Banken-Gelder für die SP: It's economy, stupid!

22.04.2016

2012 haben die SP-Delegierten beschlossen, keine Spenden von Unternehmen ausser von Genossenschaften anzunehmen. Angesichts von finanziellen Problemen will jetzt die Geschäftsleitung der SP Schweiz diesen Entscheid überdenken. Ein Fehler.
Per Vernehmlassung bei ihren Kantonalparteien und Organen hat die Geschäftsleitung der SP Schweiz im Hinblick auf den Parteitag 2016 die Diskussion über Spenden von Grosskonzernen wie Banken und Versicherungen neu lanciert. Gemäss ihrem Vorschlag soll die SP in Zukunft Grossspenden aus der Wirtschaft annehmen dürfen, solange sie nicht an direkte Bedingungen geknüpft sind. Dabei wird oft argumentiert, dass es sich lediglich um die Anpassung einer unpraktikablen Spendenregelung aus dem Jahr 2012 handle, die die Annahme von Geldern von Genossenschaften erlaubt, nicht aber von Firmen mit anderer Rechtsform. Und dass es ein Gebot der Vernunft sei, die finanziellen Unterschiede zu den rechten Parteien zu verkleinern. Das ist eine zutiefst unpolitische Argumentation. Denn hinter dem aus finanzieller Not geborenen Vorschlag steckt eine grundsätzliche Frage über das Verständnis sozialdemokratischer Politik.
Spender erwarten Gegenleistung
«Die Energie, die wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten brauchen, beziehen wir vom Strom, gegen den wir schwimmen», pflegte der ehemalige SP-Präsident Helmut Hubacher zu sagen. Damit hat er in doppelter Hinsicht Recht. Erstens war und ist die Sozialdemokratie angesichts der herrschenden ungerechten Ordnung eine Bewegung, die sich für eine Veränderung eben dieser Ordnung einsetzt. Und zweitens ist die SP, weil sie sich gegen die mächtigen Profit-interessen und für die Mehrheit der weniger Privilegierten einsetzt, per Definition darauf angewiesen, ihre Kraft nicht aus dem Geld, sondern aus dem gemeinsamen Kampf ihrer Mitglieder zu beziehen. Das heisst im Umkehrschluss: Wenn die Sozialdemokratie mit den rechten Parteien finanziell gleichziehen könnte, würde sie keine sozialdemokratische Politik mehr machen: Natürlich kriegt die SP Geld von den privaten Krankenkassen, wenn sie dafür den Einsatz für eine öffentliche Krankenkasse aufgibt. Logisch bekommt die SP Gelder von Nahrungsmittelmultis, wenn sie dafür nicht mehr für die Konsumentinnen und Konsumenten kämpft. Denn Grosskonzerne spenden ihr Geld nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil sie irgendwann eine Gegenleistung erwarten.
Die Gegenleistung ist dabei nicht unbedingt direkt. Unsere Politikerinnen und Politiker würden sich wohl auch in Zukunft weigern, Anweisungen vom Paradeplatz oder der Basler Pharma entgegenzunehmen. Aber die Gegenleistung ist eine verstärkte strukturelle Abhängigkeit der Politik von der Wirtschaft. «Geld regiert die Welt», sagt der Volksmund. Und was passiert, wenn man der Regierungsform Geld freie Hand lässt, können wir im aktuellen US-Wahlkampf bestens beobachten. Die Politik ist dort zu einer Casting-Show-Demokratie verkommen, wo Grossspender eine ‹wirtschaftsfreundliche› Politik erzwingen, indem sie andernfalls mit dem Entzug von Geldern drohen. Dieses System hat die Politik in eine tiefe Vertrauenskrise gestürzt, wie der Erfolg der Partei-Aussenseiter Donald Trump und Bernie Sanders zeigt. Und für die etablierte Kandidatin Hillary Clinton ist es zum ernsthaften Problem geworden, dass sie Honorare von Banken für Auftritte angenommen hat. Ob sie ihre Politik deswegen tatsächlich angepasst hat, ist zweitrangig. Der Eindruck der übermächtigen Wirtschaft und einer willfährigen Politik bleibt. Die Linke kämpft aber für das genaue Gegenteil. Wir wollen eine Demokratie, in der die Politik – also die Bürgerinnen und Bürger – das Primat über die Wirtschaft ausübt und nicht von den Profitinteressen korrumpiert ist. Für mehr Demokratie in allen Lebensbereichen zu kämpfen, heisst eben genau, den Einfluss des Kapitals zurückzudrängen.
Widerspruch zur Transparenz-Initiative
Mit der Lancierung der eidgenössischen Transparenz-Initiative nächste Woche, die die Korrumpierung der Politik durch die Wirtschaftslobby beenden will, hat die SP eigentlich klar gemacht, dass sie eine saubere Politik will. Die Abhängigkeit jetzt auch in den eigenen Reihen erhöhen zu wollen, läuft diesem Ziel völlig zuwider. Die Transparenz-Initiative haben wir beschlossen, weil wir wissen wollen, welche Interessensbindungen die rechten Parteien haben. Die Bevölkerung soll sehen, wo und wie sie die Politik auf ihre Spender ausrichten. SP und Grüne sind die einzigen grossen Parteien, die keine Spenden aus der Wirtschaft annehmen, und genau deshalb können wir glaubwürdige Politik machen. Die Transparenz-Initiative würde keinerlei Empörung mehr auslösen, wenn die SP Spenden von Grossbanken in ihren Büchern hat. Dann würde dieses korrupte Spiel zum «business as usual» – Politikverdrossenheit inklusive. Wie hoch meine persönliche Motivation wäre, einer Organisation 50 Franken zu spenden, die das Zehntausendfache von einer Bank kriegt, sei dahingestellt.
Natürlich ist das Problem der korrumpierten Politik mit der Ablehnung der Bankengelder nicht gelöst. Die Schweiz bliebe in Sachen Politikfinanzierung weiterhin eine Bananenrepublik, und die bürgerlichen Parteien liessen sich weiter kaufen. Hier kann die Transparenz-Initiative helfen, die Abhängigkeiten offen zu legen und unsere Demokratie transparenter zu machen. Aber auch sie kann die Übermacht der Multis auf die Politik nicht verhindern. Was aber sonst? Ein nächster wichtiger Schritt wäre der Kampf für die staatliche Parteienfinanzierung und ein Verbot von Grossspenden. So würden nicht nur gleichlange Spiesse zwischen den Parteien geschaffen, es würde auch verhindert, dass Parteien anstatt gemäss ihrer Überzeugung gemäss dem Geldstrom stimmen würden. Dies wäre ein echter Schritt in Richtung einer Demokratie, in der Gleiche unter Gleichen über ihre gemeinsame Zukunft bestimmen würden.
Die Rettung einer korrupten Demokratie durch mehr Korruption hingegen wäre eine politische Kapitulation und der SP unwürdig.