Resolution verabschiedet an der Delegiertenversammlung der JUSO Schweiz vom 21. April 2024 in Frauenfeld
Die Bevölkerung der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) leidet unter den Folgen jahrzehntelanger Ausbeutung, verfahrenen Kriegen, illegalem Ressourcenhandel und fehlender staatlicher Präsenz. Ein Drittel der 97 Millionen Kongoles*innen ist von akuter Nahrungsmittelunsicherheit betroffen, knapp drei Viertel leben unter der Armutsgrenze.[1]
Die internationale Gemeinschaft schaut jedoch schweigend zu, denn die westlichen Länder profitieren vom Leid der kongolesischen Bevölkerung. Die DR Kongo ist der zweitgrösste Staat Afrikas, gilt als ressourcenreichstes Land der Welt und die Ausbeutung der Kongoles*innen hält die Rohstoffpreise weltweit tief. Dass die Bevölkerung nicht vom natürlichen Reichtum, den riesigen tropischen Regenwäldern, grossen Süsswasser- und wichtigen Rohstoffreserven profitiert, hat koloniale Hintergründe. Das Gebiet der heutigen DR Kongo stand zwischen 1885 und 1960 unter belgischer Kolonialherrschaft. Diese gilt als eine der brutalsten und wirkt bis heute nach.[2] Die belgische Kolonialmacht hatten zusammen mit den Kolonialmächten Deutschland (der heutigen Nachbarstaaten Tansania, Ruanda und Burundi) und Grossbritannien (des heutigen Nachbarstaates Uganda), die Volksgruppe der Tutsi zur afrikanischen Elite gemacht und die Volksgruppe der Hutu zur Unterschicht.
Nach dem offiziellen Ende der Kolonialzeit kam es zum Umsturz der Machtstrukturen. Seit der Unabhängigkeit ist das Land und die Region von Bürgerkriegen und regionalen Auseinandersetzungen geprägt und von April bis Juni 1994 ermorden schlussendlich in Ruanda Hutu bis zu einer Million Tutsi. Ein Einmarsch ugandischer Tutsi-Milizen in Ruanda beendete den Genozid. Rund 1.5 Millionen Hutu flohen in die heutige DR Kongo und verübten von dort aus weiterhin Angriffe auf Tutsi.[3] Daraufhin eroberten wiederum kongolesische Tutsi gemeinsam mit ruandischen Streitkräften die DR Kongo. Ein weiterer Umsturzversuch endete 2003 in einem Friedensabkommen, ein Ende haben die Kämpfe im Osten des Landes aber nie wirklich gefunden und flammen wegen diverser Milizen in den letzten Jahren erneut auf.[4][5]
Eine grosse Rolle spielt dabei ‘Mouvement du 23-Mars‘ (M23), eine Tutsi-Miliz aus der Grenzregion zu Ruanda. Sie wirft der kongolesischen Regierung vor, sich nicht an den Friedensvertrag zu halten. M23 greift seit 2021 wieder zivile und militärische Einrichtungen an. Es wird vermutet, dass Ruanda die Miliz finanziell und militärisch unterstützt.[6]
Sowohl Milizen als auch staatliche Truppen verüben routinemässig Verbrechen. Immer wieder tauchen Massengräber auf. In den durch M23 kontrollierten Gebieten werden nicht-Tutsi angegriffen und getötet, in den staatlich kontrollierten Gebieten leiden Tutsi unter Verfolgung.[7]Auch das Ausmass sexualisierter Gewalt ist besorgniserregend, sie wird systematisch als Waffe eingesetzt.[8][9] Insgesamt mussten über sechs Millionen Menschen in andere Landesteile fliehen und ein Bericht der UNO von 2010 bezeichnet die Vorfälle als möglichen Genozid.[10][11]
Ende 2023 beschloss die UNO dennoch, die Blauhelm-Mission MONUSCO abzubrechen. Sie konnte keine Erfolge in ihren Friedensbemühungen erreichen und nie Vertrauen in der Bevölkerung aufbauen.[12]
Für die Kriegsfinanzierung spielen die reichen Rohstoffvorkommen und entsprechenden Minen im Ostkongo eine zentrale Rolle. Insbesondere Coltan, ein für die Herstellung elektronischer Geräte benötigtes Mineral, steht dabei im Fokus.[13] Die Minen werden oft illegal und ohne maschinellen Abbau betrieben, setzen Kinderarbeit ein und sind aufgrund ihrer Wichtigkeit für die Finanzierung der Kriegsparteien stark umkämpft.[14][15] Für die Gewinnung der Mineralien werden Zivilist*innen von Milizen ausgebeutet und Umwelt- und Sicherheitsbedenken oft missachtet.[16]
Über den Import von Coltan tragen westliche Unternehmen indirekt zur Aufrechterhaltung des Kriegszustandes bei. Als internationale Handels- und Finanzdrehscheibe ist auch die Schweiz stark in den kongolesischen Rohstoffhandel involviert und profitiert von Leid und Krieg im Kongo. Schweizer Unternehmen profitieren direkt von den schlechten Arbeitsbedingungen und der fehlenden staatlichen Kontrolle, die die Preise tief und den Profit hoch halten.
So auch der Rohstoffkonzern Glencore: Seinen Minen wird Raubbau und Ausbeutung der Bergarbeiter*innen vorgeworfen. Momentan läuft eine Strafuntersuchung wegen Korruption im Zusammenhang mit Schürfrechten gegen das Zuger Unternehmen.[17] Gleichzeitig wird Glencore von der bürgerlichen Politik mit Steuergeschenken überhäuft und kann dank diesen und schwacher Regulation Jahr für Jahr Milliardengewinne schreiben. Alles auf dem Buckel der Bevölkerung in der DR Kongo und dem gesamten sogenannten globalen Süden.[18]
Uns ist klar: Die Gewalt in der DR Kongo muss endlich enden. Die Welt darf nicht länger wegschauen und muss ihre Verantwortung gegenüber der kongolesischen Bevölkerung wahrnehmen!
Wir fordern deswegen, dass sich die Schweiz im UNO-Sicherheitsrat dafür einsetzt, dass Ruanda, mindestens solange es M23 unterstützt, nicht weiter internationale militärische Hilfe erhält.
Wir fordern die Einführung eines internationalen Zertifizierungssystems. Nur so kann erreicht werden, dass Rohstoffe legal gehandelt werden, sich die Arbeitsbedingungen im Abbau, Transport und der Verarbeitung verbessern und die Umweltbestimmungen eingehalten werden.
Rohstoffabbau, wie alle Industrien, gehört in die Hände der Arbeiter*innen. Die Rohstoffkonzerne müssen zerschlagen und die Minen vergesellschaftet werden.
Die Bevölkerung des sogenannten Globalen Südens muss ermächtigt werden, aus den neokolonialen Zwängen des Kapitalismus aus zu brechen. Die Profitinteressen der Konzerne und Staaten des sogenannten Globalen Nordens müssen endlich unterbunden werden und dürfen nicht mehr über die Rechte und das Wohlergehen der Bevölkerung des Globalen Südens gestellt werden.
Als im Globalen Norden wohnhafte Menschen und aktive Partei müssen wir bei uns auf das Überwinden aller neokolonialer Strukturen hinarbeiten.
[1] https://www.caritas-international.de/hilfeweltweit/afrika/kongo/politische-humanitaere-lage
[2] https://www.planet-wissen.de/kultur/westeuropa/belgien_geschichte_und_politik/pwiebelgienundderkongoweisserkoenigschwarzertod100.html
[3] https://www.zeit.de/zeit-geschichte/2023/06/kongo-kriege-ruanda-voelkermord-demokratische-republik-kongo
[4] https://www.frieden-fragen.de/entdecken/aktuelle-kriege/demokratische-republik-kongo/wie-kam-es-zum-krieg-im-kongo.html
[5] https://www.dw.com/de/demokratische-republik-kongo-machtlos-gegen-rebellen/a-65029201
[6] https://www.dasding.de/newszone/demokratische-republik-kongo-konflikt-millionen-flucht-100.html
[7] https://taz.de/Gewalt-gegen-Tutsi-in-Kongo/!5923405/
[8] https://www.iz3w.org/artikel/verfolgungen-tutsi-kongo-krieg-genozid
[9] https://www.amnesty.ch/de/ueber-amnesty/publikationen/magazin-amnesty/2008-4/krieg-gegen-frauen-und-kinder-im-kongo
[10] https://www.srf.ch/news/international/vergessener-konflikt-im-kongo-hunderttausende-menschen-in-ostkongo-auf-der-flucht
[11] https://www.zeit.de/politik/ausland/2010-10/kongo-genozid-un-bericht
[12] https://www.spiegel.de/ausland/demokratische-republik-kongo-uno-soldaten-sollen-abruecken-gewaltausbrueche-nach-wahlen-befuerchtet-a-721bf5ae-a1bf-42a4-b527-6bc8f35642c0
[13] https://www.planet-wissen.de/natur/fluesse_und_seen/kongo/pwiekampfumdiekongoschaetze100.html
[14] https://ici.radio-canada.ca/info/2019/05/coltan-republique-democratique-congo-mines-enfants/
[15] https://www.bmz.de/de/laender/demokratische-republik-kongo/wirtschaftliche-situation-11190
[16] https://www.amnesty.de/allgemein/pressemitteilung/demokratische-republik-kongo-menschenrechtsverletzungen-rohstoffabbau-kobalt-kupfe
[17] https://www.publiceye.ch/de/themen/rohstoffhandel/glencore-dr-kongo
[18] https://sicherheitspolitik.bpb.de/de/m4/articles/case-study-democratic-republic-of-the-congo