Am Samstag wählen wir ein neues Mitglied der Geschäftsleitung. Zur Wahl stehen Pascale Buser (JUSO Baselland) und Andrea Scheck (JUSO St. Gallen). Wer sind die beiden und wofür stehen sie?
Beginnen wir mit dem Persönlichen. Wer seid Ihr – und warum?
Andrea: Ich bin eine 21-jährige St. Gallerin, ehemalige (erfolglose) Psychologie-Studentin, momentane Praktikantin bei der SP St. Gallen und hoffentlich ab Herbst angehende Übersetzerin an der ZHAW. Und seit über einem Jahr bin ich Co-Präsidentin der JUSO Kanton St. Gallen. - Warum? Weil ich die Welt ändern will.
Pascale: Ich bin 20 Jahre alt, habe eine Lehre als Lebensmitteltechnologin gemacht und bin momentan an den Abschlussprüfungen für die Berufsmatur. Wohnhaft in Basel, ansonsten stets lebhaft.
Was hat Euch dazu bewogen, für die Geschäftsleitung zu kandidieren?
Pascale: Die nationale Ebene der Juso hat mich schon immer sehr gereizt. Darum möchte ich meine Energie und meine Fähigkeiten nun auch in der Geschäftsleitung einsetzen. Ich möchte erreichen, dass wir auch wieder vermehrt daran denken, wie wir junge Arbeiter_innen erreichen können. Ich bin sicher, dass ich mit meiner Art Diskussionen auslösen und auch mal lange Erprobtes in Frage stellen kann.
Andrea: Ich war in der Vergangenheit häufig anderer Meinung als die Geschäftsleitung, und hab auch offen Kritik ausgeübt. Aber nur zu schimpfen ist zu einfach. Wenn wir nicht zufrieden sind, müssen wir versuchen unsere eigenen Positionen einzubringen und mitzuarbeiten. Das will ich in der GL probieren.
Wo genau bist Du anderer Meinung als die Geschäftsleitung, Andrea?
Andrea: An der letzten JV sind wir bezüglich Quote und Medienarbeit zur Regierungsbeteiligungs-Resolution hart aneinander geraten. Weiter in der Kritik sind teils fehlende Transparenz und Kommunikation; wenn Teile der Basis die GL als unnahbare Elite anstatt als erreichbare Vertretung spüren, werden uns bald wieder feindselige Unsicherheiten die Energie für echte Politik rauben.
Hast Du konkrete Vorschläge, wie wir wieder vermehrt Arbeiter_innen erreichen, Pascale?
Pascale: In erster Linie müssen wir einfach mal Nägel mit Köpfen machen und schon vorhandene Ideen konsequent in die Tat umsetzen, z.B. Flyern oder Podien an Berufsschulen und Fachhochschulen. Wir müssen unsere Ideen und Lösungsvorschläge unter die Leute bringen. Und das klappt nach wie vor am besten in persönlichen Gesprächen, z.B. beim Flyern. Aufzeigen, dass es Möglichkeiten gibt, sich zu wehren, gibt Mut und spricht sich rum.
Was sind Eure Schwerpunkte?
Andrea: Umverteilung. Ich habe persönliche Erfahrung mit Armut gemacht und weiss um ihren degradierenden, schmerzhaften Charakter. In einem Land von Millionen-Boni und Abzockertum müssen wir es uns endlich leisten, sie radikal zu bekämpfen. Ebenfalls der sozialistische Feminismus. Unbezahlte Arbeit in Haushalt und Pflege, Lohnungleichheit, Arbeitsplätze im Tieflohnsektor - Frauenunterdrückung ist im kapitalistischen System äusserst profitabel. Der Kampf für wahre Gleichstellung und gegen Sexismus muss darum immer an den Kampf gegen den Kapitalismus geknüpft sein.
Pascale: Einerseits ganz klar die Emanzipation der Menschen aus ihren oft zahlreichen Korsetten. Sei es Geschlecht, Sexualität oder Behinderung – wir müssen Reflexion und Sensibilisierung für unsere eigenen Haltungen fordern und fördern. Anderseits ist es mir ein grosses Anliegen, der Jugend die Politik näher zu bringen und schmackhaft zu machen. Politische Bildung kommt heute nach wie vor zu kurz. Wir müssen z.B. dafür sorgen, dass auch an Berufsschulen Podien und andere politische Veranstaltungen stattfinden.
An der JV stand die Frauenquote zur Debatte. Die GL wollte sie aufweichen und scheiterte. Seid Ihr nun „Quotenfrauen“?
Pascale: An der JV habe ich mich ganz klar für die Geschlechterparität in der Geschäftsleitung eingesetzt. Lange möchte ich an diesem Punkt aber nicht verharren. Anstatt zurückzuschauen und ein Stehenbleiben zu riskieren sollten wir nach vorne blicken. Spannende Wahlen stehen uns bevor – endlich wieder einmal Kampfwahlen! Und wir sind, ohne falsche Bescheidenheit, keine Lückenfüllerinnen, sondern fähige, engagierte Menschen mit Juso in Kopf und Herz.
Andrea: Die Quote ist kein Zaubermittel. Einfach eine Frau in eine (ausbeuterische) Machtposition zu bringen, macht diese Position nicht automatisch besser – siehe Merkel oder Lagarde. Allerdings halte ich die Quote trotzdem – gerade in unserer Partei – für einen notwendigen ersten Schritt, um die Sichtbarkeit von Frauen sicherzustellen, weibliche Vorbilder zu schaffen und Männerdomänen aufzubrechen. Dass dies schmerzhaft sein kann, haben wir bei der letzten Jahresversammlung selber erlebt. Doch das entschuldigt in meinen Augen kein Abweichen von einem konsequenten Kurs bezüglich Frauenförderung.
Kommen wir zur „Gretchenfrage“! Wie haltet Ihr es mit der EU?
Andrea: Die EU hat sich weit von ihrem ideellen Gründungsbild entfernt und sich hin zu einem asozialen Wirtschaftsverband entwickelt. Ohne Frage wäre mir daher eine sozialistische Internationale tausendmal lieber. Doch die Schweiz wird heute stark von der EU-Politik beeinflusst, ohne dass wir adäquate Mitbestimmungsrechte hätten. Deshalb sehe ich auf lange Frist keine Alternative zum EU-Beitritt – und dem unaufhörlichen Kampf für eine soziale EU.
Pascale: Massiv anzukreiden an der EU ist ihr Demokratiedefizit. Wir dürfen nicht hinnehmen, dass das Parlament als Volksvertretung kaum mitreden kann. Die Demokratisierung der EU hat in keiner Weise mit der Abtretung von Kompetenzen an sie Schritt halten können. Nur mit einem starken europäischen Parlament kann endlich ein europäisches Bewusstsein entstehen, welches den Nationalismus überwindet. Trotz ihrer Defizite bin ich überzeugt, dass wir den Schritt in die EU wagen sollten. Schliesslich wollen wir keine Insel sein. Wir sind Teil dieser Welt – und eben auch Europas
Wo besteht Eurer Meinung nach der dringendste Handlungsbedarf in der JUSO?
Pascale: Wir haben starke Sektionen, in denen viel läuft. Und wir haben kleinere Sektionen, welche mit geringer Mitgliederzahl und bürgerlichen Kantonen zu kämpfen haben. Einerseits sehe ich Verbesserungspotential in der Vernetzung und Kommunikation zwischen den Sektionen. Anderseits sind aber auch Transparenz und ein gutes Funktionieren der Geschäftsleitung unabdingbar. Sind wir nach innen stark, sind wir auch gegen aussen stark!
Andrea: Am schlimmsten finde ich momentan das Frauenproblem. Wenn bei uns offen behauptet werden kann, Frauen wollten sich politisch nicht beteiligen, nur weil sie weniger sichtbar sind, zeugt das für mich von einem fehlenden Bewusstsein für die vorherrschenden gesellschaftlichen Rollenbilder. Für dieses Bewusstsein müssen wir intern unablässig kämpfen – z.B. mit Consciousness-Raising-Runden, Workshops oder in der AG Gleichstellung.
Wagen wir zum Abschluss einen Blick in die Zukunft. Was soll das nächste Projekt der JUSO Schweiz sein?
Andrea: Das nächste nationale Projekt sollte eine Strategie gegen die Sparwut sein. Die momentane Sparpolitik macht in immer mehr Kantonen die sozialen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte zu Nichte. Anstatt dass die Sektionen isoliert dagegen ankämpfen, würde ich mir eine nationale Taktik wünschen, die auf die Einnahmenseite der Kantone – also die Steuern – abzielt (z.B. Aufhebung der Unternehmenssteuerreduktionen). Ob dies im Rahmen einer nationalen Initiative geschehen soll oder mit einer Handlungsvorlage für kantonale Kampagnen, muss basisdemokratisch entschieden werden. Ich würde es begrüssen, wenn bis Mitte 2015 keine neue Initiative lanciert würde.
Pascale: Wichtig für ein neues Projekt ist der Austausch mit den Sektionen. Wo stehen sie, wo wollen sie hin? Ob wir kantonalen Pendenzen den Vortritt lassen oder uns ins nächste nationale Projekt stürzen, so viel ist klar: am Ende zählt, dass die Basis voll und ganz hinter den kommenden Schritten steht - ohne Basis keine JUSO! Als nächstes kommt auf uns alle die Spekstopp-Kampagne zu. Mit der Erfahrung aus 1:12 und noch grösserem Schwung als damals werden wir Kampagne auf die Beine, die sich gewaschen hat!
Du möchtest mehr über die beiden Kandidatinnen erfahren? Unter http://bit.ly/GL-Wahl findest Du ihr FAQ. Am Freitagabend findet ausserdem das letzte Hearing statt: ab 20 Uhr an der Gartenhofstrasse 7 in Zürich.
Zum Berwerbungsschreiben von Andrea
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07.05.2014