Resolution verabschiedet an der Delegiertenversammlung der JUSO Schweiz vom 22. April 2023 in St. Gallen (SG)
Jedes Jahr werden weltweit über 180 Millionen Tonnen Fisch verzehrt. Die Hälfte davon stammt aus der Fischerei, die andere Hälfte aus der Zucht (Aquakultur). Sowohl bei dem einen als auch bei dem anderen Modell ist die derzeitige Situation unhaltbar: Gefährdung der Artenvielfalt - nicht nur bei Fischen, sondern auch bei anderen Arten – fatale gesundheitliche und ökologische Folgen, Menschenrechtsverletzungen und natürlich grosses Tierleid - die Liste ist lang.
Dieser Zustand ist eine direkte Folge unseres Wirtschaftssystems, das auf unbegrenztem Produktionswachstum und Gewinnmaximierung basiert. Die Kurzfristigkeit des Kapitalismus verhindert eine Rücksichtnahme auf den Reproduktionsrhythmus der Fische komplett. Nur der Profit im Hier und Jetzt zählt - was zur systematischen Überfischung führt. Weiter führt die Profitmaximierung dazu, dass die Produktionskosten so gering wie möglich gehalten werden, z. B. durch eine maximale Haltungsdichte in Aquakulturen, was grosses Leid für die Fische verursacht. Schlussendlich ist der kapitalistische Glaube an unbegrenztes Wachstum nicht mit den begrenzten Ressourcen von Fischen und Meerestieren zu vereinbaren.
Deutlich machen das auch die entsprechenden Fakten:
Fischerei
Im Jahr 2022 wurden 92 Millionen Tonnen Fisch gefangen. Ein Drittel der gefangenen Fische wurde überfischt (es wurden also mehr Fische gefangen, als sich vermehren können), wobei im Mittelmeer bei 90% der Fänge der Tatbestand Überfischung erfüllt wird. Über 60% der Fischbestände werden bis zum Maximum befischt – sie sind also in akuter Gefahr, überfischt zu werden. Diese für den Kapitalismus konstitutive Überfischung ist eine wahre Katastrophe für die biologische Vielfalt. Denn das daraus resultierende Artensterben wirkt sich auf die gesamte Nahrungskette aus. Die Fischereiindustrie ist eine ökologische Katastrophe, die immense Mengen an Plastikmüll produziert. So machen ausrangierte Fischernetze 10% der gesamten Plastikverschmutzung und 70% des Plastikmülls in der Meereswelt aus.
Aquakultur
Aquakulturen existieren seit fast 4000 Jahren, doch erst in den 1980er Jahren erlebten sie einen regelrechten Aufschwung, unter anderem aufgrund der Notwendigkeit, eine Alternative zur industriellen Fischerei zu finden. Heute ist sie der am schnellsten wachsende Sektor der Nahrungsmittelproduktion. Die Aquakultur ist jedoch für viele globale Probleme verantwortlich – beispielsweise für die Zerstörung der natürlichen Lebensräume von Tieren und für die Verletzung von Menschenrechten in Küstenregionen, die ohne finanzielle oder materielle Entschädigung zur Umsiedlung gezwungen werden. Weiter entwickeln Bakterien durch die Verwendung von entsprechenden Produkten in der Fischzucht Antibiotikaresistenzen. Die Artenvielfalt wird aufgrund der Überfischung von jungen Wildfischen und der Erstickung von Wildfischen durch entweichende Nährstoffe aus den Zuchtkäfigen zerstört.
Während im Jahr 2000 weniger als ein Drittel der Fischproduktion in der Schweiz auf die Aquakultur entfiel, sind es heute bereits 62,5 %.
Das Leiden der Fische
Es besteht heute ein breiter wissenschaftlicher Konsens, dass viele Fische Schmerzen empfinden können und über kognitive Fähigkeiten verfügen. Deshalb müssen zwingend Massnahmen ergriffen werden, damit Fische nicht leiden müssen. Die Realität in Aquakulturen ist davon jedoch extrem weit entfernt. So verursacht die Gewinnung von Fischeiern, durch Druck auf den Fischbauch, grossen Stress und Verletzungen für den Fisch selber. Jungfische werden dicht zusammengepackt transportiert, was zu Verletzungen führt, die nicht selten tödlich enden. Ein Leben in der Zucht schränkt die natürlichen Verhaltensweisen der Fische enorm ein, beeinträchtigt ihr Wohlbefinden und erhöht ihr Krankheitsrisiko - und am Ende des Tages stirbt weltweit der grösste Teil der Fische ohne Betäubung, z. B. durch Eintauchen in Eis, in CO2-gesättigtem Wasser oder durch Ersticken.
Die Schweizer Tierschutzverordnung (TSchV) schreibt eine Betäubung der Fische vor der Tötung vor, ansonsten gibt es jedoch nur wenige Bestimmungen zum Schutz des Wohlergehens von Fischen und anderen Wassertieren. Generell ist die Fischereiindustrie in Bezug auf das Wohlbefinden der Tiere und die Auswirkungen auf Umwelt und Biodiversität, sowie die Einhaltung der Menschenrechte desaströs. Da fast 98% der in der Schweiz konsumierten Fische importiert werden, müssen dafür zwingend hohe Standards eingeführt werden.
Aus diesem Grund fordert die JUSO:
- Ein Verbot von industriellen Aquakulturen und die Einführung von strengen Regeln für das Wohlergehen von Zuchtfischen in der Schweiz.
- Hohe Standards in Bezug auf Tier-, Biodiversitäts- und Umweltschutz und fürs Einhalten von Menschenrechten für den Import von Wassertieren aus Fischerei und Aquakultur.
- Umschulungsprogramme für Arbeiter*innen, die in der industriellen Aquakultur tätig sind