Der Jungsozialist Vanja Bettler (18) absolviert eine Lehre als Schreiner EFZ (Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis) und hat bald das erste von vier Lehrjahren hinter sich. Im Interview erzählt er, mit welchen Problemen er zu kämpfen hat und warum er in Betracht zieht, die Lehrstelle zu wechseln.
Interview: Christine Brunner
Vanja, warum hast du dich für eine Berufslehre als Schreiner entschieden?
Ich habe mir einen Beruf ausgesucht, der ungefähr in eine Richtung geht, in welcher ich mir später auch ein Studium vorstellen könnte. Davor möchte ich die Berufsmatura mit der naturwissenschaftlichen Richtung machen. Ich wollte damit den sicheren Weg gehen. Bei einer gymnasialen Matura kann es sein, dass man am Schluss mit leeren Händen dasteht.
Sind die Erwartungen, die du an die Ausbildung hattest, erfüllt worden?
Die Arbeit gefällt mir, ein ganzes Leben möchte ich jedoch nicht als Schreiner arbeiten. Ich hatte vor dem Antritt der Lehre vor allem andere Erwartungen, was das Verhältnis zwischen den Lernenden und dem Lehrmeister betrifft. Ich dachte, es sei klar, wie man als Lehrmeister_in mit Lernenden umgeht. Das ist offensichtlich ein Irrtum.
Woran denkst du hier konkret?
Wenn ich von meinem Lehrmeister ein halbes Jahr lang kein einziges positives Feedback erhalte, dann frage ich mich schon irgendwann, was ich den ganzen Tag mache. Produziere ich nur Scheisse? Ich muss ja nicht ständig hören, dass ich gute Arbeit leiste. Aber es wäre hilfreich, wenn ich wüsste, ob ich auf dem richtigen Weg bin. Vom Lehrmeister habe ich leider nie ein Feedback in dieser Richtung erhalten. Ich werde ständig kontrolliert, doch das geschieht immer nur, um mich zu kritisieren.
Wie hast du auf dieses Problem reagiert?
Ich habe den Lehrmeister darauf angesprochen, worauf er ein ziemlich langes Gesicht gezogen hat. Er hatte überhaupt nicht damit gerechnet. Ich war wohl der erste, der ihm eine solche Rückmeldung gegeben hat. Ich finde es wichtig, dass man solche Probleme anspricht, vielfach sind sich Vorgesetzte ihrer Verhaltensweisen gar nicht bewusst.
Gibt es noch andere Schwierigkeiten, die sich im Zusammenhang mit deiner Ausbildung ergeben haben?
Bevor ich den Vertrag unterschrieben habe, etwa ein dreiviertel Jahr vor Lehrbeginn, hatte ich angefragt, ob es möglich wäre, berufsbegleitend die Berufsmatura zu machen. Es wurde mir gesagt, dass das nicht gehe. Dennoch trat ich die Lehrstelle an, in der Hoffnung im zweiten Lehrjahr mit der Berufsmatura beginnen zu können. Bei Ausbildungen, die vier Jahre dauern, kann man auch noch im zweiten Jahr mit der Berufsmatura anfangen. Auch in diesem Fall wurde mir gesagt, dass eine Berufsmatura während der Lehre nicht in Frage käme.
Wie rechtfertigt dein Lehrmeister dieses Verbot? Er ist der Meinung, die Lernenden seien zu wenig anwesend und würden dadurch die Berufsarbeiten zu wenig gut kennenlernen. Das ist oftmals das Totschlagargument für Lernende, die ihre Rechte nicht kennen. Interessanterweise hatte der Lehrling, dem die Berufsmaturität von meinem Lehrmeister noch zum letzten Mal erlaubt wurde, mit einer sehr guten Note abgeschlossen. Sein Argument ist mir deshalb noch unverständlicher.
Wie gehst du nun vor?
Mein Berufsschullehrer des Fachs Allgemeinbildung hat mir empfohlen, die Prüfung zu machen und wenn ich sie bestanden habe, mit der Bestätigung zum Lehrmeister zu gehen. Besteht dieser dann immer noch darauf, dass ich die Berufsmatura nicht machen darf, bleibt mir nichts anderes übrig als zu kündigen und eine neue Lehrstelle zu suchen.
Weisst du, wie das rechtlich ist? Dürfen Betriebe Lernenden verbieten, die Berufsmaturität zu machen?
Lehrbetriebe dürfen Lernenden die Berufsmatura nicht verwehren. Es sind Weiterbildungen, die darf man nicht verbieten! Im Lehrvertrag ist ein solches Verbot nicht gültig.
Dieser Artikel ist in der infrarot-Ausgabe 212 erschienen. Die ganze Ausgabe findest du hier.
27.06.2015