Am vergangenen Donnerstag bis Samstag fand in Winterthur der Kongress der YES (Young European Socialists) statt, die Dachorganisation aller europäischen linken Jungparteien. Der Kongress findet alle zwei Jahre statt und ist das höchste Gremium der YES. Über 200 Genoss_innen aus 49 Ländern beteiligten sich an regen Diskussionen über die nahe Zukunft der Organisation im Sulzerareal.
Der Kongress wurde am Donnerstag unter anderem vom JUSO Schweiz-Präsident Molina eröffnet, der auf die Symbolik der Veranstaltung hinwies: “100 Jahre nach der Zimmerwald-Konferenz in Bern freue ich mich besonders, euch heute in der Arbeiterstadt Winterthur begrüssen zu dürfen”. Als ideologische Anknüpfung an diese Historik präsentierten die Schweizer Genoss_innen ein zweites Zimmerwald-Manifest, um als Antwort auf internationale Konflikte mehr internationale Solidarität, die striktere Einhaltung der internationalen Menschenrechte, sowie eine demokratische Reform der UNO zu fordern.
Weitere inhaltliche Debatten wurden unter anderem zum Thema des “Grünen Sozialismus” geführt. Am letzten Kongress vor zwei Jahren als Schwerpunkt bestimmt, erarbeitete eine Arbeitsgruppe ein umfassendes Papier. Am heissesten debattiert wurden gentechnologisch mutierte Nahrungsmittel zur Hungerprävention und kostenloser öffentlicher Verkehr.
Die JUSO Schweiz umfasste mit 12 Delegierten eine schlagkräfitige Stimme auf diesem europäischen Parkett. Ist dieses Bild trügerisch? Oder was ist die Rolle der Schweizer JUSOs als Nicht-EU-Mitglieder in der YES? “Gute Frage”, schmunzelt die frisch gewählte YES-Präsidentin Laura Slimani aus Frankreich. “Die Schweizer_innen, und speziell auch die JUSO Schweiz, dürfen oder eher müssen mit den Entscheidungen aus Brüssel leben. Wir, Jugendliche und junge Erwachsene in Europa sind alle betroffen vom selben Markt, wir leiden alle unter der Arbeitslosigkeit und dem ungleichen Wettbewerb. Gerade deshalb müssen wir Hand in Hand zusammenarbeiten, um die Europäische Gemeinschaft voranzutreiben – von links her.”
“Wir haben unser Potential noch nicht ausgeschöpft”
Während der Konferenz wurde auch sehr viel während der Pausen und langen Nächten diskutiert. Die grössten Herausforderungen auf europäischem Parkett sehen die Genoss_innen auf verschiedenen Gebieten: Die ökonomische Krise ist beispielsweise für die spanischen, portugiesischen und irischen Partnerparteien eine besondere Herausforderung. “Wir brauchen eine kraftvollere Antwort der Solidarität auf dem europäischen Kontinent”, meint Kerri, die internationale Sekretärin aus Dublin.
Für viele Genoss_innen ist aber auch die rechtsradikale Aufheizung in Europa eine grosse Gefahr der internationalen Solidarität, wie Guilhem Kokot, internationaler Sekretär der JUSO Schweiz, betont. “Wir müssen diese rechtsradikale, simplifizierende Antwort auf den ungleichen Wettbewerb enttarnen.” Die umstehenden Delegierten nicken zustimmend. “Seit den Attentaten in Paris wächst die Paranoia und der Spitzelstaat auf kontinentalem Niveau”, führt Molina fort, “deshalb arbeiten wir im deutschsprachigen Raum bereits eng mit unseren Schwesterparteien zusammen, aber wir haben unser Potential noch längst nicht ausgeschöpft”.
Gemeinsame Kampagnen zu länderübergreifenden Themen stehen deshalb gemeinsam mit Reformen innerhalb der YES ganz oben auf der Agenda für die nächste Amtszeit, betont Slimani.
Gegen Morgengrauen dann, als die Stimmung aufgeheitert und das Soli-Bier aus Kuba fast ausgetrunken ist, hört man plötzlich das Klirren von aufeinanderprallenden Gläsern und der laute Ruf: “European Socialists, wake the fuck up!”. Jemand lässt daraufhin eine Flasche fallen, gemeinsam werden die Scherben aufgefegt. So ist das mit der internationalen Solidarität.