Resolution verabschiedet an der Jahresversammlung der JUSO Schweiz vom 18. und 19. Februar 2023 in Bern (BE)
Die Debatten über die Klimapolitik werden meist als Gegenüberstellung von Klimaschutzmaßnahmen und Nichtmaßnahmen oder aber zwischen mehr oder weniger ehrgeizigen Klimazielen dargestellt. Sicherlich ist die Frage nach den Ambitionen und der Wirksamkeit der Klimapolitik zentral. Um eine Chance zu haben, die Erderwärmung auf 1,5°C zu begrenzen, müssen die Treibhausgasemissionen bis 2030 weltweit um 43% gegenüber dem Stand von 2019 gesenkt werden1. Es ist klar, dass diese Emissionsreduktionen in erster Linie in den Ländern erfolgen müssen, die historisch gesehen für die Klimakrise verantwortlich sind und die über die finanziellen Mittel verfügen, um ihre Wirtschaft schnell zu dekarbonisieren: die Länder des globalen Nordens. Und jedes Jahr zählt, denn der globale Süden leidet bereits jetzt unter den Folgen der Klimakrise. Deshalb fordern wir im Sinne des Prinzips der Klimagerechtigkeit, dass die Schweiz bis 2030 CO2-neutral wird.
Es reicht jedoch nicht aus, schnell zu handeln. Die Frage nach dem Wie ist sicherlich genauso wichtig, wenn nicht sogar noch wichtiger. Die aktuelle Klimapolitik beruht auf drei großen Säulen: individuelle Verantwortung, Innovation und Marktmechanismen. So wird die Klimakrise als individuelles Problem dargestellt, welches dadurch entsteht, dass die Menschen zu viel fliegen und Auto fahren, zu viele Kleider kaufen und zu viel Fleisch essen. Mithilfe von Lenkungsabgaben zielt die aktuelle Klimapolitik darauf ab, die Menschen dazu zu bringen, ihr Verhalten zu ändern. Abgesehen davon, dass diese Steuern, wenn sie nicht oder nur teilweise umverteilt werden, sozial ungerecht sind, blendet dieses Framing den systemischen Ursprung der Klimakrise völlig aus. Darüber hinaus konzentriert sich die aktuelle Klimapolitik auf technische Lösungen, welche ebenfalls darauf abzielen, die notwendige Umgestaltung der gesamten Wirtschaft zu verschleiern. Schließlich stützt sich die aktuelle Klimapolitik auf Marktmechanismen wie handelbare Emissionsrechte, die bei weitem nicht ausreichen und die - in ihrer ersten Form - sogar den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe verzögert und Unternehmen riesige Gewinne ermöglicht haben.
In der Schweiz zeigt sich diese Klimapolitik in zwei großen Projekten. Zum einen das neue CO2-Gesetz, zum anderen der indirekte Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative. Wie wir in der Resolution "CO2-Gesetz: Es braucht Klimapolitik für die 99% statt gegen sie" erläutert haben, setzt der Entwurf für das neue CO2-Gesetz sehr tiefe Ziele, schont die Unternehmen und den Finanzplatz und ist sozial ungerecht, da es nur eine Rückverteilung der Hälfte der Steuereinnahmen an die Bevölkerung vorsieht.
Was den indirekten Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative betrifft, so ist auch dieser bei weitem nicht ausreichend und setzt das Ziel der CO2-Neutralität auf 2050 fest. Der einzige Lichtblick sind dabei die 2 Milliarden für den Ersatz von fossilen Heizungen - Grund genug, diesen Gegenvorschlag zu unterstützen, wenn auch nicht mit großer Begeisterung.
Insgesamt hat diese Klimapolitik, die wir als bürgerliche Klimapolitik bezeichnen, nur zu einem Rückgang der inländischen Treibhausgasemissionen von 53,97 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 1990 auf 43,40 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2020 geführt - ein Rückgang von nur 20 % in 30 Jahren! Angesichts dieser Zahlen sowie der Schwäche der beiden aktuellen Großprojekte ist klar, dass diese Klimapolitik gescheitert ist. Aktuell verzeichnen wir eine Erwärmung von 1,2°C im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter und steuern auf eine Erwärmung von über 3°C im Jahr 2100 zu. Wir brauchen also dringend eine andere Klimapolitik.
Kehren wir also der bürgerlichen Klimapolitik den Rücken und setzen eine soziale Klimapolitik2 um – jetzt!
[1] IPCC, 2022: Summary for Policymakers. In: Climate Change 2022: Mitigation of Climate Change. Contribution of Working Group III to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, p.17
[2] Die soziale Klimapolitik, die wir anstreben, wird in einer zukünftigen Resolution definiert und veranschaulicht