Resolution verabschiedet der Delegiertenve rsammlung vom 6. September 2014 in Sursee
Zur Zeit verhandeln die Herrschenden hinter verschlossenen Türen zwei Handels- und Investitionsabkommen mit absehbar negative Auswirkungen für Mensch und Umwelt – auch in der Schweiz. TISA (Trade in Service Agreement) und TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) stellen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, den Service Public sowie Sozial- und Umweltstandards in Frage, würden bei Inkrafttreten einigen Grosskonzernen aber enorme Profite ermöglichen.
Seit 2012 treffen sich unter dem Vorsitz der USA und Australien 22 Länder sowie die EU im Geheimen zu Verhandlungen über das Dienstleistungsabkommen TISA. Die Schweiz ist mit von der Partie. Das Ziel der Verhandlungen: Öffentliche Dienstleistungen zur Gesundheits-, Wasser- und Energieversorgung, bei der Bildung, im Finanzsektor sowie in allen anderen Bereichen sollen über das bereits in den letzten 20 Jahren erreichte Ausmass dereguliert und internationaler Konkurrenz ausgesetzt werden. Im Klartext: Ein Ausverkauf des Service Public an private Investoren.
Das Freihandelsabkommen TTIP wird momentan zwischen der EU und den USA verhandelt und sieht eine Beseitigung von „Handelshemmnissen“ zwecks einer Investitionspartnerschaft vor. Hier verhandelt die Schweiz nicht mit, sie wäre vom TTIP allerdings direkt betroffen. Zwei Berichte im Auftrag des Seco machen klar, dass die Folgen des TTIP für die Schweizer Wirtschaft gross wären. Zwei Drittel aller Schweizer Exporte gehen in die EU (56 Prozent) oder die USA (11 Prozent). Um Wettbewerbsnachteile auszugleichen, wird die Schweizer Wirtschaft deshalb sicherlich versuchen Teil des TTIP zu werden oder ein vergleichbares Investitionsabkommen zu erwirken. Entsprechende Signale wurden von Economiesuisse bereits ausgesandt.
Der volkswirtschaftliche Wohlstandsgewinn der beiden Abkommen dürfte sich allerdings in engen Grenzen halten. Die EU rechnet mit 0,5 bis 1 Prozent Wachstum bis 2027, bei TISA dürften das Potential ähnlich gering sein. Der Profit würde einigen wenigen Unternehmen und Superreichen zu Gute kommen – den Schaden hätten alle zu tragen.
Drohender Abbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
Mit TTIP und TISA droht die Einführung von Sonderrecht für Konzerne über Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismen. Diese Schiedsgerichte sind im Rahmen so genannter multilateraler Investitionsabkommen global auf dem Vormarsch. Zahlreiche spektakuläre Fälle sind bekannt, bei denen Grosskonzerne demokratische Staaten vor undurchsichtigen und willfährigen Schiedsgerichten verklagten. Alleine 2011 klagte etwa der Energiekonzern Vattenfall nach dem Atomausstieg gegen Deutschland, Philipp Morris prozessierte wegen des Anbringens von Warnhinweisen auf Zigarettenpackungen gegen Urguguay und Australien und der Öl- und Gaskonzern Lone Pine verklagte Kanada wegen eines Frackingmoratoriums. Begründet werden diese Klagen immer gleich: Die Gewinnerwartungen der Konzerne wurden durch neue Umwelt- und Sozialgesetze geschmälert.
Die Schiedsgerichte sind völlig intransparent (nicht öffentlich), es gibt keine Rekursmöglichkeit, die Justiz ist nicht unabhängig. Dennoch gewinnen die Schiedsgerichte immer mehr an Einfluss und setzen Recht. Verglichen mit den Klagen, die zwischen den 1970er und Ende der 90er Jahre eingereicht wurden, gab es seit 2000 einen Anstieg um 250 Prozent – Tendenz steigend. Damit hebelt der globale Kapitalismus in ökonomischen Fragen die nationalen Demokratien immer mehr aus.
Geplanter Abbau des Service Public
Eine weitgehende Privatisierung des Service Public wäre für die Konzerne enorm lukrativ. Durch das einseitig am Profitstreben orientierte Wirtschaften in Bildung, Gesundheitswesen, Energie- und Wasserversorgung oder im Finanzsektor würde aber nicht nur der Druck auf die Angestellten massiv steigen, auch würden „unrentable“ Bereiche geschlossen oder schlecht unterhalten und die Preise würden erhöht. Ein Abbau des Service Public etwa in Randregionen oder für gewisse Leistungen wäre die Folge. Der Service Public würde zum Handelsgut und damit nur für Begüterte zugänglich. Die Idee der öffentlichen Leistungen wäre an sich in Frage gestellt.
Gefahr für Sozial- und Umweltstandards
Auch die Arbeitsbedingungen der Lohnabhängigen würden durch TTIP und TISA massiv verschlechtert. Im Rahmen des TTIP wird eine „Harmonisierung“ der Standards angestrebt – also eine Korrektur nach unten. Arbeitszeit, Arbeitnehmer_innenschutz, Streikrecht, aber auch die Löhne dürften unter Druck geraten. Ein Ausverkauf des öffentlichen Dienstes (TISA) würde GAV, Arbeitsplätze und Löhne in enormem Ausmass zerstören. Auch die Auswirkungen auf die Umwelt und die Konsument_innen präsentieren sich negativ: Gentechnik, Hormon- und Klonfleisch, Chlor-Hühnchen sowie giftige Stoffe und Chemikalien dürften dank dem TTIP auch in Europa Alltag werden.
Marktmacht im globalen Freihandel
TTIP und TISA werden im Geheimen und unter Ausschluss der Entwicklungsländer ausgehandelt. Die ökonomische Dominanz des Nordens – insbesondere einiger grosser Konzerne – gegenüber der Südhalbkugel unseres Globus' droht dadurch noch verstärkt zu werden. TTIP und TISA sind damit Teil einer Strategie zur Zementierung der ökonomischen Dominanz des Westens gegenüber den BRIC-Staaten und der Entwicklungsländer. Dabei soll die bereits jetzt dominante Stellung der Grosskonzerne ausgebaut werden. Gemäss einer Studie der ETH aus dem Jahr 2011 kontrollieren 147 Grosskonzerne bereits 40 Prozent der globalen Wirtschaft. Diese enorme Macht würde weitere verstärkt, die Demokratie ihr gegenüber immer machtloser.
Beschlüsse
- Die JUSO Schweiz verlangt vom Bundesrat vollständige Transparenz über die Verhandlungen zu TISA.
- Die JUSO Schweiz bekämpft die geplanten Abkommen TISA und TTIP und unterstützt befreundete Organisationen auf nationaler und internationaler Ebene in diesem Kampf. Insbesondere ist sie Teil des Komitees „Stopp TiSA!“ und unterstützt ausdrücklich die vom XXX. IUSY-Weltkongress in Dänemark verabschiedete Resolution „TTIP – Not like this!“
- Die JUSO Schweiz setzt sich dafür ein, dass sich die SP Schweiz ihrer Position anschliesst.
- Die JUSO Schweiz setzt sich für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf nationaler und internationaler Ebene als Gegengewicht zur Macht der Konzerne ein. Sie bekämpft eine Schwächung des internationalen Rechts – wie sie von der reaktionären Rechten angestrebt wird – vehement.
- Die JUSO Schweiz kämpft für verbindliche Regeln auf dem globalisierten Weltmarkt – etwa mit der Spekulationsstopp-Initiative.