UBS kauft Credit Suisse: Das Gespenst von 2008 kehrt zurück

03.05.2023

Resolution verabschiedet an der Delegiertenversammlung der JUSO Schweiz vom 22. April 2023 in St. Gallen (SG)

Die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS beleuchtet die räuberische Rolle des Schweizer Bankensektors in der Weltwirtschaft und die Hyperfragilität des Finanzsystems. Die offiziellen Erklärungen der letzten Wochen kündigten eine Rettung in letzter Minute an, die jedoch vollkommen krisenfest sei. Die Realität sieht jedoch ganz anders aus. Die Krise von 2008 geistert noch immer in allen Köpfen herum - und das zu Recht. Die seither verabschiedeten Regulierungen waren bestenfalls Pflästerlipolitik für einen krisengeschüttelten Kapitalismus. Um diesen Trend zu stoppen, müssen jetzt schnell radikale Massnahmen ergriffen werden.

Zur Erinnerung: Die Credit Suisse, zweitgrösste Schweizer Bank und weltweit eine der 30 grössten Banken, erlitt einen erheblichen Liquiditätsmangel.1 Nachdem sie bereits einige Tage vor ihrer Übernahme durch die UBS zur Abwendung ihres Konkurses einen Kredit bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) beantragt hatte, endete die sie umgebende Bankenpanik nicht und viele Kontoinhaber*innen zogen weiterhin Gelder ab. Am 17. März befand sich die Credit Suisse in einem dramatischen Zustand und ihre Bewertung an der Börse befand sich im freien Fall. Die Situation sollte für die Credit Suisse fatal enden. Am Abend des 19. März kündigte der Bundesrat die Übernahme durch die UBS für lächerliche 3 Milliarden an, deutlich unter ihrem eigentlichen Wert, eine Bundesgarantie von 9 Milliarden, sowie eine Liquiditätsfreigabe durch die SNB und den Bund für die UBS in der Höhe von 250 Milliarden, ein Betrag, der sich noch erhöhen dürfte.

Das Ausmass der geldpolitischen Massnahmen zur Rettung der Credit Suisse und die Geschwindigkeit, mit der diese beschlossen wurden, sind verglichen mit der üblichen Zurückhaltung des bürgerlichen Blocks bei der Bereitstellung von Geldern für unseren Sozialstaat erschreckend. Das bürgerliche Grundsatz "Gewinne privatisieren und Verluste verstaatlichen" hat sich ein weiteres mal bewahrheitet. Die ganze Situation wäre jedoch noch schlimmer gewesen, hätte der Bundesrat gar nichts unternommen. Wenn eine systemrelevante Bank von einem staatlichen Eingriff abhängig wird, müsste der Staat dies nutzen, um a) der Bank unter der einzigen Bedingung zu helfen, dass diese sich seinem Willen beugt und b) zu verhindern, dass in Zukunft wieder zu weiteren Instabilitäten kommen wird. In der aktuellen Situation handelte der Bundesrat aber genau gegenteilig. Er hat die Macht und Grösse einer bereits zu grossen Bank (der UBS) noch erweitert und dabei die allgemeinen Risiken vervielfacht. Dies offenbart die fortgeschrittene Verfilzung unserer Verwaltung mit der Wirtschaft und dem neoliberalen Zerfall.

Aber wie konnte es so weit kommen? Für viele liegt die Schuld bei der miserablen Geschäftsführung der Credit Suisse und den zahlreichen Skandalen rund um diese Bank (Steuerhinterziehung, Umgehung von Sanktionen gegen russische Oligarch*innen usw.) in den letzten Jahren. Diese Erklärung hat den Vorteil, an das hohe Level der Schweizer Wirtschaftskriminalität zu erinnern und dass diese auf Kosten der 99% und vor allem des sogenannten globalen Südens toleriert wird. Diese Erklärung reicht jedoch nicht aus, um die gesamte Situation des Finanzsektors rund um den 19. März zu verstehen. Seit der Finanzkrise von 2008 wurden durch Basel III2 einige zusätzliche Regulierungen verabschiedet. Diese Regulierungen und alle anderen eingeführten Stabilisierungsmassnahmen sind jedoch nicht in der Lage, den eigentlichen Grund für Finanzkrisen zu beheben: die unzureichende Nachfrage

Im Kapitalismus wäre eine antizyklische Steuerpolitik zur Verteilung des Wohlstands am ehesten in der Lage gewesen, die Situation nachhaltig zu stabilisieren.

Während sich das Tempo der Produktivitätszuwächse in den letzten Jahren tendenziell verlangsamt hat, wurden die Profitraten systematisch aufrechterhalten. Relevant waren dabei folgende Massnahmen: Abbau, Arbeitsmarktreformen, Steuersenkungen und Steuerflucht. In diesem Kontext haben sich alle weiterhin massiv verschuldet (ermutigt durch die Nullzinspolitik) und das System hat sich durch Trägheit und ein Wachstum, welcher vom Technologiesektor getragen wurde, fortgesetzt. Diese notdürftigen Ausbesserungen konnten nicht ewig halten, schon gar nicht angesichts massiver Schocks von aussen. Angesichts der durch den Krieg in der Ukraine bedingten Preisexplosion und der unkoordinierten wirtschaftlichen Erholung nach dem Lockdown bekämpfen die Zentralbanken die Inflation mit höheren Zinsen. Dies führt zu erheblichen Wertverlusten der Banken und zu einem akuten Bedarf an Liquidität, um ihre Kund*innen, welche wieder profitabel gewordene Anleihen aufnehmen wollen, zu versorgen. Heute haben deshalb alle Banken in unterschiedlichem Ausmass mit denselben Problemen zu kämpfen. In der Schweiz haben wir dank der CS-Übernahme durch die UBS eine der weltweit grössten Banken und die Bundesverwaltung weiter vor wie bisher: Abgesehen von einigen Regulierungen am Rande wird nichts unternommen.

Angesichts der Dringlichkeit und des Ernstes der Lage fordert die JUSO Schweiz als sofortige Massnahmen:

  • Eine Trennung zwischen Depositen- und Investmentbanken.
  • Eigenkapital in der Höhe von 30%.
  • Eine Anwendung von Basel III auf den Nichtbankensektor (Shadow Banking).
  • Eine Steuer auf Finanztransaktionen mit dem Ziel, die Hochspekulation zu reduzieren.
  • Ein Moratorium für die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS, die Verstaatlichung der Credit Suisse mit demokratischer Kontrolle und ihre Umwandlung in eine Bank im Dienste der Bevölkerung und der Umwelt.

Darüber hinaus begünstigt die Geldpolitik der Schweiz den Bankensektor viel zu stark. Damit dieser für die 99% arbeitet, müssen wir:

  • Die SNB demokratisieren, unter zyklischer Kontrolle des Bundesparlaments.
  • Kreierung einer geteilten Währungspolitik bestehend aus Leitsätzen, die von der Partizipation der Banken in der Realwirtschaft oder der Finanzwirtschaft abhängen.

[1] Ein Liquiditätsmangel entsteht, wenn ein Unternehmen oder eine natürliche Person nicht genug Geld hat, um alle seine Verpflichtungen (Schulden) zu erfüllen.

[2] Die Basel-III-Vereinbarungen sind Vereinbarungen, die nach der Krise von 2008 die Stabilität des Bankensystems erhöhen sollen. Sie sehen eine Reihe von Regulierungen vor, wie z. B. die Erhöhung des geforderten Eigenkapitalanteils (Solvenzquoten) oder die Einführung von kurz- und langfristigen Liquiditätsquoten.