Für ehrgeizigere Massnahmen gegenüber der Tabakindustrie

03.05.2022

Resolution verabschiedet an der Delegiertenversammlung der JUSO Schweiz vom 30.04.2022 in La Roche (FR)

Am 13. Februar 2022 wurde die Initiative "Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung" angenommen.

Die JUSO Schweiz freut sich zwar über diesen Entscheid, doch müssen jetzt noch stärkere Massnahmen gegen die Tabak-Werbung gefordert werden. Die Initiative hat zwar eine weitgehende Angleichung der verschiedenen kantonalen Tabakgesetze erreicht, aber keine grossen Fortschritte gebracht, insbesondere weil die Verbote der Initiative in einigen Kantonen bereits geltend waren, wenn nicht sogar in der Mehrheit der Kantone, was beispielsweise die Werbung auf Plakaten betrifft. (1)

Hinzu kommt, dass die Schweiz laut der "Tobacco Control Scale", welche die Anti-Tabak-Maßnahmen in den verschiedenen europäischen Ländern vergleicht, im Jahr 2019 auf dem vorletzten Platz (35. von 36) lag, d. h. sie ist sehr rückständig. Sie ist auch eines der wenigen europäischen Länder, die das Rahmenübereinkommen der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (FCTC) nicht ratifiziert hat, obwohl sie es 2004 angenommen hat.

Die schweizerische Tabakgesetzgebung ist daher an sich, aber auch im Vergleich zu den umliegenden Ländern, unzureichend. Das ist auf mehrere Hindernisse zurückzuführen.

Die Tabaklobby in der Schweiz ist stark, insbesondere aufgrund der Präsenz von drei multinationalen Tabakkonzernen (PMI, BAT und JPI). Sie beeinflussen politische Entscheidungen durch verschiedene Mittel: Lobbyist*innen im Parlament und unter den gewählten Vertreter*innen, wie Gregor Rutz, SVP-Nationalrat und Präsident von Swiss Tobacco; Finanzierung politischer Parteien (2); gezielte Einladungen an Parlamentarier*innen (3); Schreiben von Dossiers für gewählte Politiker*innen; Allianzen mit Wirtschaftskreisen, die die individuelle Freiheit zum Rauchen oder die Werbefreiheit mitverteidigen.

Darüber hinaus ermöglichen ihre Ressourcen auch die Beeinflussung von (zukünftigen) Konsument*innen durch ein sehr erfolgreiches Marketing. Angesichts der Verbote bestimmter Werbearten passt sich die Tabakindustrie ständig an, indem sie verschiedene sehr wirksame Methoden hervorbringt (4): Schaltung von Werbung auf unkonventionellen Medien; Verwendung derselben Grafik wie das Logo der Marke, ohne diese jedoch explizit zu erwähnen; Sponsoring von Privatpartys; Einsatz von Influencer*innen; Präsenz an Festivals und Sportveranstaltungen; Produktplatzierung; Auftritte in Filmen/Serien; Angebot kleiner Gegenstände in den Farben der Marke (Feuerzeuge, Schlüsselanhänger, etc. ); kostenlose Verteilung von Nikotinprodukten; Wettbewerbe, insbesondere in sozialen Medien wo jede*r bei den eigenen Abonnent*innen Werbung macht, indem er*sie "in der Story postet"; etc.

Angesichts all dieser Methoden ist klar, dass die derzeitigen Verbote absolut unzureichend sind. Ein Verbotmuss, um wirksam zu sein, umfassend sein. Ansonsten werden die Mittel, die für eine verbotene Art der Werbung verwendet wurden, in eine andere Art der Werbung gesteckt. (5)

Hinzu kommt ein zielgruppengerechtes Marketing und vor allem bevorzugte Zielgruppen (Kinder, queere Menschen, Minderheiten usw.).

Darüber hinaus versucht die Tabakindustrie, die Anti-Tabak-Gesetze nicht nur zu vermeiden und zu umgehen, sondern sie auch zu verzögern. Auch hierfür nutzen sie verschiedene Methoden: Gerichtsverfahren;Kommunikation/Greenwashing; Einflussnahme auf die wissenschaftliche Forschung; Markteinführung neuer Tabakprodukte, die noch nicht so stark durch das Gesetz eingeschränkt sind wie herkömmliche Zigaretten;usw.

Kurzum: Die Tabakindustrie verfügt über zahlreiche Ressourcen (Geld, Wissen, Beziehungen usw.), die es ihr ermöglichen, auf allen Ebenen (individuell, politisch, gesetzlich usw.) den Konsum ihrer Produkte zu fördern. Entsprechend hat dies Auswirkungen auf allen Ebenen: Individuelle Gesundheit, Gesundheitskosten usw. Daher muss ebenfalls auf mehreren Ebenen reagiert werden: Prävention, Gesetzgebung, Koordination iminternationalen Rahmen usw.

Angesichts des allgegenwärtigen Pro-Tabak-Marketings scheint es folglich notwendig, zumindest folgende Forderungen zu stellen:

  • Die Ratifizierung des FCTC
  • Neutrale Zigarettenverpackungen
  • Die Ausweitung der Gesetzgebung auf "neue" Produkte wie elektronische Zigaretten, Nikotinprodukte oder andere Tabakprodukte
  • Das Verbot aller Arten (einschließlich der oben genannten) der direkten oder indirekten Werbung für Tabak und Tabak Ersatzprodukte
  • Die Reduzierung der Gewinne der Tabakindustrie aus ihren Produkten und die Erhöhung des Anteils, der dem Bund zur Finanzierung gesundheitsbezogener Projekte zugewiesen wird
  • Den Ausschluss der Tabakindustrie aus den Debatten zum Thema (6)
  • Die Entwicklung und Einführung einer angemesseneren und effektiveren Prävention. Diese darf nicht nur moralisierend sein.

(1) OFSP, Office fédéral de la santé publique. « Initiative populaire « Oui à la protection des enfants et des jeunes contre la publicité pour le tabac(enfants et jeunes sans publicité pour le tabac) » ». Eingesehen am 12. März 2022. https://www.bag.admin.ch/bag/fr/home/strategie-und-politik/politische-auftraege-und-aktionsplaene/politische-auftraege-zur-tabakpraevention/tabakpolitik-schweiz/volksinitiative-kinder-ohne-tabakwerbung.html.

(2) Olivier Jacques (2019). Les fabricants de cigarettes face à la question tabac et santé en Suisse (1962-2003). p.112. https://serval.unil.ch/fr/notice/serval:BIB_15A270E5990D

(3) Adam Samuel (2020). Politique de lutte contre le tabagisme : stratégie et tactiques utilisées par l’industrie du tabac en Suisse. p.71 https://serval.unil.ch/resource/serval:BIB_BA232CF38AEB.P001/REF

(4) Mavrot Céline, Ramseier Leroy (2021). Élaboration d’une stratégie de veille des pratiques marketing de l’industrie du tabac en Suisse. Étude sur mandat d'Unisanté - Centre universitaire de médecine générale et santé publique. https://serval.unil.ch/fr/notice/serval:BIB_0AA979AAADB2

(5) Position de la Commission fédérale pour les questions liées aux addictions et à la prévention des maladies non transmissibles (CFANT) (21.09.2020) sur le projet de loi fédérale sur les produits du tabac et les cigarettes électroniques (Loi sur les produits du tabac, LPTab).

(6) « Association suisse pour la prévention du tabagisme - Que faisons-nous ». Eingesehen am 12. März 2022. https://www.at-schweiz.ch/a-propos-de-nous/que-faisons-nous