Internationale Solidarität angesichts der Nahrungsmittelkrise!

19.06.2022

Resolution verabschiedet an der ausserordentlichen Jahresversammlung der JUSO Schweiz vom 19.06.2022 in Bern.

Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) waren im Jahr 2021 193 Millionen Menschen in 53 Ländern und Gebieten von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen, was einem Anstieg von 40 Millionen Menschen gegenüber dem Rekordjahr 2020 entspricht. Dieser Anstieg ist vor allem auf Konflikte, extreme Wetterlagen, sowie wirtschaftliche Schocks(1) zurückzuführen. Alle diese Ursachen sind eng mit dem Kapitalismus verbunden. Dieser ist der Grund für die Klimakrise, welche wiederum zu einer Zunahme von Extremwetterereignissen führt. Darüber hinaus ist der Kapitalismus die Ursache für Kriege als Mittel zur Erschließung neuer Märkte und zur Sicherung von natürlichen Ressourcen. Und letztlich verursacht der Kapitalismus wegen seiner Tendenz zur Überproduktion immer wieder Wirtschaftskrisen.

Seit Ende Februar kommt zu dieser ohnehin schon dramatischen Situation noch der Krieg in der Ukraine hinzu. Die Ukraine produziert nämlich Lebensmittel, die 400 Millionen Menschen ernähren können, und der Großteil davon wird exportiert.(2) Auch Russland ist ein großer Getreideproduzent. Zusammen sind die beiden Staaten für 30 % der weltweiten Weizenproduktion verantwortlich. Während viele urkrainische Landwirt*innenan die Front gegangen oder geflohen sind, haben die verbliebenen Landwirt*innen nicht genügend Personal, um die Ernte auf den Feldern einzubringen.(3) Die Silos sind voll mit Getreide, das dort zu verrotten droht, weil es aufgrund der russischen Schwarzmeer-Blockade nicht exportiert werden kann.(4) Das hat absolut verheerende Folgen für Afrika, wo 30 Staaten mindestens ein Drittel ihres Weizens aus Russland und der Ukraine importieren und 16 Staaten mehr als die Hälfte. Einige Staaten, wie Somalia oder Benin, sind sogar vollständig von russischem und ukrainischem Weizen abhängig. Das führt zu einem Anstieg des Weizenpreises, der wiederum zu einem Anstieg des Brotpreises führt - in einigen Ländern um bis zu 20 % -, was die Bevölkerung hart trifft. Allgemeiner betrachtet stieg der FAO-Lebensmittelpreisindex, welcher die Weltmarktpreise für einen Grundwarenkorb misst, zwischen Februar und März um 12,6%. Das ist der zweitgrößte monatliche Anstieg seit der Einführung des Index im Jahr 1990.(5) Der Krieg in der Ukraine droht daher eine globale Nahrungsmittelkrise auszulösen, und seine Auswirkungen in Kombination mit den Folgen des Coronavirus, anderer Konflikte und der Klimakrise könnten fast 49 Millionen Menschen in den Hungertod treiben.(6)

Angesichts dieser Situation besteht dringender Handlungsbedarf. Deshalb fordert die JUSO Schweiz:

  • Ein diplomatisches Engagement der Schweiz für die sofortige Öffnung der Schwarzmeerhäfen, um den Export von Nahrungsmitteln zu ermöglichen.
  • Eine massive Erhöhung des Schweizer Beitrags an das Welternährungsprogramm (WFP): Das WFP schätzt, dass 21,5 Milliarden US-Dollar nötig wären, um angesichts der Nahrungsmittelkrise Leben zu retten und Resilienz für 147 Millionen Menschen aufzubauen - prognostiziert aber, nur weniger als die Hälfte davon aufbringen zu können.(7) Dieses Geld ist dringend notwendig, um kurzfristig Nahrungsmittelhilfe vor Ort zu leisten, aber auch, um den Menschen die Mittel zu geben, um sich langfristig selbst zu versorgen. Eine Erhöhung des Schweizer Beitrags ist daher dringend erforderlich!
  • Verbot der Spekulation mit Nahrungsmitteln: Diese Spekulation könnte zu einem noch stärkeren Anstieg der Getreidepreise führen. Als Drehscheibe für den Rohstoffhandel kommt der Schweiz in diesem Bereich eine zentrale Rolle zu.
  • Ein schrittweises Moratorium für Kraftfutterimporte und eine Begrenzung der Fleischimporte:Weltweit werden 47% des produzierten Getreides als Futtermittel in der Fleischindustrie verwendet. Während das Futter (Heu, Stroh) in der Schweiz produziert wird, wird das Kraftfutter mehrheitlich importiert. Das Moratorium und die Begrenzung zielen darauf ab, den Druck auf die Getreidepreise zu begrenzen und eine Knappheit zu vermeiden.

(1) FOOD AND AGRICULTURE ORGANIZATION OF THE UNITED NATIONS, Global Report on Food Crises: acute food insecurity hits new highs, https://www.fao.org/newsroom/detail/global-report-on-food-crises-acute-food-insecurity-hits-new-highs/en

(2) WORLD FOOD PROGRAMME, War in Ukraine: WFP calls for ports to reopen as world faces deepening hunger crisis, https://www.wfp.org/stories/war-ukraine-wfp-calls-ports-reopen-world-faces-deepening-hunger-crisis

(3) Idem

(4) RTS, Blocus de la mer Noire, le compte à rebours pour les céréales d'Ukraine a commencé, https://www.rts.ch/info/monde/13127524-blocus-de-la-mer-noire-le-compte-a-rebours-pour-les-cereales-dukraine-a-commence.html

(5) SWISSINFO, Comment la guerre en Ukraine nourrit la prochaine crise alimentaire mondiale, https://www.swissinfo.ch/fre/politique/comment-la-guerre-en-ukraine-alimente-la-prochaine-crise-alimentaire-mondiale/47600258

(6) WORLD FOOD PROGRAMME, Unprecedented Needs Threaten a Hunger Catastrophe - April 2022, https://www.wfp.org/publications/unprecedented-needs-threaten-hunger-catastrophe-april-2022

(7) WORLD FOOD PROGRAMME, Unprecedented Needs Threaten a Hunger Catastrophe - April 2022, Op.Cit.