Offener Brief an die Heuchler_innen der Schweizer Politik

26.08.2016

Liebe Heuchler_innen der Schweizer Politik
Wochen-, ja gefühlt monatelang habt ihr über Kleidervorschriften diskutiert. Immer wie wilder wurden eure "Lösungsvorschläge". Alle habt ihr plötzlich eure neo-feministische Ader entdeckt – das Burkaverbot ist nach euch das Allheilmittel gegen die Unterdrückung der Frauen auf dieser Welt. Stärkere Massenüberwachung wird den Terrorismus verschwinden lassen, poltert ihr seit Wochen in den Medien. Hilfe müsse vor Ort geleistet werden, fordert ihr, damit die Menschen nicht flüchten und wir sie nicht aufnehmen müssen.
Ganz ehrlich? Was seid ihr nur für Heuchler?
Ist es nicht bezeichnend, dass nun Schweizer Panzer bei einer Terrororganisation gefunden wurden, die wohl antifeministischer und terroristischer nicht sein könnte? Denn Boko Haram, zu eurer Erinnerung, verbreitet seit Jahren Terror, Angst und Schrecken in Nigeria. 1,4 Millionen Kinder sind auf der Flucht. Frauen und Mädchen werden zu tausenden versklavt, zwangsverheiratet, vergewaltigt. Vor ein paar Wochen kam zudem heraus, dass ein IS-Attentäter Handgranaten von einem Schweizer Staatsunternehmen für einen Anschlag verwendete.
Und was macht ihr? Ihr wehrt euch gegen das Verbot von Waffenexporten ins Ausland, kürzt die Gelder für die Entwicklungshilfe und führt nutzlose Pseudodiskussionen.
Ganz ehrlich? Ich habe die Schnauze voll.
Die Schnauze voll von euren heuchlerischen Vorschlägen, von euren idiotischen Stellvertreterdiskussionen, von eurer Polemik und eurem selbstdarstellerischen Getue!
Ihr gaukelt den Menschen in diesem Land vor, dass Massenüberwachung und Kleidervorschriften irgendetwas an der Gesamtsituation ändern. Dass Menschen in anderen Ländern nicht unter den Rädern unserer Panzer sterben würden, wenn Frauen in der Schweiz sich nach euren Vorstellungen kleiden und der Schweizer Geheimdienst unsere private Korrespondenz an ausländische Partnerdienste verhökert. Dass IS-Attentäter nicht mit unseren Handgranaten töten würden, wenn wir nur die Grenzen für Menschen dichtmachen und trotzdem weiterhin die Kriege dieser Welt mit Waffenexporten unterstützen.
Liebe Roger Köppel, Jakob Büchler, Petra Gössi und Co.! Ihr habt eine bürgerliche Mehrheit in diesem Parlament. Ihr habt eine Mehrheit im Bundesrat. Ihr könnt, wenn ihr wollt, dies alles ändern. Macht Lösungsvorschläge, die auch wirklich etwas bringen. Waffenexportverbote wären ein Anfang. Die Achtung der Grund- und Menschenrechte hier und weltweit ein weiterer Schritt in eine bessere Richtung.
Aber das wollt ihr gar nicht. Ihr werdet weiterhin jubilieren, wenn ihr Platz in der Zeitung bekommt für eine Stellvertreterdiskussion, die von euren wahren Absichten ablenkt. Ihr betreibt nichts anderes als Klientelpolitik für das reichste Prozent - statt für unser aller Wohl zu sorgen.
Hoffen wir, das Volk merkt es, bevor es zu spät ist.
- Tamara Funiciello, Präsidentin JUSO Schweiz