Zum achten Mal trafen sich anfangs August über 100 Jungsozialist*innen aus der ganzen Schweiz zum JUSO Sommerlager. Während fünf Tagen besuchten sie im Grand Hotel Chandolin im Wallis Workshops, diskutierten, feierten und tauschten sich aus. Das Bildungsprogramm war so vielfältig wie die JUSO selber: Die Workshops erschlossen vom Queerfeminismus über die Migrationspolitik der EU bis hin zur alten Frage nach Reform oder Revolution alle möglichen Themengebiete linker Politik. Dazu kamen jeden Vormittag die „Warum sind wir Sozialist*innen“-Workshops, und jeden Abend das Randprogramm mit Podiumsdiskussionen, Filmabenden und Politspielen.
„Das straffe Programm ist manchmal schon ganz schön streng“, erklärt die Berner JUSO-Präsidentin Tamara Funiciello (26). Es war nicht nur ihr erstes Sommerlager im Präsidium, sondern auch ihr erstes Sommerlager per se. „Ich war richtig überwältigt! Gerade unserer Generation wirft man immer vor, wir seien faul und arbeitsscheu – wer das behauptet, sollte wirklich mal die Disziplin der Jugendlichen in dieser Partei miterleben“, scherzt sie. Für Tamara war das sowieso gefüllte Programm noch einmal voller als für alle anderen Lagerteilnehmenden; zusätzlich zur Leitung ihres eigenen WSWS-Kurses musste sie hinter den Kulissen dauernd abklären, dass alles glatt läuft und die Organisation auf Kurs ist.
Natürlich war Tamara nicht die einzige Erstteilnehmende am JUSO-Sommerlager; Alexander Robert Herren (21) aus Zürich war auch ein „Erstling“. Für ihn begann die Begeisterung schon vor dem eigentlichen Start des Lagers: „Für mich war es schon wirklich toll, dass wir alle zusammen im Zug gemeinsam angereist sind. Plötzlich sah man überall alle diese JUSOs aus allen möglichen Sektionen, alle diese Leute, die sich begrüssten, sich umarmten und sich freuten. Das führte schon von Anfang an zu einer tollen Stimmung, in der man sich einfach wohlfühlen konnte.“ Auf das Wohlbefinden der Lagerteilnehmenden wurde auch später ein grosser Fokus gelegt, nicht nur von Seiten der Organisator*innen, sondern auch untereinander. „Man konnte alle Gefühle miteinander teilen, egal ob Frustration, Glück, Betrunkenheit – ganz ohne Vorurteile voreinander“, erzählt Alex. „Das nennt man auch Safe Space: Ein Ort, an dem sich alle gut, sicher und respektiert fühlen können. Für viele Leute ist das im Alltag nicht selbstverständlich. Das JUSO-Sommerlager ist so ein Lichtblick und eine Vision, wie die Gesellschaft sein könnte, wenn die ganze Welt ein Safe Space wäre.“
Zum Abendprogramm gehören traditionell auch die Debatten mit befreundeten, aber auch weniger nahestehenden Parteien. Am ersten Abend wurde im Rahmen des „Internationalen Abends“ mit Victoria Hiepe, Vertreterin der Jusos Deutschland, über Rechtspopulismus in Deutschland und der Schweiz diskutiert und die Arbeit der beiden jungsozialistischen Organisationen verglichen. Als Vertreter der politischen Gegner*innen trat dieses Jahr Jean-Luc Addor von der SVP Wallis auf. Über 2 Stunden lang diskutierte er mit den JUSOs über Themen wie Todesstrafe, Abtreibung, Frauenrechte und Ausländer*innenrechte. Wenig überraschend konnten nicht viele Anknüpfungspunkte gefunden werden.
„Für mich gehört es zu einem JUSO-Anlass, dass wir nicht nur über die Themen reden, bei denen wir uns alle einig sind“, meint Virginia Koepfli (21) aus Zug. Sie ist schon eine der alteingesessenen Lagerteilnehmenden und verbringt ihren Sommer jedes Jahr in Chandolin. „Wir sind eine offene und sehr breitgefächerte Partei. Das ist einer der Gründe, warum es für mich immer noch jedes Mal spannend ist, an einem JUSO-Sommerlager teilzunehmen.“ Virginia leitete einen WSWS-Kurs und zwei Nachmittagsworkshops, ebenso organisierte sie am zweiten Abend einen Austausch-Workshop nur für Frauen*, koordinierte die Awareness-Teams, die sich abends um die Probleme der Teilnehmenden kümmerten, und hatte für das Sommerlager einen Leitfaden zu antisexistischem Verhalten erarbeitet. „Wir sind hier, um uns zu bilden und unsere Vision einer sozialistischen Welt auszuarbeiten. Wir kämpfen für eine Gesellschaft frei von Unterdrückung und Zwang. Es ist für mich nur logisch, dass wir da bei uns selber anfangen müssen.“
Zum Abschluss gehören am vierten Abend eine fulminante Schlussparty – und am fünften Morgen, egal ob mit Kater oder Restalkohol, die obligate grosse Putzerei, damit das Gruppenhaus mit allen 50 Zimmern auch in bestem Zustand abgegeben werden konnte. Trotz der strengen Arbeit und brütenden Hitze hatte man das Gefühl, dass es eigentlich niemand wirklich eilig damit hatte, fertig zu werden und nachhause zu gehen. Als der Abmarsch dann unvermeidlich wurde, zogen die erschöpften JUSOs mit einem lachenden und einem weinenden Auge davon. „Nach dieser Woche Sommer, Sonne und Sozialismus bin ich wieder für ein weiteres JUSO-Jahr motiviert – nur schon damit ich dann wieder ins nächste Sommerlager gehen kann“, fasst Flavio Brühwiler (24) zusammen. Dieser Lichtblick bleibt: Nur noch 11 Monate, bis Chandolin sie wieder hat, die Schweizer Jungsozialist*innen.
08.08.2016