Legalisieren statt kriminalisieren: Für eine moderne Drogenpolitik!

19.09.2015

Resolution verabschiedet an der Delegiertenversammlung der JUSO Schweiz vom 19.09.2015, Liestal.

Einleitung

In den 90er-Jahren schockierte die offene Drogenszene in der Schweiz die Öffentlichkeit und zwang den Bund, sich mit Hilfe des Vier-Säulen-Modells drogenpolitisch zu engagieren. Die Verbindung von Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression war in dieser Zeit ein grosser Schritt in die richtige Richtung und erzielte sehr gute Ergebnisse. Aber mittlerweile ist die Situation hat sich die Situation verändert und die nötigen Reformen lassen auf sich warten.

Denn tatsächlich ist das Thema Drogen immer noch heikel. Die Hirngespinste, die Ängste und moralisierende, manichäische Sichtweise erschwert die Debatte. Konsumierende von illegalen Substanzen werden als verdorben, unmoralisch und damit auch schuldig wahrgenommen, während gleichzeitig die Effekte von manchen legalen Produkten (wie Alkohol) kleingeredet werden. Der Krieg gegen die Drogen kann jedoch nicht erfolgreich sein, solange man nicht die damit verbundenen gesundheitspolitischen und sozialen Herausforderungen angeht. Die Debatte wird gelähmt durch die Heuchelei und die Wahnbilder einer politischen Welt, der oft aus wahltaktischen Gründen der Mut fehlt, das Thema anzugehen.

Es ist jedoch wichtig, unsere Drogenpolitik auf der Basis von empirischen Fakten zu modernisieren und nicht in politische Hirngespinste und Moralapostelei zu verfallen. Der Krieg gegen die Drogen ist zum Scheitern verurteilt, wenn man nicht gleichzeitig die sozialen und gesundheitspolitischen Probleme des Drogenkonsums anpackt. Die JUSO Schweiz fordert, dass der Bund dies erkennt und sich einer mutigen Drogenpolitik zuwendet, die auf die allgemeine Gesundheitsversorgung, die gesellschaftliche Sicherheit und die Menschenrechte ausgerichtet ist.

Drogen? Medizinisch gesehen

Streng gesehen ist eine Droge eine chemische Substanz, welche die neuronale Aktivität im menschlichen Körper verändert und folglich auch die Physis und die Psyche beeinflussen kann. Bei der psychischen Beeinflussung unterscheidet man zwischen stimulierenden, hemmenden und bewusstseinsverändernden Drogen, die das Verhalten der Person auf unterschiedliche Arten verändern. Eine einzige Substanz kann verschiedene Auswirkungen hervorrufen: sie kann hemmend oder stimulierend sein, je nach Anwendungskontext.
Laut dem DSM-IV, dem Leitfaden psychischer Störungen, und dem CIM-10, der internationalen Klassifikation von Krankheiten, ist eine Sucht gekennzeichnet durch eine unverhältnismässige Verwendung einer Substanz, gefolgt von Entzugssymptomen, Verlust der Kontrolle über den Konsum mit gescheiterten Versuchen, diese zurückzuerlangen, verbrauchsbezogenen Probleme für die konsumierende Person sowie einer Abnahme der sozialen Aktivitäten der_des Konsumierenden.

Die meisten Drogen können zu einer Sucht führen, eine solche Abhängigkeit geschieht jedoch nicht zwingend. Eine Sucht muss aber nicht zwingend mit einer Droge zusammenhängen. So existieren auch Süchte nach Sex, Sport, Videogames, Shopping etc. Jede Droge hat ein eigenes Suchtpotential; bei Cannabis und Alkohol ist dieses Potential eher tief, während es bei Heroin, Nikotin und Kokain stark ist. In der Schweiz haben 5% der Bevölkerung eine Alkoholsucht und 15% geben an, unter einer anderen Form von Alkoholismus zu leiden[1]. Wir reagieren nicht alle gleich auf Drogen; einige entwickeln viel schneller eine Sucht als andere.

Rechtlich gesehen

Die Drogen sind in mehrere Kategorien gegliedert: Drogen im freien Verkauf, rezeptpflichtige Drogen und Substanzen, deren Produktion, Verkauf und Konsum verboten ist. Trotz seiner grossen Suchtwirkung wird der Tabak in der Schweiz frei verkauft. Heroin und Kokain, die ebenfalls grosse Suchtwirkungen haben, sind jedoch verboten. Cannabis ist verboten, aber Alkohol ist im freien Handel verfügbar. Die Befugnisse und die Verbote hängen also mehr von der Geschichte der Substanz ab als von wissenschaftlichen Belegen zur Schädlichkeit der Substanzen. Lungenkrebs, zum Beispiel, gehört zu den häufigsten Todesursachen in der Schweiz, wobei 85% der Lungenkrebsfälle auf Tabakkonsum zurückzuführen sind.[2] Und trotzdem wird Tabak offen verkauft. Im Gegensatz dazu ist Cannabis verboten, obwohl der Verdacht auf Schizophrenie als Folge von Cannabis-Konsum nie belegt werden konnte. Die heutige Verbotspolitik wurde aus einer konservativen Moral heraus gefertigt. Sie wird geleitet durch wirtschaftliche Interessen und nicht durch wissenschaftliche Logik.

Als Folge entstehen Verbote und Befugnisse, die absolut willkürlich sind. Für uns ist klar: Anstatt eine veraltete Moralvorstellung als Grundlage für Verbote zu nutzen, muss der wissenschaftliche Aspekt neu zum Hauptgrund für das Verbot oder die Genehmigung von Substanzen werden.)

Der Krieg gegen die Drogen Ursprünge

Im Jahre 1971 erklärte der amerikanische Präsident Richard Nixon den “Krieg gegen die Drogen”. Daraus entstand eine Verbotspolitik, in der Produktion, Vertrieb und/oder Konsum von Drogen bestraft wird. Sie kennzeichnet sich durch eine besonders klare Gesetzgebung gegenüber den Konsumierenden und Dealenden und beachtliche Investitionen in den Repressionsapparat (Polizei, Gerichtshöfe...), um eine drogenfreie Gesellschaft zu erreichen. Die Welt folgte diesen Gesetzgebungen unter Schirmherrschaft der UNO 1961, 1971 und 1988 mit diversen Konventionen zur Drogenpolitik. Diese Konventionen beeinflussten die nationalen Gesetzgebungen der unterzeichnenden Länder, die nun ihre Drogenpolitik auf Repression ausrichteten. Um den internationalen Charakter des „Kriegs gegen die Drogen“ zu sichern, übten die Vereinigten Staaten regelmässig Druck auf die Länder aus, die ihre Drogenpolitik neu ausrichten wollten.

Fazit

Nach mehr als 50 Jahren internationaler Drogenpolitik, welche sich der Repression und dem Verbot zuwandte, ist es heute nötig, Schlüsse daraus zu ziehen. Ist die Repression mit einem Milliardenbudget (ungefähr 3 Milliarden im Jahr 2014 allein für die Drug Enforcement Administration (DEA) in den Vereinigten Staaten) wirksam? Hat der globale Konsum abgenommen? Ist das Produktions-, das Zustellungs- und das Verteilungsnetz verschwunden? Haben wir die drogenfreie Gesellschaft erreicht?

Die Schlappe dieser Politik ist offensichtlich. Trotz Milliardeninvestitionen und einem Repressionsapparat, der täglich komplexer wird, haben wir die Drogenprobleme nicht gelöst. Seit den 80er-Jahren hat die Opiumproduktion um 380% zugenommen. Der Heroinpreis ist seit 1990 um 75% gesunken und der Zugang ist einfacher geworden. Das UNODC (Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung) schätzt, dass die Zahl der Drogenkonsumierenden zwischen 2008 und 2012 um 18% gestiegen ist. Auch wenn Frankreich eine sehr restriktive Politik im Kampf gegen den Cannabis praktiziert, ist sein Konsum seit den 90er-Jahren stagniert. Zu der Nichtfunktion kommt hinzu, dass die Prohibition und die Repression eine Vielzahl an Kehrseiten mit sich bringt, welche einen grossen Einfluss auf unsere Gesellschaft haben.

Die KehrseitenBereicherung der kriminellen Netzwerke

Wie mit dem Alkohol zu Beginn des Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten hat die Prohibition der Drogen einen extrem lukrativen Markt geschaffen, auf den sich die kriminellen Netzwerke offensichtlich gestürzt haben. Tatsächlich hat 2005 der Einzelhandel mit Drogen Einnahmen im Wert von 322 Milliarden erzielt. Ausserhalb der staatlichen Kontrolle und steuerfrei ist der Drogenmarkt auch eine interessante Geldquelle für terroristische Gruppen, für Guerillas, oder im Fall der CIA, für Geheimdienste.

Ursache für Kriminalität

Ein illegaler Markt löst Gewalt aus. Die Kämpfe zwischen den Drogenkartellen, den Gangs oder der Mafia, aufgrund der Kontrolle des Drogenhandels, sind extrem brutal. Ist die Bekämpfung der Drogennetzwerke wirksam und bewirkt die Zerschlagung eben dieser, erzeugt dies paradoxerweise wiederum Gewalt. Denn kaum ist der Markt von einem Kartellen befreit, beginnen die verbleibenden Händler_innen um die neuen Marktbereiche zu kämpfen.

Ausserdem driften oft auch die Konsumierenden selber, welche durch die Gesetzeslage bezüglich Konsum sowieso schon marginalisiert werden, in die Kleinkriminalität ab, um ihre Drogenbeschaffung zu sichern.

Epidemien und Gesundheitsrisiken

Die repressive Gesetzeslage verursacht die Marginalisierung der Drogenkonsumierende. Dies führt eine Verbreitung von Epidemien herbei, besonders bei Drogen, die mit der Spritze verabreicht werden. In der Tat ist diese so schon schwache Bevölkerung vielen Krankheiten ausgesetzt und kann nicht von der notwendigen Versorgung profitieren um Ansteckungen zu verhindern. Aufgrund dessen sind 37% der Personen, die sich in Russland Drogen injizieren, HIV infiziert. Die Tatsache, dass die auf dem Schwarzmarkt verkauften Produkte keiner Kontrolle unterliegen, birgt ein Gesundheitsrisiko in sich. Viele Produkte werden verfälscht oder gestreckt mit anderen Substanzen verkauft. Über Heroin das mit Anthrax gestreckt wird, wurde vielfach berichtet. Vergiftungs- oder Überdosisrisiken sind dementsprechend sehr hoch.

Ein Krieg gegen die Armen

Wie bei allen Kriegen sind die, welche die Konsequenzen tragen, nicht die Bosse sondern die Schwächsten. Strassendealer und Drogenkuriere sind essenzielle Probleme der Armenmilieus. Sie suchen nach dem naheliegenden Weg um ihren Drogenkonsum zu garantieren und sozial aufzusteigen. Wenn sie verhaftet werden, wird ihr Platz sofort von andern eingenommen, getrieben aus finanzieller Not.

Genauso sind die Drogenproduzierenden, z. B. Drogenanbauende, meist nur auf diesem Markt tätig, um sich eine finanzielle Lebensgrundlage zu schaffen. Ihre Produktionsbasis (wie Felder und Pflanzen) zu zerstören hat nur zur Folge, dass man eine Bevölkerungsgruppe aushungern lässt, deren Platz sofort von einer anderen, ebenso verzweifelten Gruppe eingenommen wird. In der Schweiz betrifft die Repression vor allem die Menschen aus den ärmsten und wehrlosesten sozialen Schichten. In erster Linie sind dies Personen ohne Aufenthaltserlaubnis, die hier keine Möglichkeit zu einer geregelten Arbeit haben. Solange diesen Bevölkerungsgruppen nicht eine angemessene Existenzgrundlage geboten wird, wird es eine endlose Armee von Menschen geben, die gezwungen sind alle Strafen zu riskieren, um Geld zu verdienen. So werden heute unsere Gefängnisse gefüllt mit Menschen aus einer sozial unerwünschten Gruppe.

Fazit

Die Drogenbekämpfung ist einerseits ineffektiv, sie verschlingt aber auch Unmengen an Geld. Milliarden, die für Prävention, Pflege oder Reduktion konsumbedingter Risiken eingesetzt werden könnten, werden für einen unnützen Repressionsapparat verpulvert. Sie kommt einer Arznei gleich, die schlimmer ist als die Krankheit.

Konfrontiert mit dem klaren Versagen der heute herrschenden Drogenpolitik ist es Zeit, eine neue Politik zu fordern und die Strategie von Prohibition und Repression klar abzulehnen. Wer heute trotz allen Fakten und Beweisen die vorherrschende Politik verteidigt, leidet im besten Fall unter dogmatischer Blindheit oder denkt im schlimmsten Fall nur an die Wählendenstimmen.

Das Schweizer System – die vier Säulen Geschichtliches zum Schweizer System

Die heutige Drogenpolitik hat ihre Ursprünge in der Gründung der ersten Antialkoholiker-Vereinigungen vor mehr als einem Jahrhundert. 1924 ratifizierte die Schweiz die internationale Konvention zu Opium von La Have (1912), die zum Ziel hatte den Opiumkonsum zu reduzieren und die Produktion und den Export zu kontrollieren. Das erste Eidgenössische Gesetz dazu, welches 1924 in Kraft trat, stammte direkt aus dieser Konvention. 1951 wurde ein neues Drogengesetz verabschiedet und mehrere Male überarbeitet, das letzte Mal im Jahr 2013. Die Anfänge des Vier-Säulen-Modells, welches wir heute kennen, kamen in den 70er-Jahren mit der Verbreitung des Heroinkonsums und mit der ersten Heroin-Überdosis 1972 auf. Zuvor kannte die Politik man nur drei Säulen: Repression, Prävention an den Schulen und abstinenzorientierte Therapie mit einem Entzugsprogramm und der Verschreibung von Methadon. Während der 80er-Jahre stellte man eine weltweite Verschlechterung der Gesundheit von Drogenabhängigen fest, die auf das System der damaligen Drogenpolitik zurückzuführen sind. Vielerorts tauchten in diesem Jahrzehnt Probleme auf und erschwerten die Betreuung von Drogenabhängigen. Insbesondere die Preiserhöhung von Suchtmitteln in dieser Zeit, lösten einen Anstieg der Kleinkriminalität aus. Das Wachstum der offenen Drogenszenen sowie das Problem der gemeinsamen Verwendung von Spritzen waren Gründe für die Verbreitung von verschiedenen Krankheiten. Ausserdem war der Status von Drogenabhängigen immer noch schlecht: halb galten sie als krank, halb als kriminell. 1991 verabschiedete der Bundesrat das erste MaPaDro (Massnahmenpaket des Bundes zur Verminderung der Drogenprobleme), ein Programm, das die vierte Säule mit sich brachte: die Schadensminderung. 1994 wurde schliesslich das Vier-Säulen-Modell vom Bundesrat formell verabschiedet.

Seither ist das Vier-Säulen-Modell nicht unumstritten geblieben. 2004 wurde eine Revision des Gesetzes verhindert, welche einen Rahmen zur Entkriminalisierung von Cannabis geschaffen hätte. Zur gleichen Zeit zeigten Umfragen, dass es keine deutliche Mehrheit in der Bevölkerung dafür gab, der Drogenpolitik eine neue Ausrichtung zu geben. 2008 kehrte die Drogenpolitik zurück auf die öffentliche Bühne. Zuerst wurde eine Initiative, die Cannabis liberalisieren wollte, mit 63% Nein-Stimmen abgelehnt; darauf folgte die Revision des Bundesgesetzes über Betäubungsmittel. Letzteres verankerte das Prinzip der vier Säulen schlussendlich im Gesetz. Genauso ebnete es den Weg für die medizinische Nutzung von Hanf. Das Parlament verabschiedete die Revision, welche die sensiblen Punkte der Initiative von 2004 ausliess, trotz heftiger Gegenwehr durch SVP und EDU, welche eine komplette Repression befürworteten und ein Referendum ergriffen. Die Abstimmung entschied mit 68% Ja-Stimmen zugunsten des neuen Gesetzes. Die letzte Änderung der Drogengesetzlage geschah 2013. Erwachsene Cannabis-Konsumierende müssen seither nicht mehr mit einer Strafverfolgung rechnen, sie trifft nur noch die Strafe einer Ordnungsbusse von 100 Franken.

Die vier Säulen – Prävention/Therapie/Schadensminderung/Repression und Regulierung

Das Wesen der Schweiz ist der Föderalismus, bei dem die Massnahmen und Ausführungskompetenzen auf verschiedene Kräfte verteilt sind. Die Massnahmen obliegen im Wesentlichen den Kantonen. Diese sind verantwortlich für die Prävention, die Therapieausführung und die Umsetzung von Repressionsmassnahmen innerhalb ihres Kantongebiets. Die Kantone verfügen über viel Autonomie zur Umsetzung von Massnahmen und auch für die Konzipierung ebendieser. In zahlreichen Kantonen werden einzelne Aufgaben auch den Gemeinden delegiert. Vor allem Städte übernehmen viele Aufgaben selber. Die Aufgaben des Bundes sind im Wesentlichen, das Gerüst der vier Säulen zusammenzuhalten. Die Grundlage dazu bildet das Bundesgesetz zu den Betäubungsmittel und psychotropen Substanzen. Ausserdem unterstützt der Bund die Kantone über das Bundesamt für Gesundheit (BAG), das Bundesamt für Polizei (Fedpol) oder die Eidgenössische Zollverwaltung. Das grosse Ziel der Vier-Säulen-Politik ist in erster Linie eine Reduktion des Drogenkonsums, im speziellen die Zahl der Drogeneinsteigenden zu minimieren und den Ausstieg zu vereinfachen. Ausserdem strebt diese Politik nach einer Senkung der negativen Folgen durch den Konsum, namentlich die gesundheitlichen Auswirkungen und auf ihre soziale Eingliederung. Und schliesslich will dieses Modell die Gesellschaft schützen vor den negativen Folgen, wie zum Beispiel die Kriminalität oder die gesundheitlichen Probleme.

Die Prävention

Durch Information und Aufklärung soll die Prävention verhindern, dass Menschen beginnen Drogen zu konsumieren. Man geht heute davon aus, dass trotz der Prävention vor allem junge Menschen eines Tage ein Suchtmittel ausprobieren. Auf Grundlage dessen orientiert sich die Prävention nicht auf dem reinen Konsum an sich, sondern insbesondere auch auf der Suchprävention und den Folgen für die Gesundheit der Konsumierenden. Für die Prävention ist deshalb auch die Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Drogen irrelevant, sondern bezieht sich auf alle Produkte, die zu einer Abhängigkeit und medizinischen Komplikationen führen können. Die Präventionsmassnahmen kommen dabei auf verschiedenen Ebenen vor: in der Familie, auf der Strasse, in den Schulen, etc.

Die Therapie

Diese Säule dient einer Redaktion des Drogenkonsums und hilft den Konsumierenden beim Ausstieg aus ihrer Sucht sowie der Reintegration in die Gesellschaft. Die Therapie soll den Süchtigen auch helfen, während des Konsums die Möglichkeit eines Ausstiegs offen zu halten und Zugang zu Pflege und Betreuung zu erhalten.

Die Therapien können sehr unterschiedlich sein:

  • Die abstinenzorientierte Methode hat das Ziel, dass die abhängigen Menschen ihren Konsum bezwingen können. Sie verbringen Zeit in einer spezialisierten Institution und besuchen therapeutische Einheiten.
  • Die Substitutionstherapie basierend auf der kontrollierten Abgabe von Substituten (z.B. Methadon im Falle von Heroin).

Die Repression und die Regulierung des Marktes

Diese Säule fokussiert sich auf die Bekämpfung des Drogenhandels, womit der Konsum vermindert werden soll. Der Gedanke dahinter: Drogen stellen gesundheitliche Risiken dar, deshalb sollen sie nicht oder nur schwer zugänglich sein. Es ist jedoch erwiesen, dass ein erschwerter Zugang zu Produkten eine Ausgrenzung der Konsumierenden und eine Preissteigerung herbeiführt, dies ist eine Quelle der Kriminalität. Die grosse Herausforderung dieser Säule ist es, diese möglichen negativen Aspekte zu berücksichtigen.

Die Repression basiert auf verschiedenen Handlungsebenen, einschliesslich der Bekämpfung der Geldwäsche, die Verfolgung der organisierten Kriminalität, Bekämpfung des Strassenhandels und der Durchführung von Grenzkontrollen. Dies beinhaltet auch die Inhaftierung von Akteuren des Drogenhandels. Derzeit wird der Drogenkonsum noch immer als schweres Vergehen geahndet, selbst der Konsum von Cannabis wird noch immer mit einer Ordnungsbusse bestraft.

Die Schadensminderung

Diese Säule zielt darauf ab, die negativen Auswirkungen des Drogenkonsums für die Konsumierenden, aber auch für das Umfeld und die Gesellschaft, zu reduzieren. Dieses Prinzip ist in den 90er-Jahren entstanden und anerkennt, dass es immer einen Drogenkonsum geben wird. Das Ziel der Schadensminderung ist dabei nicht in erster Linie den Konsum direkt zu vermindern, sondern einen möglichst risikoarmen Konsum zu ermöglichen (sozial, psychisch, medizinisch). Beispiele einer Schadensminderung können sein, eine Ausgrenzung der Süchtigen zu verhindern, die Übertragung von Krankheiten zu unterbinden oder auch den Weg zu einer Therapie aufzuzeigen. Die Möglichkeit der Wahl für die Süchtigen ist dabei sehr wichtig, denn es hat sich gezeigt, dass der Zwang zum Ausstieg kein gangbarer Weg ist. Dieser Ansatz führt auch zu einem grösseren Verantwortungsbewusstsein der Konsumierenden. Allgemein betrachtet kann man somit dank der Schadensminderung auch die negativen Effekte der Drogen auf die Gesellschaft verkleinern, namentlich bei den Kosten und der Kriminalität.

Die Anzahl der Massnahmen kann sehr verschieden sein. Massnahmen gegen den Mehrfachgebrauch von Spritzen können die Übertragung von Krankheiten limitieren. Die Einrichtung eines “Fixer-Stübli” reduziert die Risiken für die Konsumierenden. Die Verteilung von Lebensmitteln hilft die sozialen Bindungen zu erhalten und die grundlegenden Bedürfnisse von Konsumierenden zu befriedigen. Ein Angebot an Aktivitäten oder Arbeitsplätze, ermöglicht eine Reduktion der Kriminalität und fördert die soziale Eingliederung. Die Schaffung von Obdachlosenunterkünften hat einen positiven Einfluss auf die Gesundheit von obdachlosen Menschen und reduziert die Belastung für die Gesellschaft. Ebenfalls können wir in dieser Säule Massnahmen nennen, die auf Bundesebene ergriffen wurden: die Plattform Infodrog (Schweizerische Koordinations- und Fachstelle Sucht), die Forschungen des Bundesamtes für Gesundheit oder die Schliessung der offenen Drogenszenen in den 90er-Jahren.

Bilanz

Die Politik der vier Säulen erwies sich bis heute als positiv und hat zahlreiche erfreuliche Resultate ermöglicht. Der Konsum von harten Drogen ist zurückgegangen und die Zahl der Neueinsteigenden ist kleiner geworden. Bei Heroin beispielsweise sank die Zahl von Neueinsteigenden von 850 im Jahr 1990 auf 150 im Jahr 2000. Die Therapien sind ein Erfolg, weil heute 20’000 Menschen in verschiedenen Programmen teilnehmen, um den Ausstieg aus der Sucht zu schaffen. Die Zahl der Drogentoten ist ebenfalls von 400 in den 90er-Jahren auf 152 im Jahr 2007 zurückgegangen. In die selbe Richtung gehen auch die Massnahmen zur erheblichen Reduzierung von HIV-Übertragung durch den gemeinsamen Spritzengebrauch. Man kann ebenfalls feststellen, dass die Zahl der Straftaten stabil geblieben seit Mitte der 90er-Jahre mit einem leichten Rückgang von 2004 bis 2008. Dank den vielen positiven Effekten, insbesondere dem Aspekt der Schadensminderung, haben 83 Staaten (Stand 2008) Programme auf Basis der Praktiken aus der Schweiz lanciert.

Allerdings ist auch die Schweizer Drogenpolitik zu sehr nach der Säule der Repression ausgerichtet. Die Repression bezieht fast zwei Drittel des Drogenpolitik-Budgets, während die Schadensminderung und die Therapie nur je 5 % vom Budget erhalten. 25 % des Budgets entfallen auf die Prävention. Wie sich zeigte, kann die Repression den Drogenhandel nicht beseitigen, aber ihre Konsequenzen sind gravierend für die Konsumierenden (unkontrollierte Produkte, hohe Kosten als Quelle der Kleinkriminalität, etc.) und auch für die Gesellschaft als ganzen (Strassenhandel, Kriminalität).

Die Repression betrifft in mehr als der Hälfte der Fälle den Konsum. Die Repression der Konsumierenden bleibt ein Hindernis für die Politik der Schadensminderung und überfüllt unnötigerweise die Gerichtssäle. Weiter ist es ungerecht, hilfsbedürftige Menschen als Kriminelle zu behandeln, denn schliesslich sind sie das Opfer der Droge. Trotz den negativen Folgen der Repression, verändert sich die Politik in diesem Bereich nur sehr langsam, da können auch die 2013 eingeführten Ordnungsbussen für kleine Mengen Cannabis nicht darüber hinwegtäuschen.

Die neuen Erfahrungen

Nach der langen Zeit des Krieges gegen die Drogen und nach dessen Scheitern haben verschiedene Staaten unterschiedliche Ansätze ergriffen, um die Risiken und damit verbundenen Krankheiten im Bezug auf den Drogenkonsum und den -handel zu minimieren. Ein Beispiel findet sich in Portugal. Angesichts des Scheiterns der Verbotsmodellen und der hohen Verbreitung von Drogen im Lauf der 90er Jahre - während derer 1 % der Bevölkerung heroinabhängig war - begann die portugiesische Regierung im Jahr 1998 seine Drogenpolitik vollständig zu reformieren. Die portugiesischen Rechtsvorschriften traten 2001 in Kraft und entkriminalisierten die Konsumation aller Drogen. Die öffentliche Meinung in Portugal ist heute, dass ein_e Konsument_in in erster Linie ein_e pflegebedürftige_r Bürger_in ist, und nicht ein_e Kriminelle_r. Dementsprechend geht es bei der Politik im Bezug auf Konsumation nicht in erster Linie um Justiz und Polizei, sondern um Gesundheitsdienste. Es muss aber erwähnt werden, dass es sich bei der Gesetzlage nicht um eine Liberalisierung von Drogen handelt: Verkauf, Produktion und Transport von Betäubungsmitteln bleibt unter Strafe. Auch ist der Verbrauch nicht legalisiert, sondern nur entkriminalisiert. Dennoch ist die Bilanz des Modells positiv. Die Konsumation hat bei den 15-19-Jährigen stark nachgelassen. Die Zahl der Personen, die wegen Drogenabhängigkeit in Behandlung sind, hat zwischen 2001 und 2008 um einen Drittel zugenommen, und der Gesundheitszustand von Drogenabhängigen hat sich massiv verbessert dank einer Reduktion der durch unsauberen Konsum verbreiteten Krankheiten, darunter besonders HIV. Die Zahl der Todesfälle pro Jahr im Zusammenhang mit Drogen ist von rund 80 im Jahr 2001 auf weniger als 20 im Jahr 2012 zurückgegangen. Darüber hinaus wurde der Gerichtsapparat davon befreit, sich mit geringfügigen Fällen von Drogenkonsum herumzuschlagen.

Im Spanien wurde 2002 die Schaffung sogenannter "Cannabis Social Clubs" erlaubt. In diesen Verbänden wird Cannabis produziert und legal an Mitglieder verkauft. In Spanien ist es auch gesetzlich erlaubt, als Privatperson bis zu drei Cannabispflanzen zu besitzen. Der Vorteil der Clubs ist in erster Linie, dass sie eine Alternative zum illegalen Drogenhandel bieten. In ihnen können Qualität genauso wie die produzierten und konsumierten Mengen kontrolliert werden. Sie garantieren soziale Bindungen zu und zwischen den Konsumierenden und tragen damit zur Verringerung der Risiken bei. Zusätzlich können sie Steuereinnahmen generieren. In Spanien wurden weiter, wegen unklarer Gesetzgebung, in einigen von Tourist_innen frequentierten Grossstädten viele Clubs eröffnet um ausländische Besucher_innen anzuziehen, die dort von den lockeren Zugangsregeln mancher Clubs profitieren. Diese Zugänglichkeiten hängen stark von der Region und der Strenge ihrer jeweiligen Behörden ab. Nichtsdestotrotz ist und wäre es möglich, einer solche Bewegung mit den entsprechenden Rechtsvorschriften zu begegnen und damit mögliche negative Aspekte der Social Clubs zu verhindern.

Im Dezember 2013 wurde das neue uruguayische Gesetz verabschiedet, welches den Cannabiskonsum vollständig legalisierte. Das Produkt wird unter direkter staatlicher Kontrolle produziert und verkauft und unterliegt strengen Auflagen. Das Gesetz erlaubt ebenfalls den Anbau von 6 Cannabispflanzen pro Person oder die Schaffung von Cannabis Social Clubs, in welchem 15 bis 45 Mitglieder bis zu 99 Pflanzen bewirtschaften dürfen. Der Verkauf wird in staatlich lizenzierten Apotheken durchgeführt. Personen, die Cannabis kaufen wollen, müssen mindestens 18 Jahre alt sein und in einer Datenbank werden ihre monatlichen Käufe registriert. Die Menge ist auf 40 Gramm pro Monat beschränkt. Die Preise entsprechen den gleichen wie auf dem Schwarzmarkt.

Die primäre Motivation dieses neuen Gesetztes in Uruguay ist die Beseitigung des Schwarzmarktes und der Kampf gegen die damit verbundene Gewalt und Korruption. Für viele Politiker ist der illegale Handel schlimmer als die Produkte an sich. Darüber hinaus lässt sich allgemein beobachten, dass viele lateinamerikanische Länder im Angesicht der verheerenden Auswirkungen des Drogenkrieges auf der Suche nach alternativen Lösungen, auch der Legalisierung, sind. Die Legalisierung ermöglicht eine bessere Kontrolle des Konsums und auch der Gesundheit der Konsumierenden. Die Abkehr der Kriminalisierung erleichtert auch die Präventionsarbeit: das Thema kann freier angegangen werden. Darüber hinaus erlaubt die neue Regelung auch, die produktbezogenen Arbeitsplätze zu legalisieren und Steuereinnahmen zu generieren.

Fazit

Bis heute haben die liberale Drogenpolitik, die Entkriminalisierung und die Legalisierung und die damit verbundene Reduktion der Risiken deutlich bessere Resultate erzielt als die, von der USA ausgehende, repressive Drogenpolitik der letzten 50 Jahre. Aus Sicht der Konsumierenden gibt es Verbesserungen in den Bereichen Gesundheit, soziale Eingliederung und Therapie. Für die Gesellschaft resultieren ein Rückgang der Kriminalität, geringere Kosten und vor allem ein kleineres gesundheitliches Risiko.

Natürlich sind die innovativsten Lösungen oft noch im Stadium der Debatte. Aber wir können schon heute festhalten: die Repression war ein Misserfolg. Hingegen wurde für jede alternative Lösungsform ein Misserfolg vorausgesagt, aber das Gegenteil ist eingetroffen.

Unsere Forderungen

Auch wenn die Drogenpolitik in der Schweiz im Gegensatz zu zahlreichen anderen Ländern schon fortschrittlich ist, bleibt noch einiges zu tun. Ein grosser Teil des Geldes im Kampf gegen die Drogen wird immer noch in die unwirksame Repression gesteckt. Drogenabhängige Menschen werden immer noch kriminalisiert. Dies drängt sie an den Rand der Gesellschaft und erschwert ihnen dadurch den Zugang zu Betreuung und Pflege. Ausserdem wird nicht genügend in die Forschung und die Prävention investiert, obwohl dies ein sehr effektiver Weg im Kampf gegen Drogen ist.

Eine Gesellschaft ohne Drogen wäre kaum denkbar. Besonders weil einige Drogen, wie z.B. Alkohol, einen festen Platz in unseren Sitten und Traditionen haben. Deswegen fordert die JUSO Schweiz auf langfristige Sicht eine kontrollierte Legalisierung aller Drogen zur Unterbindung des Schwarzmarkts. Dennoch ist es möglich, den Konsum in der Bevölkerung zu verringern, die gesundheitlichen Risiken und Schäden zu mindern und die Gewalt und die Kriminalität zu verhindern, die oftmals zusammenhängen mit illegalen Vertreibendennetzen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn wir eine Drogenpolitik haben, welche empirisch fundiert ist und wir aus den Erfahrungen eines verfehlten Krieges gegen die Drogen gelernt haben. Wir brauchen heute eine mutige Politik, befreit von veralteten politischen Dogmen und wahltaktischen Slogans.

Die JUSO Schweiz stellt aus diesem Grund folgende Forderungen auf:

  • Die totale Entkriminalisierung des Konsums aller Drogen für eine medizinische Versorgung der Konsumierenden
  • Die sofortige und komplette Legalisierung von Cannabis und seinen Folgeerzeugnissen
  • Ein staatliches Monopol auf den Handel neu legalisierter Drogen
  • Die Entwicklung von gesetzlichen Standards bezüglich des medizinischen Gebrauchs von Drogen und Folgeerzeugnissen
  • Ein Werbeverbot für alle Drogen, einschliesslich Alkohol und Tabak.
  • Eine Fokussierung der Ressourcen im Kampf gegen Drogen auf die Prävention, die Forschung, die Therapie und die Schadensminderung
  • Eine Konzentration der Repression auf die organisierte Kriminalität
  • Ein empirischen und wissenschaftlichen Ansatz für Prävention und Therapie, und nicht eine moralischen Herangehensweise
  • Ein Mindestalter 16 für den legalen Drogenkonsum
  • Die Schaffung eines Fonds zur Förderung der Landwirtschaftsentwicklung in den Produktionsländern, um die Kleinbauern wieder vom Drogenmarkt abzubringen

[1] http://www.hug-ge.ch/sites/interhug/files/structures/medecine_de_premier_recours/documents/infos_soignants/probleme_d_alcool_2010df.pdf

[2] R.Lazor, A.Lovis, L.P.Nicod, J.Cornuz, Dépistage du cancer pulmonaire par scanner thoracique. Rev Med Suisse 2012;2206-2211