossteil ihres Lebens damit verbringen werden, vor bösen Stürmen und extremen Dürren zu fliehen oder sich davon zu erholen.“

Aber genau deshalb, weil der Klimawandel und die damit verbundene Katastrophe alles zu verändern drohen, ist die Umweltpolitik für uns Sozialist*innen eine riesige Chance. Wenn die Menschheit die Klimakatastrophe bekämpfen will, ist ein „Weiter-wie-bisher“ oder ein längerfristiges Durchwursteln von Scheinlösungen keine Option. Um die Klimakatastrophe zu verhindern braucht es schleunigst radikale Veränderungen in der Art des Wirtschaftens – Veränderungen hin zum Ökosozialismus.

Diese Veränderungen werden nicht von alleine kommen, sondern nur wenn wir für sie kämpfen. Das Klima lässt sich auch nicht in einem einzigen Land retten. Wenn wir radikale Schritte in Richtung Ökosozialismus machen wollen, müssen wir global handeln. Die JUSO kämpft deshalb:

  • Für die globale und kollektive Koordination der natürlichen Ressourcen.
  • Für ein Ende eines entmündigenden Freihandels, der die lokale Energieproduktion verhindert.
  • Für die Demokratisierung der Wirtschaft und ein Ende des Privateigentums an den Produktionsmitteln.
  • Für die Einführung eines globalen und unabhängigen Gerichtshofes für das Klima.
  • Für ein Ende des scheinheiligen und gefährlichen Emissionshandels.
  • Für die globale Vernetzung aller progressiven Kräfte für den Schutz des Klimas.

Gleichzeitig kämpfen wir Jungsozialist*innen aber auch lokal für Veränderungen. Die Schweiz spielt in diesem Kampf gegen den Klimawandel eine wichtige Rolle. Die JUSO fordert deshalb:

  • Den sofortigen Atomausstieg und den kompletten Umstieg auf erneuerbare Energien.
  • Die Festschreibung des Reduktionszieles für einen „ökologischen Fussabdruck“ von einer Erde bis 2050.
  • Einen Investitionsfonds in umweltfreundliche, demokratische und solidarische Unternehmen und für erneuerbare Energien.
  • Die komplette Verstaatlichung der Energiekonzerne.
  • Umgehend verschärfte Vorschriften für Produktionsprozesse, Produkte und Abfälle sowie für das öffentliche Beschaffungswesen.
  • Massive Investitionen in Forschung und Innovation im Bereich Umwelttechnik.
  • Gratis-ÖV, den Einsatz für eine ausgebaute europäische Bahninfrastruktur und die konsequente Verlagerung des Gütertransports auf die Schiene sowie die Verteuerung des motorisierten Individualverkehrs und des Flugverkehrs (insbesondere für Kurzstrecken).
  • In der Genfer Flüchtlingskonvention werden der Klimawandel sowie Umweltkatastrophen als Fluchtursachen anerkannt.
  • Die Schweiz anerkennt Menschen, die vor Folgen des Klimawandels flüchten, als schutzbedürftig und gewährt ihnen Asyl.

[1] http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/geplante-obsoleszenz-gibt-es-nicht-verschleiss-wird-aber-kalkuliert-a-1076735.html

[2] Guiltinan, Joseph, Creative Destruction and Destructive Creation. Environmental Ethics and Planned Obsolescence, in: Journal of Business Ethics, Bd. 89, 2009.