Stellungnahme zu den Ausführungsbestimmungen zum Nachrichtendienstgesetz

16.04.2017

Sehr geehrter Herr Bundesrat, sehr geehrte Frau Schär, sehr geehrte Damen und Herren
Die JUSO Schweiz dankt für die Möglichkeit, zu den Ausführungsbestimmungen zum Nachrichtendienstgesetz und im Spezifischen zur Verordnung über den Nachrichtendienst (NDV) und zur Verordnung über die Informations- und Speichersysteme des Nachrichtendienstes des Bundes (VIS-NDB) Stellung zu beziehen.
Stellungnahme zur Verordnung über den Nachrichtendienst (NDV)
Allgemeine Erläuterungen:
Die Aufgabe einer Verordnung ist es, ein Gesetz zu präzisieren, sowie Fragen, die im Gesetz nicht abschliessend geregelt sind, zu klären. Insbesondere bei einem heiklen Thema wie dem Nachrichtendienst, ist dies von elementarer Wichtigkeit, da sonst Graubereiche entstehen, die im Sinne der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit unterbunden werden müssen. Dieser Anforderung wird die vorgeschlagene Verordnung nicht gerecht: Die zahlreichen „insbesondere“-Formulierungen lassen Raum nach oben offen, weitere Sachverhalte können darunter subsumiert werden. Die JUSO Schweiz fordert daher, dass bei den betroffenen Artikeln eine abschliessende Aufzählung vorgenommen wird.
Desweitern bleiben einige zentrale Fragen, welche sich aus dem NDG ergeben ungeklärt:

  • Weder im NDG noch in der NDV ist definiert, was als „schwere und unmittelbare Bedrohung“ (Art. 3 NDG) angesehen wird. Da das ganze Handeln des NDB davon ausgeht, braucht es zumindest auf Verordnungsstufe eine angemessene Definition.

  • Der Begriff „kritische Infrastruktur“ nach Art. 19 Abs. 2 NDG sollte in der NDV näher präzisiert werden, wie dies in der Botschaft zum Nachrichtendienst gemacht wurde.

Zu den einzelnen Artikeln:
Art. 1: Zusammenarbeit des NDB mit inländischen Stellen
Die Aufzählung in Abs. 1 ist zu weit gefasst. Nach dem vorgeschlagenen Wortlaut könnte der NDB mit Organisationen und Privatpersonen zusammenarbeiten, ohne dass diese irgendwelchen Standards gerecht werden müssen. Die JUSO fordert daher, dass in der Verordnung Kriterien und Anforderungen (zB. Personensicherheitsprüfung) an entsprechende Privatpersonen, Unternehmen und Organisationen formuliert werden, die sicherstellen, dass der NDB sich nicht auf irgendwelche dubiosen, zweifelhafte Personen, Unternehmen und Organisationen verlässt. Sollte dieser Artikel nicht grundlegend revidiert werden, fordert die JUSO die Streichung von Art. 1.
Art. 7: Jährliche Festlegung der Grundsätze der Zusammenarbeit
Gemäss diesem Artikel muss der NDB bei “regelmässigem” Kontakt zu ausländischen Diensten die vorgängige Genehmigung durch den Bundesrat einholen, für “Kontakte im Einzelfall” jedoch nicht. Dabei ist nicht ansatzweise klar, ab wann ein Kontakt als “regelmässig” zu qualifizieren ist. Darüber wäre es falsch, diese Kontrolle durch den Bundesrat im Einzelfall einzuschränken. Daher fordert die JUSO, dass Abs. 4 dieses Artikels ersatzlos gestrichen wird.
Art. 8: Zuständigkeiten
Die Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten ist gemäss Art. 12 Abs. 3 NDG in der alleinigen Kompetenz des NDB. Der hier vorgeschlagene Art. 8 NDV steht daher im Widerspruch zum Gesetz und muss entsprechend angepasst werden, sodass klar festgehalten wird, dass der NDB die alleinige Kompetenz für eine Zusammenarbeit hat. Abs. 4 ist ersatzlos zu streichen.
Art. 10: Internationale Vereinbarungen von beschränkter Tragweite
Art. 70 Abs. 1 Bst. f NDG hält fest, dass der Bundesrat die Zusammenarbeit des NDB mit ausländischen Behörden festlegt. Dazu steht der hier vorgeschlagene Art. 10 NDV im krassen Widerspruch, da er gewisse internationale Vereinbarungen dieser Kontrolle entziehen will und ist daher ersatzlos zu streichen.
Art. 14: Zusammenarbeit und Beauftragung in der Beschaffung mit oder von ausländischen Amtsstellen im Inland
Durch diesen Artikel erhalten ausländische Nachrichtendienste die Kompetenz, im Inland tätig zu werden, was eine heikle Einschränkung der Souveränität bedeutet. Dieser Gefahr wird Art. 14 NDV nicht gerecht: Weder genügt das “Mitteilen” und “Erläutern” der massgebenden Bestimmungen, um Gesetzesverstösse zu verhindern, noch werden Kriterien festgesetzt, wann ein ausländischer Nachrichtendienst in der Schweiz tätig werden darf. Die JUSO fordert, dass erstens qualifiziert begründet werden muss, wieso nicht der NDB die Aufgabe erfüllen kann und zweitens, dass die nachrichtendienstliche Tätigkeit von Ländern, die Menschenrechte missachten (zB. Türkei, Russland), in der Schweiz verboten werden.
Art. 15: Zusammenarbeit und Beauftragung in der Beschaffung mit oder von Privaten im Ausland
Auch in diesen beiden Artikeln muss ein strengerer Mechanismus als das “Mitteilen und Erläutern” gefunden werden.
Art. 16: Zusammenarbeit und Beauftragung in der Beschaffung mit oder von ausländischen Amtsstellen oder von Privaten im Ausland:
vgl. Kommentar zu Art. 15 NDV
Art. 17: Nachrichtendienstliche Informationsquellen
Die JUSO versteht den Sinn von Art. 17 NDV nicht. Die Informationsquellen sind im 3. Kapitel des NDG abschliessend geregelt. Wieso es in der Verordnung nochmals eine unvollständige Aufzählung braucht, ist nicht nachvollziehbar. Die JUSO bittet hier Klarheit beziehungsweise eine Begründung.
Art. 19: Auskunftspflicht bei einer konkreten Berdohung
Es versteht sich von selbst, dass keine unnötigen Informationen im Auskunftsgesuch enthalten sein müssen. Die JUSO fordert daher, dass der Begriff “summarisch” gestrichen wird, da er den Inhalt des Auskunftsgesuchs einschränkt.
Art. 23: Eindringen in Computersysteme und –netzwerke im Ausland
Die JUSO erachtet es als problematisch, dass hier die Möglichkeit des Eindringens in Computersysteme und –netzwerke im Ausland so ausgebaut wird, dass nur einmal die Vorsteher_innen des EJPD und des EDA konsultiert werden müssen. Gerade bei längeren Fallkomplexen muss die Verhältnismässigkeit regelmässig von den betroffenen Departementen geprüft werden.
Art. 24: Zweck der Kabelaufklärung
Gemäss Art. 39 NDG ist die Kabelaufklärung für die „Beschaffung von Informationen über sicherheitspolitisch bedeutsame Vorgänge im Ausland (Art. 6 Abs. 1 Bst. b NDG) sowie zur Wahrung weiterer wichtiger Landesinteressen nach Artikel 3“ zulässig. Die JUSO begrüsst es zwar, dass diese vage Formulierung in Art. 24 NDV konkretisiert wird. Das Wort „insbesondere“ ist jedoch zu streichen, da es sich bei der Kabelaufklärung um einen besonders starken Eingriff in die Privatsphäre handelt und dadurch die vorgenommene Konkretisierung wieder verwässert wird.
Art. 26: Aufgaben des ZEO
Abs. 4: Das ZEO soll strikt nur für die Ausführung der Überwachungsmassnahme zuständig sein. Die Frage, welche Suchbegriffe zu erfassen sind, ist eine strategische Entscheidung, die von NDB gefällt werden muss.
Abs. 5: „Interne Massnahmen“ genügen als Kontrolle nicht. Der ZEO sollte zumindest jährlich einen öffentlichen Bericht erstatten, aus dem zu entnehmen ist, wie viele Personen durch Kabelaufklärung überwacht wurden.
Art. 27: Datenbearbeitung
Abs. 2: Ein Kabelaufklärungsauftrag kann sich über längere Zeit hinziehen. Das ZEO hat gemäss dem Sinn des NDG nicht die Kompetenz, die Daten selbst zu speichern. Daten, die das ZEO erhebt, müssen unverzüglich nach dem Übermitteln an den NDB gelöscht werden.
Art. 32: Bekanntgabe von Personendaten durch kantonale Vollzugsbehörden
Die JUSO erachtet hier insbesondere die Weitergabe von Personendaten an Strafverfolgungsbehörden als problematisch. Der NDB verfügt über weitergehende Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung als die Strafverfolgungsbehörden, da diese einen hinreichenden Tatverdacht nachweisen müssen. Der NDB wird aber oftmals ohne konkreten Tatverdacht aktiv. Diese wichtige, strafprozessuale Trennung, darf nicht durch den NDB umgangen werden. Um dies zu verhindern, sind in diesem Artikel weitere Konkretisierungen notwendig.
Art. 36: Archivierung
Gemäss Art. 68 NDG sieht vor, dass alle Daten und Akten des NDB dem Bundesarchiv angeboten werden müssen. Dieser Anforderung muss Art. 36 NDV gerecht werden. Die vorgeschlagene Version bezieht sich lediglich auf Daten, die bei den kantonalen Vollzugsbehörden in Anwendung des NDG anfallen. Diese Einschränkung steht im Widerspruch zum NDG. Art. 36 NDV muss daher so umformuliert werden, dass sämtliche Daten und Akten dem Bundesarchiv angeboten werden müssen.
Art. 38: Prüfverfahren
Wie im erläuternden Bericht festgestellt, ist das Prüfverfahren im NDG nicht vorgesehen. Es handelt sich dabei um eine Vorverlagerung der Überwachung von Personen und Gruppierungen. Das Risiko ist gross, dass Personen und Gruppierungen überwacht werden, ohne das sicherheitsgefährdende Tätigkeiten vorliegen. Aus diesem Grund ist dem Prüfverfahren enge Grenzen zu setzen. Die halbjährliche Überprüfung ist zu lange. Die JUSO fordert daher, dass diese Frist mindestens auf 3 Monate verkürzt wird. (vgl. Überwachungsmassnahmen der Strafverfolgungsbehörden sind alle drei Monate gerichtlich zu überprüfen).
Art. 39: Einstellung des Prüfverfahrens
Abs. 2 Bst. c: Auch hier ist eine zwei Jahresfrist zu lang, da es sich um eine Vorverlagerung der Überwachung handelt.
Art. 43: Dienstleistungen
Im Interesse der Nachvollziehbarkeit müssen derartige Vereinbarungen schriftlich getroffen werden. „mündlich oder“ ist daher zu streichen.
Art. 53: Berechtigung zum Tragen einer Dienstwaffe
Vollständigkeitshalber sollte hier nochmals erwähnt werden, dass das Tragen von Waffen nur beim Einsatz im Inland erlaubt ist, wie dies Art. 8 NDG bereits festhält.
Art. 57a: Übergangsbestimmungen zur Archivierung
Art. 68 NDG regelt abschliessend, dass die Schutzfrist für Archivgut 50 Jahre beträgt. Die JUSO fordert daher eine ersatzlose Streichung von Art. 57a NDV, da eine Verlängerung auf insgesamt 80 Jahre unnötig und willkürlich ist.
Stellungnahme zur Verordnung über die Informations- und Speichersysteme des Nachrichtendienstes des Bundes (VIS-NDB)
Art. 7: Operationsbezogene Daten
Um eine geregelte und gesetzeskonforme Speicherung der vorhanden Daten sicherzustellen, ist es unabdingbar, dass diese in den ordentlichen Informationssystemen gespeichert sind. Art. 7 VIS-NDB geht hier mit den Ausnahmebestimmungen eindeutig in die falsche Richtung und öffnet Tür und Tor, um Daten ausserhalb der gesetzlichen Informationssysteme zu speichern. Mit dem vorgeschlagenen Artikel wird in Kauf genommen, dass Unmengen von Daten irgendwo gelagert werden, ohne das deren Rechtmässigkeit überprüft wird. Die JUSO fordert die ersatzlose Streichung dieses Artikels.
Art. 21, Aufbewahrungsdauer (gleiches gilt für alle Informationssysteme)
Die JUSO fordert, die Aufbewahrungsdauer für sämtliche Daten drastisch zu verkürzen (mindestens zu halbieren), um sie danach, dem Bundesarchiv zu übergeben.
Wir bitten Sie, unsere Anliegen bei der Überarbeitung der Vorlage zu berücksichtigen.
Mit freundlichen Grüssen,
Jungsozialist*innen Schweiz
Tamara Funiciello, Präsidentin JUSO Schweiz
Lewin Lempert, Geschäftsleitungsmitglied JUSO Schweiz