Für eine radikale Arbeitszeitverkürzung!

31.08.2019

Resolution verabschiedet an der Delegiertenversammlung der JUSO Schweiz am 6. April 2019 in Aarau.

Ob die Frauen*bewegung, die Klimabewegung oder die Arbeiter*innenbewegung - weltweit gehen nun seit Jahre massenhaft Menschen auf die Strasse und demonstrieren für ein gutes Leben, ohne Gewalt, ohne existenziellen Ängste, für eine Zukunft.

Diese Bewegungen gilt es zu einen. Denn zum einen richten sich all diese Bewegungen gegen dieselbe Unterdrückungsformen, gegen Kapitalismus und Patriarchat – zum anderen können sie so ihre Schlagkraft erhöhen.

Die Linke ist schwach, wenn sie es zulässt, dass verschiedene Dimensionen der Diskriminierung gegeneinander ausgespielt werden und sie ist stark, wenn sie es schafft verschiedene Kämpfe zu vereinen.

Einen können sich die Frauen*bewegung, die Klimabewegung oder die Arbeiter*innenbewegung nur anhand von konkreten Forderungen. Die Frage ist, welcher ist der nächste Schritt, welche die nächste Forderungen, die uns in eine bessere, gerechtere und nachhaltigere Welt führt.

Eine radikale Arbeitszeitverkürzung bei gleichbleibendem Lohn bietet Antworten auf die dringlichsten Probleme unserer Zeit. Die drohende Klimakatastrophe, die ungleiche Verteilung von Care-Arbeit und der rasante Anstieg der sozialen Ungleichheit.

Die Arbeitszeitverkürzung... ... ist feministisch!

Der Grossteil der unentgeltlichen Care-Arbeit wird heute noch immer von Frauen* verrichtet. Dies führt zu einer starken finanziellen Abhängigkeit, weniger Renteneinkommen und einer massiven Doppelbelastung für berufstätige Frauen*. Die Arbeitszeitverkürzung ermöglicht eine gerechtere Verteilung der Care-Arbeit, indem sie allen Menschen mehr Zeit für Sorgetätigkeiten bereitstellt. Mehr Zeit für die Kindererziehung, mehr Zeit für die Pflege von kranken Menschen und mehr Zeit für scheinbar sinnfreie Zuneigung.


... ist Klassenkampf!

Das reichste Prozent hat sich im Jahr 2017 82 Prozent des weltweiten Vermögenswachstums angeeignet.[1] Während die Reichsten jedes Jahr mehr Kapitaleinkommen einstreichen, profitiert die arbeitende Bevölkerung kaum von den Produktivitätssteigerungen der vergangenen Jahre. Eine Arbeitszeitverkürzung bei gleich bleibendem Lohn bedeutet einen Anstieg des Stundenlohns für die Lohnabhängigen und eine Senkung der leistungsfreien Profite der Reichsten. Eine Arbeitszeitverkürzung sorgt damit für eine Rückverteilung des Wohlstands an die Menschen, die ihn tatsächlich produziert haben: Die 99% der Menschen, die arbeiten müssen um zu leben.

... ist ökologisch!

Die Klimakatastrophe ist die dringlichste Herausforderung unserer Zeit und droht die Lebensgrundlage von hunderten Millionen Menschen zu zerstören. Eine Reduktion der Arbeitszeit geht einher mit einer radikalen Änderung unserer Konsum- und Wirtschaftsweise. Sie sorgt dafür, dass wir weniger Zeit damit verbringen unsere Umwelt durch die Produktion von Gütern zu verschmutzen und mehr Zeit für emissionsarme Care-Arbeit aufwenden. Durch eine jährliche Verkürzung der Arbeitszeit um 0.5% bis ins Jahr 2100 kann damit die Hälfte der Erderwärmung verhindert werden, die durch bestehende Treibhausgase bevorsteht.[2]

Die Arbeitszeitverkürzung bietet die Möglichkeit die Frauen*bewegung, die Arbeiter*innenbewegung und die Klimabewegung zusammenzuführen. Wenn wir diese Verknüpfung versäumen, riskieren wir eine neoliberale Vereinnahmung dieser wichtigen Bewegungen, wie wir sie in der Vergangenheit schon erleben mussten. Der Zusammenschluss der feministischen, klassenkämpferischen und ökologischen Kräften verhindert, dass die Mächtigen im Angesicht des politischen Drucks auf ihr gefährlichstes Mittel setzen: Die Umverteilung von Privilegien zwischen politischen Gruppen, statt deren Abschaffung. Gleichzeitig bedeutet die Vereinigung hinter der Forderung der Arbeitszeitverkürzung einen frontalen Angriff auf die kapitalistischen und patriarchalen Herrschaftsverhältnisse. Die Arbeitszeitverkürzung steht für eine Zukunft in der das gute Leben für alle im Zentrum steht, statt die Profite einiger weniger.


[1] https://www.oxfam.de/ueber-uns/aktuelles/2018-01-22-82-prozent-weltweiten-vermoegenswachstums-geht-reichste-prozent

[2] https://www.zeit.de/wirtschaft/2013-02/klimawandel-arbeit-wachstumskritik