Sharing Economy – Gemeinsames Wirtschaften?

03.11.2016

«Sharing Economy» liegt im Trend. Der kollektive Konsum durch Teilen, Austausch und Miete von allem Möglichen verspricht eine nachhaltige kommerzielle Ressourcennutzung. Doch hinter der neuen Idee stecken meist Geschäftsmodelle mit knallharten Kapitalinteressen, welche sich der Errungenschaften der Arbeiterbewegung elegant entledigen wollen.
Von Beda Baumgartner. Dieser Artikel erschien ursprünglich im Infrarot Nr. 216.
Für 50 Franken mit Easyjet nach Amsterdam jetten und für nur 10 Franken mit Uber vom Flughafen in die Stadt fahren, wo dank Airbnb ein Zuhause für 20 Franken pro Nacht wartet. Das klingt vertraut, oder? Viele von uns nutzen diese Angebote, erscheint ja auch alles vorteilhaft: günstig, online, jederzeit zu haben und die Qualität sichert die Bewertung von Leuten wie dir und mir. «Uber ist der cleverste Weg, um von A nach B zu gelangen» oder «Sei dort zuhause.» Alles gut also?
Nehmen wir Easyjet als relativ klassisches Unternehmen aus, verbleiben mit Uber und Airbnb die beiden prominentesten Vertreter einer kleinen Anzahl von Technologiefirmen, die sich der Sharing Economy verschrieben haben. Die Idee: Fahrgemeinschaften und Couchsurfing mit den neu vorhandenen technischen Möglichkeiten verbinden. Das Ganze wirkt dabei wie eine Bewegung, welche sich den Kampf für Ökologie und gegen das teure Monopolangebot bisheriger Firmen im Markt auf die Fahnen geschrieben hat. So weit so gut.
Woher das Geld stammt
«Sharing Economy»-Unternehmen sind äusserst beliebt bei Investoren, wodurch sie eine riesige Menge an Kapital anhäufen konnten. Hinter Uber beispielsweise stecken Benchmark Capital, Goldman Sachs und Google Ventures, First Round Capital, Menlo Ventures und Lowercase Capital. Die Beliebtheit bei diesen Investoren erreicht man kaum mit gemeinnützigen Interessen, sondern vor allem mit Profitversprechen (als Goldesel). Die Idee des Teilens und des Teilhabens kann damit nur ad absurdum geführt werden, was ein Blick in die Praxis bestätigt.
Arbeitgeber ohne Verantwortung
Faktisch verhält sich Uber wie ein Taxiunternehmen und das Angebot von Airbnb wie viele kommerzielle Übernachtungsmöglichkeiten (Hotels, Ferienwohnungen). Was die beiden Konzerne eint: Die feste Überzeugung, sich an keine Regeln und Gesetze halten zu müssen und ihr Ziel, «disruptiv» bestehende Märkte aufzumischen. Sie geben Milliarden von Dollar aus, um weltweit demokratisch verabschiedete (Arbeitgeber-)Gesetze auszuhebeln und durch die Übernahme von Mitwettbewerbern zu wachsen. Oder um es mit Tom Slee zu sagen: «Die Sharing Economy ist durchaus eine Bewegung: eine Bewegung für Deregulierung. Grosse Finanzinstitute und einflussreiche Wagniskapitalfonds ergreifen die Gelegenheit, die Regeln zu attackieren, die demokratisch gewählte Stadtverwaltungen überall auf der Welt aufgestellt haben.»
Es geht jedoch nicht nur um die Deregulierung und Missachtung von Errungenschaften, welche Arbeitnehmende jahrzehntelang erkämpft haben. Die Sharing Economy führt auch zu einem Revival der Jobs, die als Zusatzverdienst gelten und dementsprechend nicht richtig bezahlt werden. Bei Uber heisst der Lohn im Vertrag denn auch «freiwillige Servicepauschale».
Widerstand regt sich
Die Sharing Economy schafft in ihrem jetzigen Zustand riskante und prekäre Jobs im Niedriglohnsektor. Dies nicht nur bei Uber und Airbnb. Vor allem in Amerika ist die Breite der Sharing Economy fast unendlich: So gibt es Apps für das Teilen von Werkzeugen, gekochtem Essen, Putzdienstleistungen, Buchhaltungen usw. Der Widerstand gegen diese Entwicklungen wächst jedoch jedoch von Tag zu Tag. Uber beispielweise, ist in 71 Regionen im Konflikt mit den örtlichen Gesetzen, 41 Verbote wurden bereits ausgesprochen. Auch gegen Airbnb gibt es weltweit Proteste, Tausende von Menschen und Organisationen ergreifen Massnahmen, um Verdrängungsprozesse aufzuhalten.
Eine mögliche Position der JUSO und eine linke Vision
Bei der Sharing Economy zeigt sich einmal mehr: Es ist die Frage, wem die Technologie gehört und wer bestimmt, wie sie genutzt wird. Das Teilen von Autos, Häusern und vielen weiteren Gebrauchs- oder Nutzungsgegenstaänden bietet grundsätzlich viele spannende und neue Möglichkeiten, um unsere Gesellschaft gemeinsam zu gestalten. Das Problem bei der Sharing Economy ist nicht die individuelle Nutzung der Dienste, um auf eine neue Art und Weise Urlaub zu machen oder schnell von einem ans andere Ende der Stadt zu kommen. Die Probleme liegen bei der Agenda der Unternehmen und den profitorientierten Investoren. Für den maximalen Gewinn wird Deregulierung fraglos durchgesetzt.
Es gibt eine Vision der Sharing Economy, welche unseren persönlichen Austausch von Gegenständen und Dienstleistungen im kleinen Rahmen in den Mittelpunkt stellt, bei welcher die Communities und Nutzer der jeweiligen Plattform demokratisch die Ausgestaltung und Entwicklung mitbestimmen können und kein zentralistisch geführter Konzern. Oder nochmals mit Tom Slee: Anstatt «Deins ist meins» könnte es auch heissen «Meins ist deins».
Literatur
Tom Slee: Deins ist meins. Die unbequemen Wahrheiten der Sharing Economy. Verlag Antje Kunstmann, München 2016.