Dirk Niebel, FDP-Minister im Kabinett Merkel, bezeichnete die Forderung nach Mindestlöhnen als «Griff in die sozialistische Mottenkiste». Der Herr Entwicklungshilfeminister braucht wohl selber Entwicklungshilfe. Denn wenn er recht hätte, wären England, Frankreich, Spanien, Holland, Belgien, Luxemburg und Portugal allesamt sozialistische Länder. Sie alle kennen nämlich Mindestlöhne.
Auch die Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz, Kenneth Arrow, Robert Solow, Lawrence Klein, Clice Granger oder der ehemalige US-Präsident Franklin D. Roosevelt sind gemäss Niebels Logik alles Sozialisten. Sie alle sind Mindestlohn-Befürworter. Uns JUSOs soll`s recht sein: Wir stemmen uns dem unhaufhaltsamen Vormasch des Sozialismus nicht wirklich entgegen...
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) arbeitet zurzeit ein Volksbegehren für Mindestlöhne aus. Und die SP Schweiz beschloss an ihrem jüngsten Parteitag ihrerseits, eine Mindestlohn-Initiative zu lancieren. Denn in unserem Land leben schätzungsweise 500 000 working poor, also «arbeitende Arme». Sie sind zwar voll erwerbstätig, verdienen aber nicht genug, um davon leben zu können. Sie sind auf die Unterstützung des Staates angewiesen. Das ist schlichtweg ein Skandal.
Working poor müssen jeden Franken siebenmal umdrehen. Sie müssen sich immer wieder fragen: «Können wir das Fussballtraining für die Tochter, die Musikstunden für den Sohn bezahlen? Es reicht ja sonst schon nirgends hin».
Die gleichen Kreise, die sich gegen Mindestlöhne wehren, haben aus der globalen Finanzkrise rein gar nichts gelernt. Die bürgerliche Politik verspürt keinerlei Lust, die menschenverachtende Gier nach fetten Unternehmensgewinnen und schamlosen Boni wirkungsvoll zu bremsen. Im Gegenteil: Lohndumping und Massenentlassungen zwecks «schlankeren Strukturen» und «optimierter Produktionsabläufe» ermöglichen noch mehr Abzockereien. Demgegenüber sichern Mindestlöhne die Finanzierung eines menschenwürdigen Lebensunterhalts.
Der Casino-Kapitalismus braucht dringend Fesseln. Die Mindestlohn-Initiative von SP und SGB und die 1:12-Initiative der JUSO ergänzen sich sehr gut. Zusammen werden wir gerechte Löhne verwirklichen.