JournalistInnen, Exekutivmitglieder und sonstige KommentatorInnen rätseln über die Ursachen der grossen Tanz dich frei!-Demo in Bern. Und obwohl sie normalerweise Experten für alles und jeden sind, tun sie sich schwer damit. Doch da sie ja irgendeinen Grund angeben müssen, stellen sie fest: Die Jugendlichen wollten einfach Party machen. Dann schreiben sie noch 2500 Zeichen Brei um diese Feststellung herum und fertig ist der Text, der mit den geistreichen Bemerkungen endet, dass es der heutigen Jugend an einem konkreten Anliegen mangelt, diese Anlässe zu viel Abfall verursachen und früher die Jugendbewegungen viel politischer gewesen seien.
Die Lektüre der Berichterstattung vor ein paar Jahrzehnten ist hier sehr empfehlenswert. Auch während den Jugendunruhen in den 80er haben es die Medien tunlichst vermieden, über die politischen Inhalte zu schreiben. Die Berichterstattung fokussierte sich vornehmlich auf lange Haare, Drogen, und Ausschreitungen. Und auch damals wurde den Jugendlichen unterstellt, keine politische Botschaft zu haben, sich in der Öffentlichkeit unsittlich zu verhalten und wenig fassbar zu sein.
Die Anliegen der DemonstrantInnnen (und es waren längst nicht nur Jugendliche) sind sicher sehr verschieden. Und selbstverständlich haben nicht alle ihr Tun als etwas Hochpolitisches verstanden. Das ist aber nie anders gewesen. Bewegungen leben davon, dass sie aus einer diffusen Unzufriedenheit heraus entstehen und sich sukzessive politisieren. Aber auch schon diese Unzufriedenheit ist eine politische Botschaft. Auch wenn sie nicht auf 40 Seiten abgehandelt wird, wie sich das die ExpertInnen und ProfessorInnen gewohnt sind, die jetzt dazu Stellung nehmen.
Die Botschaft ist einfach: Wir lassen uns nicht verbieten, nicht aus der Öffentlichkeit verdrängen, nicht den Standortfaktoren unterordnen und nicht aus den Städten vertreiben.
Wir alle haben die Erfahrung gemacht, dass die Behörden einem unmissverständlich klar machen wollen, dass man im öffentlichen Raum vor allem ein Ärgernis sei. Man wird mit Hochfrequenztönen, Wegweisungsartikel, Videoüberwachung bekämpft, öffentliche Bänke werden abgeschraubt und gleichzeitig stehen die Stadttore für kommerzielle oder von den Stadtbehörden geschätzte Anlässe immer weit offen. Der Anlass kann gar nicht gross genug sein, wenn es sich dabei um ein Blasmusikfest, das Jodlerfest, eine Gewerbemesse, die Fasnacht oder eine Europameisterschaft handelt. Die bürokratischen Hürden werden von städtischen Beauftragten soweit als möglich aus dem Weg geräumt und für die Beseitigung der Abfallberge werden Spezialschichten aufgeboten. Alles auf Kosten der Stadt, selbstverständlich.
Diese Feste sind erwünscht, weil sie vom Wirtschaftsförderer, dem Gewerbe und den Behörden als standortfördernd angesehen werden. Sie sollen diese möchtegern-urbanen Yuppies anziehen, die Double-income-no-Kids, gute SteuerzahlerInnen und TouristInnen. Aber damit die auch angemessen Platz haben, muss die Stadt zuerst geräumt werden. Und zwar von alledem, was wenig Profit abwirft und nicht hohe Steuern bezahlt. Zuerst kommen die Jugendlichen dran, dann Wenigverdienende und zum Schluss noch Familien. Oder kurz: Das Leben muss raus.
Gegen diese Entwicklung wehren sich Jugendliche in allen Städten. Sie tun dies mit dem besten Gegenmittel: Nämlich wieder mal Leben in die Bude bringen.
Wer den urbanen Geräuschpegel nicht erträgt, soll aufs Land ziehen. Obwohl: Der gleiche Typ Mensch wird dort wohl gegen den Bauern klagen, um diesem das Jauche ausfahren und dessenKühen das Glockengeläutzu verbieten.