15 Jahre Neoliberalismus: Es reicht!

13.12.2008

Verabschiedet an der Delegiertenversammlung vom 13. Dezember 2008 in Fribourg

Die Finanzkrise bewegt die Gemüter. Zu Recht. Die aktuelle Krise ist das grösste Versagen in der Geschichte des Neoliberalismus und die schlimmste Krise des Kapitalismus seit 1929. Die Krise hat mannigfache Gründe: Das „billige“ Geld, die Subprime-Hypotheken in den USA, die falschen Anreizsysteme der Banken, die Fehleinschätzungen der Rating-Agenturen und vor allem die Regulationsverweigerung durch die bürgerliche Rechte weltweit. Eines ist den verschiedenen Faktoren allerdings gemein, sie beruhen allesamt auf dem gleichen Fehler: Auf dem Privateigentum an zentralen Bereichen unserer Wirtschaft, wie eben an der Banken- und Versicherungsindustrie.

Die aktuelle Krise ist für die JUSO Schweiz nicht einfach eine weitere Krise des Kapitalismus: Sie markiert einen fundamentalen Bruch. Das System jeder gegen jeden hat ausgedient. Mit einigen Boni-Rückzahlungen von UBS-Flop-Managern ist es nicht getan. Die Schweizerische Lösung zur Überwindung der Krise trägt geradezu groteske Züge: Im Rahmen des Rettungspakets soll der Bund – und damit die SteuerzahlerInnen dieses Landes – das Hauptrisiko für die Rettung der UBS tragen. Als einziges Land der Welt bevorzugt es die Schweiz, keine Bedingungen an die fehlbaren Banken zu stellen.
Der Grund ist schnell gefunden: Die korrupten, bürgerlichen Parteien SVP, CVP und FDP und andere haben sich während Jahren von den Grossbanken und Versicherungen schmieren lassen und müssen nun die Bedürfnisse jener die sie finanziert haben erfüllen. Die Unabhängigkeit der Bürgerlichen, welche vorgeben für Prinzipien zu kämpfen, ist ein Witz der nun endlich ans Tageslicht kommt.
Damit ist die Krise nicht nur eine Krise der ökonomischen Produktionsverhältnisse, sondern auch eine fundamentale Krise der bürgerlichen Demokratie: Die Unabhängigkeit der korrupt-bürgerlichen ParlamentarierInnen ist zumindest in dieser Frage nicht gewährleistet.

Die Bankenkrise fiel nicht etwa vom Himmel, sie hat sich während Jahren angekündigt – und sie ist erst der Anfang: Denken wir nur an die Milliarden ungedeckter Konsumkredite (Leasingverträge, Kreditkarten, Bildungsdarlehen). Sie ist die direkte Folge einer Entfremdung der classe économique von der Demokratie. Auf dem Altar des Standortwettbewerbes und des Wachstums wurde im Zuge der neoliberalen Revolution das Primat der Politik über die Wirtschaft geopfert. Nun verliert die hässliche Fratze dieser Entwicklung ihre Maske. Hinter den gottähnlich verehrten hohen Priester des freien Marktes und ihren scheinbar unverrückbaren Naturgesetzen offenbart sich die Realität des Neoliberalismus: Umverteilung von unten nach oben, koste es was es wolle.

Der Kapitalismus hat seit Langem seine fortschrittliche Rolle verloren und ist seit über 15 Jahren nicht mehr fähig den Lebensstandard der Bevölkerung der entwickelten westlichen Länder zu erhöhen. Im Gegenteil, er bewirkt, aufgrund der in seiner Natur liegenden Tendenz zur Krise, sogar eine Verschlechterung der Lebensbedingungen und vernichtet die Errungenschaften der ArbeiterInnenschaft . Der Neoliberalismus ist die notwendige Konsequenz der Krise des Kapitalismus. Eine Ideologie welche das grausame Antlitz dieses Systems auch für die Bevölkerung der Wohlstandsnationen offenbarte.

Es reicht allerdings nicht aus, dem gescheiterten neoliberalen Modell mit Schadenfreude hinterher zu winken. Die Sozialdemokratie muss die Krise weltweit für fundamentale Systemkritik nutzen. Dabei stehen selbstverständlich nicht nationalegoistische und damit zwingend kapitalistische Lösungen im Vordergrund. Nur ein weltweit verbindlicher und koordinierter Umbau bringt grundlegende Änderungen. Internationale Organisationen wie IWF und Weltbank müssen radikal umgebaut werden und zusammen mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) weltweit Marktregulierungen vorantreiben. Aktuell gilt es in der Schweiz, ein Programm zur Beantwortung von drei Fragen aufzustellen: Welche unmittelbaren Bedingungen sollen an die Rettungspakete der UBS und allenfalls weiterer Finanzinstituten gestellt werden? Wie kann verhindert werden, dass die Krise auf den Lebensstandard der breiten Bevölkerung durchschlägt? Wie stellen wir die Systemfrage nicht nur in der intellektuellen Debatte, sondern in der aktuellen politischen Diskussion? Wie formulieren wir radikale Alternativen für die Realpolitik?

Die JUSO Schweiz stellt folgende Forderungen:

Zum UBS- Rettungspaket

Ausgangslage: Das Parlament hat den Rettungsplan ohne Korrektur durchgewunken. Das aktuelle Paket ist folglich nicht mehr zu ändern. Die Krise ist allerdings noch lange nicht ausgestanden, weitere Rettungspakete sind ein realistisches Szenario.

Forderungen:

  • Keine Rettungspakete ohne Gegenleistung: Die betroffenen Finanzinstitute müssen ihre Lohnbuchhaltung individualisiert offen legen, Boni sind generell zu verbieten, die Löhne sind auf maximal Sfr. 500'000 brutto zu beschränken.
  • Die Eidgenossenschaft übernimmt die Kontrolle über ein Teil des Kapitals der UBS. Des Weiteren steht ihr im Verwaltungsrat eine angemessene Mehrheit entsprechend der Kapitaleinlage zu.

Zur Krise der Realwirtschaft Ausgangslage: Die Schieflage des weltweiten Finanzsystems gefährdet zunehmend die reale Wirtschaft und damit die Arbeitsplätze und den Lebensstandard breiter Bevölkerungskreise. Das vom EVD erarbeitete „Konjunkturprogramm“ von 300 Millionen ist ein Affront gegenüber allen Werktätigen.

Forderungen:

  • Der Bund muss sofort ein Impulsprogramm in der Höhe von mindestens 7 Milliarden Sfr. lancieren. Dieses Geld ist in nachhaltige Wirtschaftsbereiche zu investieren: Energieeffizienz, öffentlicher Verkehr, Infrastrukturen und sozialer Wohnungsbau. Bei der Auftragsvergabe sind strengste Anforderungen an die soziale und ökologische Nachhaltigkeit zu stellen.
  • Die Kantone müssen die Prämienverbilligungen für die Krankenkassen dieses Jahr voll ausschöpfen.
  • Die Besteuerung des Existenzminimums muss umgehend abgeschafft werden, auf jegliche weitere Steuersenkungen ist auf allen Ebenen zu verzichten.
  • Eine nationale Steuer auf das Vermögen wird eingeführt.
  • Die "Schuldenbremse" muss unverzüglich abgeschafft werden.

Zur Rettung der Demokratie
Ausgangslage: 2/3 des Schweizerischen Parlaments sind von ParlamentarierInnen besetzt, die von der Grossfinanz gekauft sind. Von Erfüllung des „Volksauftrags“ kann daher nicht die Rede sein. Diese Situation ist unhaltbar und gefährdet die Errungenschaften der Demokratie.

Forderungen:

  • Für alle Parteien welche an Wahlen teilnehmen ist ein spezielles Register einzuführen. Alle Parteien haben ihre laufenden Rechnungen und Kampagnen-/Wahlkampfbudgets vollständig offen zu legen.
  • Zahlungen von staatlichen, halb-staatlichen oder Unternehmen mit staatlichem Kapitalanteil an Parteien sind zu verbieten.
  • Die bürgerlichen Parteien müssen die geleisteten Schmiergeldzahlungen vollständig zurück geben. Aus Befangenheitsgründen sollen sich alle Mitglieder von CVP, SVP und FDP in den zuständigen Kommissionen der Stimme enthalten. Mitglieder von bürgerlichen Parteien, die bei der EBK/FinMa arbeiten sind bis zur vollständigen Rückzahlung der Schmiergelder freizustellen. National- und StänderätInnen müssen alle erhaltenen Gelder offen legen, damit die Öffentlichkeit erfährt, dass sie LobbiestInnen gewählt hat.
  • Die Finanzierung der Parteien und deren Kampagnen muss reglementiert werden damit alle die gleichen Chancen haben.

Zur Überwindung des Neoliberalismus
Ausgangslage: Die letzten 15 Jahre waren gezeichnet von endloser Gier und einer starken Umverteilung von unten nach oben. Der Neoliberalismus hat die Gewinne privatisiert und die Risiken weitgehend der Gesellschaft überlassen.

Forderungen:

  • Die Schweiz führt einen nationalen Mindestlohn in der Höhe von Sfr. 4000 ein, dieser wird laufend der Teuerung angepasst. Wobei es allerdings nicht zu realen Abwertungen kommen darf. Der maximal zulässige Lohn wird auf 500'000 Sfr. brutto festgesetzt.
  • Der Bund richtet einen eigenen Staatsfonds ein. Dieser lenkt die Investitionen in nachhaltige Bereiche und dient zur Sicherstellung von Arbeitsplätzen und Löhnen in Krisenzeiten.
  • In Wirtschaftskrisen sind Frauen besonders betroffen. Umgekehrt sind sie in den verantwortlichen Positionen massiv untervertreten. In allen Verwaltungsgremien ist eine 50%Geschlechter-Quote und ein/e Gleichstellungsbeauftragte/r einzuführen.
  • Abschaffung des Bankgeheimnisses, bzw. die selbstverständliche Erklärung von Steuerhinterziehung zu einem Offizialdelikt.
  • Sozialisierung der Banken nicht nur in Höhe der expliziten, sondern der impliziten Staatsgarantie (d.h. des potentiellen volkswirtschaftlichen Risikos).
  • Verbot von "Leistungslohn"-Systemen. Schaffen wir echte Anreize zur Arbeit! Lassen wir die Angestellten ihren Betrieb demokratisch führen. Übertragen wir die Unternehmen der Allgemeinheit.
  • Verbot von jeglichen Spekulationen. Alle Finanzprodukte müssen vor der Zulassung den Nachweis von volkswirtschaftlicher Nachhaltigkeit und Unbedenklichkeit erbringen.
  • Wiedereinführung strenger Kapitalverkehrskontrollen und einer mehr als symbolischen Stempelabgabe.$
  • Die Geldpolitik muss stärker als Mittel der Beschäftigungspolitik eingesetzt werden. Dazu ist es notwendig, die SNB und die EZB auf langfristige, politisch definierte Strategien festzulegen. Ihre Unabhängigkeit muss deshalb deutlich verringert werden.
  • Einführung einer Kapitalgewinn-, einer Finanztransaktions- (Tobin) und einer Erbschaftssteuer.- Weg mit dem Geschäftsgeheimnis! Offenlegung der Geschäftsbücher! Die Bevölkerung soll wissen, wie viel die Unternehmen tatsächlich erwirtschaften, wie und wo sie investieren und kürzen.
  • Wir akzeptieren keinerlei Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen und des Bildungswesens. Kämpfen wir für unsere Errungenschaften!
  • Keine Vernichtung von Arbeitsplätzen. Eine Verkürzung der Arbeitszeit mit vollem Lohnausgleich, keine Verlängerung der Arbeitszeit solange Menschen arbeitslos sind.