Gewalt an trans Frauen*: «Ey, guck, da is ne Transe.»

27.12.2017

Den Satz hat jede trans Frau* in ihrem Leben mindestens zehnmal gehört. In dem Satz steckt viel Abschaum: Das ganze Spektrum von Ablehnung, über unbefriedbare Neugierde bis hin zur Lust an der objektivierten Person gemischt mit einer Prise Privilegiertheitsdenken.
Im Tram starren, sehr intime Fragen stellen und das Geschlecht absprechen können cis-Männer, wie cis-Frauen sehr gut. Zuschlagen oder mit der Frau* Sex haben wollen, tun meistens nur Männer. Übrigens, auch vermeintliche Bio-Schweizer sind sehr gut in diesen Aktivitäten. Irgendwann habe ich aufgehört zu zählen, wie oft ich in Zürich belästigt wurde: Am Tag, am Abend, in der Nacht, im Bus, im Taxi, in der Migros.
Apropos Männer. Sehr intensiv wird’s, wenn die Frau* nicht auf den ersten Blick als trans Frau* erkennbar ist – wie das übrigens für eine erhebliche Anzahl trans Frauen* der Fall ist. Ein superduper dahergelaufener Macker denkt, eine cis-Frau* anzugraben – schlimm genug. Wenn er dann durch Offenbarung der Frau* oder auf den zweiten Blick selbst den trans-Status erkennt, gibt es Männer mit folgendem Gedankengang: Oh das ist ein «Er». Er hat mich hinters Licht geführt. Ich bin doch nicht schwul. Und snap, die Fäuste fliegen und Mord und Totschlag folgen. Mord und Totschlag ist in der Schweiz zum Glück öffentlich noch nicht bekannt geworden, physische sexualisierte Gewalt gegen trans Frauen* jedoch gibt es in der Schweiz zu genüge.
Leider sind das nicht die einzigen Situationen in denen trans Frauen* sterben. Statistiken, auch eine von Transgender Network Switzerland für die Schweiz, besagen das ca. 50% der trans Menschen einen Selbstmord versuchten. Immer wieder gehen News durch die trans Community, dass sich jemand das Leben genommen hat. Natürlich sind die Gründe für Selbstmorde verschieden und sehr persönlich, trotzdem sind Muster erkennbar: Psychische Gewalt vom direkten Umfeld und der Gesellschaft ist ein wichtiger Auslöser. Du bist krank. Du wirst immer ein Mann sein. Du bist doch nichts wert. Guck dich doch mal an, wie du rumläufst. Stell dich nicht so an. Du bist pervers. Und das alles über Jahre. Trans Frauen* verabschieden sich oft aus ihrem alten Umfeld um diesem Druck zu entkommen. Einige schaffen den Umzug in eine andere Stadt, andere verabschieden sich komplett aus dem Leben.
Wenn eine Frau* sagt, dass sie eine Frau* ist, ist sie eine Frau*. Davor muss man keine Angst haben oder in Gewalt ausbrechen. Es ist unabhängig davon, ob sie lange Haare, eine tiefe oder hohe Stimme hat, ob sie vorher mit einem Männer*namen angesprochen wurde. Eine trans Frau* als Frau* zu behandeln benötigt nicht mehr als ein bisschen Respekt vor anderen Menschen. Als Freund_in oder Familienangehörige eine Transition zu unterstützen und begleiten ist eine einmalige Gelegenheit über das eigene Geschlecht zu reflektieren und viel über einen selbst zu lernen.
Trans Frauen* sind Menschen, sind Frauen* wie du und ich und haben Gewalt nicht verdient.
Stefanie Hetjens ist Co-Präsidentin von Transgender Network Switzerland (TGNS). TGNS hilft trans Menschen, Angehörigen, Bezugspersonen und Arbeitgebenden bei ihrem Weg.