Die Digitalisierung nutzen für gute Arbeit und ein gutes Leben für alle!

30.09.2017

Positionspapier verabschiedet an der Delegiertenversammlung vom 30. September 2017 in Corpataux

Technologischen Fortschritt hat es immer gegeben

In der Geschichte des Kapitalismus hat es immer technologischen Fortschritt gegeben. Bereits Karl Marx und Friedrich Engels kennzeichnen den Kapitalismus als „die fortwährende Umwälzung der Produktion, die ununterbrochene Erschütterung aller gesellschaftlichen Zustände, die ewige Unsicherheit und Bewegung“[1]. So änderten sich seit der industriellen Revolution in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Produktion und das gesellschaftliche Zusammenleben durch verschiedenste Entwicklungen: Die Erfindung der Dampfmaschine, des Fliessbandes, des Computers, der Waschmaschine etc.

Die Geschichte zeigt zudem: Der technologische Fortschritt ist keine Naturgewalt, der wir als Gesellschaft schutz- und wehrlos unterworfen sind. Das gilt auch für die Digitalisierung. Der Prozess der Digitalisierung kann und muss daher emanzipatorisch gestaltet werden – nur so wird sie nicht zu einem weiteren Bereicherungs- und Unterdrückungsinstrument für die Besitzenden, sondern zu einer Chance für die Arbeiter*innenklasse. Die grundsätzliche Frage ist also nicht, ob technologischer Fortschritt gebremst werden soll, sondern wem die Technologie gehört und wer bestimmt, wie und für wen sie genutzt wird.

Was ist die Digitalisierung...

Digitalisierung beschreibt die Veränderung von analogen physischen Prozessen, Objekten und Arbeitsverhältnissen durch die zunehmende Verwendung von digitalen Geräten. Die Digitalisierung ermöglicht eine bessere Vernetzung und schnelleren Austausch von grossen Datenvolumen und führt zu neuen Formen, wie Informationen gesammelt, übermittelt und gebraucht werden.

Dies kann folgendermassen geschehen:

  1. Bestehende Technologien werden durch die Digitalisierung weiterentwickelt.
  2. Rein digitale und internationale Plattformen (Bsp: UBER, AirBnB) übernehmen und verändern die Funktionen klassischer Arbeitsverhältnisse.
  3. Optimierung und Rationalisierung durch Vernetzung und Einsatz digitaler Technologien.
  4. Automatisierung von Arbeiten durch Roboter und künstliche Intelligenz.

Rein digitale Plattformen, Prozesse und Werte (Bsp.: Facebook, Bitcoins) erschliessen neue Märkte und digitalisieren den KapitalismusDiese Anwendungsbereiche beziehen sich vornehmlich auf die technische Seite. Für die JUSO ist jedoch klar, dass die entscheidende Frage dabei ist, wer sich diesen technischen Fortschritt zu Nutze macht und den Mehrwert abschöpft.

... und was nicht: keine Änderung der Produktionsverhältnisse

In der aktuellen politischen Debatte wird oft von der digitalen Revolution gesprochen. Diese Begrifflichkeit ist gefährlich und falsch. Zwar ändert sich die Produktionsweise, doch die Produktionsverhältnisse werden an sich nicht verändert. Denn die Eigentumsverhältnisse und der Antrieb unternehmerischen Handels bleiben gleich. Es ist weiterhin die Rendite, welche die Produktion bestimmt, wobei soziale, ethische und ökonomische Anliegen nur insofern berücksichtigt werden, als sie der Profitmaximierung dienen.

Es profitieren daher bis jetzt fast ausschliesslich Unternehmen und ihre Eigentümer von der Digitalisierung: Sinkende Personal- und Produktionskosten, sowie höhere Einnahmen aufgrund neuer oder verbesserter Produkte erhöhen die Rendite. Gleichzeitig werden aufgrund der enormen Flexibilisierung soziale Sicherheitsnetze für Lohnabhängige ausgehöhlt oder gar aufgelöst. Die Drohkulisse der Digitalisierung wird genutzt, um das scheinbar alternativlose kapitalistische Wirtschaftsmodelle durch Deregulierungen und Liberalisierungen weiter auszubauen. Dies ist ein Angriff auf demokratisch beschlossene Schutzmechanismen für die Menschen. Damit wird die Freiheit der einzelnen Arbeiter*innen nicht verstärkt, vielmehr werden bestehende Abhängigkeitsverhältnisse verschärft.

Die gleichbleibenden Produktionsverhältnisse verhindern, dass die Vorteile der Digitalisierung wirklich genutzt werden können. Digitale Produkte und Produktionsabläufe zeichnen sich durch einen hohen Entwicklungsaufwand aus, die massenhafte Produktion hingegen verursacht nur minimalen Aufwand. So kann eine Software, einmal programmiert, quasi ohne weitere Arbeit millionenfach kopiert werden. Ein Zugang der gesamten Bevölkerung zu diesen Produkten wäre deshalb problemlos machbar, einzig die kapitalistische Verwertungslogik verhindert diesen Zugang.

Das Potential der Digitalisierung wird sich niemals innerhalb dieser Verwertungslogik entfalten können. Es ist deshalb nötig, die Finanzierung von Forschung und Entwicklung gesellschaftlich zu organisieren und sämtliche Zugangsbeschränkungen zu unbeschränkt vorhandenen Gütern, insbesondere die Copyright-Gesetze, zu streichen.

Die Digitalisierung als kapitalistisches Deregulierungsprojekt

Wenn der Prozess der Digitalisierung weiterhin kapitalistisch geprägt bleibt, werden die Konsequenzen für die Lohnabhängigen massiv sein. Klassische Betriebsstrukturen lösen sich auf. Jobs, in denen man von 08:00–17:00 am Arbeitsplatz erscheint, verschwinden zunehmend. Stattdessen werden Arbeitsverhältnisse flexibilisiert. Das heisst: Arbeiter*innen werden 24 Stunden am Tag an ein Unternehmen gebunden, so dass sie jederzeit erreichbar und bereit für die Arbeit sein müssen – auch wenn sie eigentlich frei hätten. Das führt dazu, dass der 8h-Arbeitstag de facto aufgelöst und das gesamte Leben der Erwerbsarbeit unterstellt wird. Die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmt. Diese Prozesse werden auch als Entgrenzung von Arbeit und Freizeit und als Arbeitsverdichtung bezeichnet. Durch die Auflösung klar definierter Betriebsstrukturen wird die gewerkschaftliche Arbeit massiv erschwert. Arbeitsstrukturen, welche auf Automatisierung und den Abbau dezentraler Entscheidungskompetenzen setzen, werden häufiger und Überwachungstechniken fördern zusätzlich die Entsolidarisierung unter den Arbeiter*innen.

Die verstärkte Flexibilisierung treibt die Ausbeutung der Arbeiter*innen auf dem Arbeitsmarkt weiter voran. Um den Schutz von regulierten Arbeitsverhältnissen zu umgehen, werden Arbeiter*innen in unterschiedlich ausgeprägte Formen von „Selbstständigkeit“ gezwungen. Dies bedeutet, dass in immer mehr Fällen kein soziales Netz (v.a. keine Sozialversicherungsabgaben) vorhanden ist und die Löhne gedrückt werden. Im Rahmen der Plattformökonomie werden neue Geschäftsmodelle und Arbeitsformen gefördert. Da die gesamten Produktionsprozesse nicht wie bis anhin vollständig in wenigen grossen Unternehmen stattfinden, werden vormals gesetzlich und gewerkschaftlich geschützte Arbeitsverhältnisse durch völlig unregulierte verdrängt. Immer mehr Arbeiter*innen werden so zu „Crowdworker*innen“[2] gemacht, die ihre Arbeitskraft auf einer digitalen Plattform anbieten: isolierte Scheinselbstständige ohne soziale Absicherung. Anders formuliert könnte dieser Vorgang auch so beschrieben werden, dass Betriebe in einem ersten Schritt das Kollektiv von Arbeiter*innen auflösen, dann die Rolle der Zwischenhändler*innen zwischen Arbeiter*innen und Konsument*innen wegfällt und schlussendlich die Arbeiter*innen auf gewissen Plattformen direkt mit den Konsument*innen interagieren und in einem Tauschverhältnis stehen. Der dadurch erarbeitete Mehrwert wird jedoch noch immer von den grossen Konzernen oder im Rahmen der Digitalisierung auch neu aufsteigenden IT-Giganten, denen diese Plattformen gehören, abgeschöpft.

Ein Beispiel für diese Entwicklung ist etwa Uber. Uber und ähnliche Unternehmen prekarisieren Arbeit durch ihr Geschäftsmodell jedoch nicht nur weiter, sondern halten auch bestehende Schutzbestimmungen systematisch nicht ein, z.B. im Arbeits- und Mietrecht. Dabei handelt es sich nicht um einen Fortschritt, sondern um ein schamloses Ausnutzen bestehender Machtstrukturen, um die Unterdrückung weiter voranzutreiben, welche sogar unter den Kriterien der bürgerlichen Gesetze als gesetzeswidrig gilt.

Zunahme der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern...

Auch die Geschlechterverhältnisse sind von der Digitalisierung betroffen.[3] Zwei Entwicklungen sind denkbar, die sich nicht ausschliessen:

  1. Die Gefahr ist real, dass eine kapitalistische Digitalisierung die Diskriminierung von Frauen* weiter verstärken wird. So haben Frauen* einen grösseren Anteil in Berufen, die mutmasslich von der Automatisierung betroffen sind, insbesondere in schlecht bezahlten Stellen im Dienstleistungssektor. Gleichzeitig werden aufgrund früh vermittelter Geschlechterstereotypen immer noch sehr wenig Frauen* Ingenieurinnen* oder Informatikerinnen*. Diese Berufe sind einerseits zukunftsträchtig und andererseits gut bezahlt; dadurch spitzt sich die Vermögensungleichheit zwischen Frauen* und Männern* weiter zu.
  2. Gleichzeitig sind Frauen* im Care-Sektor übervertreten. Care-Arbeit umfasst fürsorgerische Tätigkeiten wie Betreuung von Kindern und Alten, Pflege von Kranken und Hausarbeit. Care-Arbeit geschieht häufig unbezahlt, kann aber z.B. an eine Putzfrau* ausgelagert werden und wird dadurch zu bezahlter Arbeit. Diese Tätigkeiten können nicht oder nur in geringem Masse digitalisiert und wegrationalisiert werden. Der bezahlte Bereich des Care-Sektors wächst, da es immer einfacher wird, diese Arbeit an billige Arbeitskräfte insbesondere aus dem Ausland auszulagern. Momentan sind die Arbeitsbedingungen im Care-Bereich äusserst prekär. Es wäre jedoch möglich, dass die Care-Arbeit in Zukunft aufgewertet wird: Erstens wird ihre gesellschaftliche Wichtigkeit zunehmen, beispielsweise durch die steigende Lebenserwartung. Zweitens ist davon auszugehen, dass vermehrt Männer* diese Berufe ergreifen werden und es ist ein bekanntes Phänomen, dass typische “Frauenberufe” aufgrund patriarchaler Strukturen hinsichtlich Lohnniveau und gesellschaftlicher Anerkennung aufgewertet werden, wenn der Anteil Männer* zunimmt.

Gerade die starke Ausübung von unbezahlter Care-Arbeit durch Frauen* führt jedoch dazu, dass sie an weniger oder keinen Weiterbildungen und Umschulungen teilnehmen können. Entweder weil sie es sich aus ökonomischen Gründen nicht leisten können oder weil sie neben ihrer Lohnarbeit und der Care-Arbeit schlicht keine Zeit dafür haben. Das erhöht wiederum die Gefahr, dass Frauen* durch die Digitalisierung noch mehr zu Verliererinnen* des Kapitalismus werden.

... und zwischen oben und unten

All diese Entwicklungen einer kapitalistisch ausgestalteten Digitalisierung führen dazu, dass die Ungleichheit der Geschlechterverhältnisse und der Vermögen und Einkommen weltweit weiter zunimmt. Sogar die Grossbank UBS formuliert diese Entwicklung in einer Publikation folgendermassen: „Dadurch ergeben sich eine zunehmende Polarisierung der erwerbsfähigen Bevölkerung und eine wachsende Einkommensungleichheit.“[4] Zudem könnte sich laut UBS die „Vermögensverteilung einschneidend verändern“.

Die sich weiterhin zunehmende Kapitalakkumulation bei einigen wenigen äussert sich in einer nochmals verstärkten Monopolisierung in der Privatwirtschaft. Eine ETH-Studie aus dem Jahr 2011 zeigt auf, dass heute 147 Konzerne die Weltwirtschaft kontrollieren. [5]Durch den Digitalisierungsprozess kann sich diese exklusive Gruppe auf die „Big Five“ der IT-Giganten Apple, Facebook, Google, Amazon und Microsoft verkleinern. Die (klassische) Industrie gerät durch die Notwendigkeit der digitalen Vernetzung in die Abhängigkeit dieser IT-Konzerne, was diese wiederum zu extrem kapitalstarken Grosskonzernen macht. Mit ihrem Kapital können die IT- Giganten danach in andere Geschäftsfelder vordringen (wie etwa Google mit seinem selbstfahrenden Auto in die Autoindustrie), ganze Branchen übernehmen und ehemalige Grosskonzerne unter ihre Kontrolle bringen. Dadurch entstehen gigantische Konglomerate die die unterschiedlichsten Bereiche abdecken und somit eine ungeheure Kontrolle ausüben. Die zuvor angesprochene Flexibilisierung der Märkte ist also nichts weiter als eine zentral organisierte und geplante Massnahme zur Schwächung der Position der Arbeiter*innen. Diese verstärke Kapitalakkumulation und Tendenz zur Monopolisierung zwingt die Politik in die Geiselhaft von wenigen Grosskonzernen; Demokratie wird somit zu einer Worthülse, denn das Kapital diktiert die Bedingungen.

Chancen der Digitalisierung für eine fortschrittliche Politik

Technologischer Wandel bietet aber immer auch die Chance bestehende Machtverhältnisse sichtbar zu machen, in Frage zu stellen und zu verändern.

  1. Durch die technischen Möglichkeiten können Informationen transparenter und zugänglicher gemacht werden. Die Möglichkeit zur Vernetzung und Kooperation innerhalb und zwischen Unternehmen, aber auch zwischen politischen Bewegungen verbessern sich. Das gilt natürlich ebenso für die Vernetzung und Organisierung der arbeitenden Bevölkerung.
  2. Wenn wir durch den technischen Fortschritt in der gleichen Zeit mehr produzieren können, heisst das im Umkehrschluss, dass wir unsere Arbeitszeit verkürzen können. Dadurch bleibt mehr Zeit für selbstbestimmte Tätigkeiten. Ausserdem könnte eine Verkürzung der Arbeitszeit zu einer geschlechtergerechten Aufteilung von Care-Arbeit führen.
  3. Dass Tätigkeiten wie die klassische Fliessbandarbeit oder die Migros-Kasse verschwinden bzw. von Maschinen übernommen werden ist per se nichts Schlechtes. Werden die Gewinne, die dadurch gemacht werden, gerecht verteilt, statt Arbeiter*innen auf die Strasse gestellt, bietet sich für mehr Menschen die Möglichkeit, im Berufsleben unterschiedliche, spannende Tätigkeiten auszuführen und damit ein sinnerfülltes Arbeitsleben zu haben.

Um die Digitalisierung als Fortschritt des Kapitals zum Fortschritt der Menschen zu machen, müssen die Mitbestimmungs- und Eigentumsrechte der Lohnabhängigen ausgebaut werden. Nur durch eine konsequente Demokratisierung wird der von allen gemeinsam erarbeitete Wohlstand gerecht verteilt.

Service Public und Grundversorgung

Das Internet spielt im Leben der in der Schweiz lebenden Menschen eine immer grössere Rolle und ein Breitbandanschluss ist bereits heute teil der Grundversorgung im Fernmeldebereich[6]. Nach unserer Ansicht ist die Geschwindigkeit dieses Breitbandanschluss mit 2Mbit/s Download allerdings deutlich zu tief angesetzt. Damit die Schweiz in der Digitalisierung nicht abgehängt wird, fordern wir flächendeckende Glasfaserversorgung in den Ballungsräumen und eine deutlich schnellere Grundversorgung. Neben der Grundversorgung mittels kabelgebundenem Internet fordern wir ebenfalls eine Grundversorgung in der kabellosen Datenübertragung. In Ballungsräumen soll dafür von staatlicher Seite ein flächendeckendes WLAN-Netzwerk zur Verfügung gestellt werden, welches frei benutzt werden kann mit gegebenenfalls einer Anpassung der NIS[7] Grenzwerte.

Bildungsoffensive

Wir fordern eine Bildungsoffensive welche sich z.B. nach Vorbild des BBC Computer Literacy Project[8] aus den 1980er Jahren richten könnte. Wichtig ist dabei, dass ein solches Projekt alle Jugendliche verschiedener Altersgruppen und aller Geschlechter ansprechen kann. Wir fordern deshalb, dass alle Schweizer Schüler*innen gratis ein Platinen Computer[9], z.B. einen Raspberry Pi, zur Verfügung gestellt bekommen. Besonderen Fokus sollte dabei ebenfalls auf das Web gerichtet werden, weshalb wir für alle Personen unter 30 Jahren einen gratis Zugang zu einem staatlich, z.B. durch SWITCH[10] zur

E-Voting und E-Government

Als Sozialist*innen stehen wir neuen technischen Entwicklungen keinesfalls im Wege und begrüssen sie sogar, besonders wenn sie allen zugutekommt. Trotzdem sprechen wir uns momentan dagegen aus, Abstimmungen und Wahlen elektronisch durchzuführen, dies aus Sicherheitsbedenken, welche nicht unbegründet sind wie z.B. die Wahlen in den USA oder die erfolgten Hacking-angriffe auf EDA, VBS und RUAG zeigen. Von staatlichen Stellen fordern wir, dass sie einerseits auf OpenSource Software (OSS) wo möglich setzen, da bei solcher die Sicherheit jederzeit überprüft werden kann, andererseits fordern wir, dass der Bund Eigenentwicklungen ebenfalls als OSS veröffentlicht. Neben dem Veröffentlichen der Software fordern wir auch ein Veröffentlichen der Daten (ggf. anonymisiert). Als Beispiel dazu kann z.B. das GEO Portal[11] des Bundes angeführt werden.

Gute Arbeit und ein gutes Leben alle

Für die JUSO ist klar, dass die Verheissungen der Digitalisierung für alle zugänglich und Ausgangspunkt für eine Transformation zur einer sozialistischen Gesellschaft sein müssen. Im Zentrum dabei steht das Selbstbestimmungsrecht aller Menschen, also die Möglichkeit umfassend und in allen Bereichen über ihr Leben entscheiden zu können, und gleichzeitig die kollektiven Sicherungssysteme zu erhalten und auszubauen.

Die JUSO fordert deshalb:

  1. Gute Arbeit und soziale Sicherheit für alle
  • Verkürzung der Arbeitszeit: Der technologische Fortschritt führt zu einer höheren Arbeitsproduktivität. Diese Produktivitätsgewinne müssen wir nutzen, um die Arbeitszeit für alle Menschen zu verkürzen und damit real die Bevölkerung vom wachsenden Wohlstand profitieren zu lassen. Die JUSO fordert eine radikale Senkung der Arbeitszeit bei gleichbleibendem Lohn. Dies kann in Form einer 25-Stunden-Woche umgesetzt werden, es sind aber auch andere Modelle denkbar.
  • Anerkennung und Entlöhnung der Care-Arbeit: Der Entscheid des Bundesrates, die 24h-Betreuuung in Haushalten nicht als Arbeit anzuerkennen, ist ein Skandal. Dieser Entscheid ist rückgängig zu machen! Es braucht vielmehr die Unterstellung des Sektors unter vom Bund aktiv geförderte GAVs und Modelle zur gerechten Entlöhnung von Care-Arbeit.
  • Bessere Verteilung der Care-Arbeit: Die Verkürzung der Arbeitszeit ermöglicht den Menschen nicht nur mehr Freizeit, sondern auch eine bessere, gerechtere Verteilung der Care-Arbeit, die immer noch viel häufiger von Frauen* ausgeübt wird.
  • Vollbeschäftigung und Recht auf gute Arbeit: Schliesslich ermöglicht die Arbeitszeitverkürzung auch wieder Vollbeschäftigung herzustellen. Jede*r muss das Recht auf gute Arbeit, mit guten Arbeitsbedingungen und umfassenden Teilhaberechten haben!
  • Einhaltung und Ausbau des Arbeitsschutzes: Bestehende Arbeitsgesetze wollen wir durchsetzen und verhindern, dass sie z.B. durch Scheinselbstständigkeit ausgehebelt werden. Zudem müssen der Individualisierung und der damit einhergehenden Schwächung der Machtposition von Arbeiter*innen durch kollektive Sicherungssysteme Einhalt geboten werden. Für Crowdworker*innen müssen mit den Plattform-Betreibern Gesamtarbeitsverträge ausgehandelt werden, die gute Arbeitsbedingungen gewährleisten.
  • Soziale Sicherheit für alle: Die Produktivitätsfortschritte müssen wir nutzen, um die Errungenschaften des Sozialstaates zu sichern und auszubauen. Umschulungen müssen durch die Produktivitätsgewinne aufgrund der Digitalisierung finanziert werden und allen Menschen offenstehen.
  • Die JUSO setzt sich für die Abkopplung von Erwerb und Arbeit ein . Alle Menschen haben das Recht auf ein würdiges und emanzipiertes Leben - dies darf nicht an die den ökonomischen Zwang gebunden sein, die eigene Arbeitskraft auf dem Markt zu verkaufen. Deshalb fordern wir die Einführung einer Form von bedingungslosem Einkommen, welches die Lebensgrundlage aller Menschen decken kann.”
  1. Demokratisierung der Wirtschaft
  • Ausbau der Eigentumsrechte und Gewinnbeteiligungsmodelle: Die Möglichkeiten der Digitalisierung müssen wir nutzen, um die Eigentumsverhältnisse grundlegend zu transformieren. Das Privateigentum an den Produktionsmitteln müssen wir durch den Ausbau und die Förderung von Eigentumsrechten und Gewinnbeteiligungsmodellen durch die Arbeiter*innen überwinden. Ein Unternehmen wie Uber ist deshalb als Genossenschaft auszugestalten. Auch betriebsübergreifend können wir durch die Digitalisierung Kooperationen von Unternehmen ausbauen.
  • Ausbau des Service public: Unternehmen wie Facebook und Google, die bereits heute faktisch staatliche Funktionen wahrnehmen und Monopole haben, müssen wir als Teil des Service public organisieren.
  • Die JUSO trägt dazu bei, dass in der SP die Wirtschaftsdemokratie als Antwort auf den Prozess der Digitalisierung angesehen wird.
  1. Recht auf Daten
  • Datenschutz gewährleisten und ausbauen: Das Recht an den eigenen Daten und den Schutz vor staatlicher und betrieblicher Überwachung müssen wir gewährleisten und ausbauen. Daten aus Arbeitsprozessen dürfen nicht dazu verwendet werden, um die Leistungsvorgaben, den Arbeitsdruck und die Konkurrenz unter den Beschäftigten zu erhöhen. Die Nutzung von Daten muss an den Arbeitsprozess gebunden sein und darf nicht weitergehend verwendet oder an andere Unternehmen verkauft werden. Umgekehrt darf die Ausgestaltung von „sozialen Netzwerken“ als Teil des Service public nicht zu einem Zugriff des Staates auf private Daten und die private Kommunikation führen. Der Schutz der Privatsphäre vor staatlicher Überwachung muss umfassend ausgestaltet sein.
  • Für eine freie Gesellschaft ist freie Meinungsäusserung ein absolutes muss. Um diese gewährleisten zu können ist es unabdingbar, frei also ohne Überwachung kommunizieren zu können. Besonders schützenswert ist dabei ebenfalls eine vertrauliche Kommunikation z.B. zwischen einer Person welche im medizinischen Bereich arbeitet und Patient*innen oder zwischen einem*r Anwalt*in und Mandant*innen. Wir fordern deshalb die Aufhebung des NDG[12], ein Verbot der Massenüberwachung sowie Kabelaufklärung in der Schweiz. Weiters fordern wie die Aufhebung der Vorratsdatenspeicherung. Der Einsatz von Staatstrojanern und anderen sogenannten NIT[13] lehnen wir kategorisch ab.
  • My Data und Open Data: Jeder Mensch hat das Recht, Informationen, die er über sich bereitgestellt hat, einzusehen und bei Bedarf auch wieder zu löschen. Alle durch private und staatliche Instanzen gesammelten Daten zum Verhalten der Bevölkerung sind Allgemeingut und müssen frei nutzbar sein. Dazu müssen diese Daten natürlich ausreichend anonymisiert werden, um jeglichen Missbrauch zu verhindern.
  • Open Source Software: Das Recht auf Privatsphäre und Datenschutz lässt sich nur überprüfen und umsetzen, wenn jede*r Zugriff auf den Quellcode der Programme hat, die persönliche Daten verwalten.
  • Netzneutralität und Datenschutz International: Der Bund muss sich ebenfalls auf Internationaler Ebene für die Netzneutralität sowie den Datenschutz einsetzen. Die besten nationalen Regelungen bringen wenig bis nichts, sobald Server in Rechenzentren im Ausland stehen. Deshalb ist es eine absolute Notwendigkeit sich auf Internationaler Ebene dafür stark zu machen.
  1. Recht auf Aus- und Weiterbildung
  • Der Austausch von Daten findet heute fast ausschliesslich über das Internet statt. Um eine gleichberechtigte Nutzung des Internets zu ermöglichen und staatlicher und privater Zensur vorzubeugen, müssen wir die Netzneutralität gesetzlich verankern.
  • Im Kontext einer vernetzten und digitalisierten Gesellschaft nimmt das Internet einen derart wichtigen Stellenwert im Zusammenleben ein, dass der Zugang dazu essentiell geworden ist. Die gleichberechtigte Teilnahme an Wirtschaft, Gesellschaft und Politik erfordert einen Zugang zur Netzinfrastruktur. Daher fordern wir einen anonymen und uneingeschränkten Internetzugang für alle Menschen.
  • Aktuelle politische Entwicklungen zielen oftmals in die Richtung einer Einschränkung der Anonymität im virtuellen Raum. Wir fordern eine Verankerung des Rechts auf Anonymität, sowie eines Rechts auf Vergessen.
  • Moderne Technologien nutzen: Die Blockchain ermöglicht sichere, anonyme und unabhängige Transaktionen aller Art im Internet. Sie bietet eine Chance, eine demokratische Gegenherrschaft zu staatlichen und wirtschaftlichen Institutionen zu etablieren. Neue Formen von Demokratie auf allen Ebenen von Wirtschaft und Gesellschaft werden so erheblich vereinfacht - in einer transparenten und dezentralen Art und Weise. Diese Technologie muss massiv gefördert werden, um die Herrschaft zurück in die Hand der Menschen zu geben.”
  1. Recht auf Aus- und Weiterbildung
  • Die schulische und berufliche Ausbildung muss die nötigen Kompetenzen für einen emanzipatorischen Umgang mit der Digitalisierung vermitteln. Das umfasst sowohl Selbstkompetenzen (Selbstorganisation, Selbstbewusstsein, Selbstreflexion), fachliche Kompetenzen als auch Kompetenzen zur wirksamen Nutzung wirtschaftsdemokratischer Rechte. Dafür muss es ein Recht auf Aus- und Weiterbildung sowie ein Recht auf Umschulung geben. Insbesondere ist bei deren Ausgestaltung darauf zu achten, dass Frauen* daran gleichberechtig teilhaben können. Die Konzerne, welche durch die Automatisierung von Arbeitsplätzen ihre Rendite steigern können, müssen für ihre Arbeiter*innen die Aus- und Weiterbildung finanzieren. Unternehmen, welche durch die Digitalisierung einen Mehrwert erzielen, müssen diesen in einen Fonds einzahlen, über welchen die Arbeiter*innen demokratisch entscheiden können.
  1. Recht auf Wissen
  • Wissen ist Gemeingut und muss für alle Menschen ohne Einschränkungen offen stehen und beliebig weiterverwendet werden dürfen. Dies bedeutet, dass Patente und Urheberrechte abgeschafft werden. Mechanismen, die die freie Verbreitung von Informationen erschweren oder verunmöglichen sind ebenfalls verboten. Unter diese Kategorie fällt auch der Quellcode von Programmen, der also ebenfalls ohne Einschränkungen verfügbar sein muss.

[1] Karl Marx, Friedrich Engels: Das Kommunistische Manifest, 1848.

[2] Beim Crowdworking werden Aufträge, meist zerteilt in kleinere Aufgaben, über digitale Plattformen an Crowdworker vergeben. (http://www.robertfreund.de/blog/2015/10/07/was-versteht-man-heute-unter-crowdworking)

[3] Min Li Marti: Frauen und Technik, in: PS Zeitung, http://www.pszeitung.ch/frauen-und-technik/, 2017.

[4] UBS: Industrienationen profitieren – Schwellenländer kommen unter Druck, Pressemitteilung vom 19.01.2016, https://www.ubs.com/global/de/about_ubs/media/switzerland/releases/news-display-media-switzerland.html/de/2016/01/19/developed-economies-likely-to-benefit.html.

[5] Stefania Vitali et al.: The network of global corporate control, https://arxiv.org/PS_cache/arxiv/pdf/1107/1107.5728v2.pdf, 2011.

[6] https://www.bakom.admin.ch/bakom/de/home/telekommunikation/grundversorgung-im-fernmeldebereich.html

[7] https://www.seco.admin.ch/seco/de/home/Arbeit/Arbeitsbedingungen/gesundheitsschutz-am-arbeitsplatz/Arbeitsraeume-und-Umgebungsfaktoren/Nichtionisierende-Strahlung.html

bzw. https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19996141/index.html

[8] https://en.wikipedia.org/wiki/BBC_Micro#History

[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Einplatinencomputer

[10] https://de.wikipedia.org/wiki/SWITCH

[11] https://map.geo.admin.ch

[12] http://www.vbs.admin.ch/de/themen/nachrichtenbeschaffung/nachrichtendienstgesetz.html

[13] https://en.wikipedia.org/wiki/Network_Investigative_Technique