Sichere Altersvorsorge für Alle

15.12.2012

Positionspapier verabschiedet von der DV der JUSO Schweiz vom 15. Dezember 2012

Der Sozialstaat ist der demokratische und rechtsstaatliche Ausdruck des Willens zur Solidarität der Menschen miteinander. Wir wollen keine Alleinerziehende, die ihre Kinder in Armut grossziehen muss. Wir wollen keine Bauarbeiter_innen, die nach einem Unfall in die Arbeitslosigkeit und somit an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Und wir wollen auch keine alten Menschen, die nach einem langen Erwerbsleben nur mit Mühe über die Runden kommen.

Mit dem Sozialstaat entstand ein effektives Mittel der Freiheit, indem er allen Menschen angemessene und ausreichende Unterstützung gewährt, sollten sie invalid, alt, verwitwet oder arbeitslos werden.

Das heutige 3-Säulen-System der Altersvorsorge ist das Ergebnis eines langen Kampfes der Arbeiter_innenschaft gegenüber den Interessen der Ausbeuter_innen. Dieser Kampf für einen menschenwürdigen Ruhestand für alle ist geprägt von zahlreichen Kompromissen mit den Bürgerlichen.

Heute ist diese Freiheit, welche der Sozialstaat für die Menschen schafft, wieder bedroht. Bürgerliche Kräfte sehen Freiheit nur noch als Freiheit der Wirtschaft und Freiheit vor staatlichen Eingriffen. Diesem Angriff der Bürgerlichen auf zentrale Errungenschaften der Linken und Gewerkschaften müssen wir mit aller Kraft entgegenhalten. Wir müssen aktiv für eine starke, solidarische Altersvorsorge für alle kämpfen.

Entstehung der Altersvorsorge

Aufgrund der grossen Armut vieler Fabrikarbeiter_innen wurde um 1880 erstmals der Ruf nach einer Altersversicherung von Seiten der Gewerkschaften und einzelnen Politiker_innen laut. Spätestens während dem Generalstreik 1918 ist die Forderung nach einer AHV (Altersund Hinterlassenenversicherung) als eine der Hauptforderungen des «Oltener Aktionskomitees» definitiv zu einem der wichtigsten Projekte der Sozialdemokratie geworden. Nur sieben Jahre später stimmte das Volk an der Urne der Einführung einer AHV zu, doch die Organisations- und Finanzierungsfragen blieben weiterhin ungelöst. Nachdem das erste Ausführungsgesetz 1931 noch scheiterte, sagte das Volk 1947 JA zur AHVGesetzgebung. Ein Jahr später wurde die AHV dann für die ganze Bevölkerung obligatorisch eingeführt.

Seitdem gab es 10 AHV-Revisionen, zu Beginn noch mit Leistungssteigerungen. Als diese jedoch ausblieben, lancierten die SP und die Partei der Arbeit (PdA) Ende der 1960er-Jahre je eine Volksinitiative zur Einführung von existenzsichernden Renten (sog. Volkspension). Um diese Initiativen zu verhindern wurde das heutige Drei-Säulen-Modell unter der Führung der Versicherungslobby ausgearbeitet und als Gegenvorschlag zu den Initiativen vorgelegt, welcher im Dezember 1972 vom Volk dann deutlich angenommen wurde.

Kein Abbau der AHV!

Erste Säule

So lange in der Schweiz Menschen arbeiten und Geld verdienen, so lange wird die AHV Renten zahlen können. Über das Umlageverfahren geben die Erwerbstätigen einen Teil ihres Einkommens über die AHV direkt an die Rentner_innen weiter. Damit ist sie eine sehr verlässliche Finanzierungsart, um das Auskommen alter Menschen zu sichern. Sie macht die AHV weitgehend unabhängig von unsicheren Börsenkursen und sinkenden Zinsen. Dass die Zahl der alten Menschen zunimmt und diese immer älter werden, ist dank des Positionspapier verabschiedet von der DV der JUSO Schweiz vom 15. Dezember 2012 Umlageverfahrens auch grundsätzlich kein wirkliches Problem. Denn so lange die Produktivität und die Löhne entsprechend steigen, so lange nehmen auch die Beiträge an die AHV zu.

Ausserdem ist sie auch ein ausgleichendes Instrument: Niemand bekommt mehr als 2‘320 Franken AHV-Rente pro Monat, die tiefste Rente beträgt die Hälfte. Trotzdem müssen alle auf ihrem vollen Einkommen AHV-Beiträge zahlen – auch wenn der Lohn bei einer Million Franken oder höher liegt. Mit der AHV wird also auch die ungleiche Verteilung der Einkommen etwas gemildert.

Trotzdem: Die AHV erreicht ihr verfassungsmässiges Ziel – die Existenzsicherung – nicht. Dazu reichen die heutigen AHV-Renten bei weitem nicht aus. Weil sie so niedrig sind, kommen viele Betagte nur mit Ergänzungsleistungen oder Zuwendungen ihrer Kinder über die Runden. Das ist für die betroffenen Menschen entwürdigend. Die AHV muss deshalb dringend gestärkt und ihre Renten erhöht werden!

Die JUSO Schweiz fordert:

  • Die AHV muss existenzsichernd sein. Ausgehend davon, dass die ganze Bevölkerung in die AHV einzahlen muss, soll es AHV- Rentner_innen möglich sein, ohne Ergänzungsleistungen ein würdiges Leben zu führen. Die minimale Rente soll deshalb auf mindestens Fr. 4000.- erhöht werden. Ein AHV-Rat aus Gewerkschaftsbund und Rentnerorganisationen soll mit dem ständigen Auftrag ausgestattet sein, die Existenzsicherung des Rentenanspruches individuell zu überprüfen und entsprechend anzupassen. Die Rente soll bei tiefen und mittleren Einkommen mindestens 80% des erzielten Einkommens ausmachen.
  • Um die AHV längerfristig zu sichern und existenzsichernde Renten auszubezahlen, braucht es ein bedarfsgerechtes Finanzierungssystem. Sowohl die Erbschaftssteuer als auch die Lohnabzüge sollen sich flexibel dem Bedarf anpassen. Die JUSO Schweiz unterstützt ausdrücklich die Erbschaftssteuer-Initiative der SP und die geplante SGB-Initiative, welche eine Erhöhung der Renten um 10 % fordert.
  • Die AHV-Renten müssen mit der Teuerung Schritt halten. Sie sollen deshalb weiterhin regelmässig ausgeglichen werden und nicht erst, wenn sie die 4%- Schwelle überschreitet, wie dies der Bundesrat vorschlägt.
  • Reichtum verpflichtet und deshalb sollen Erwerbstätige mit hohen Einkommen einen obligatorischen Solidaritätsbeitrag an die AHV bezahlen. Einkommen ab 200'000 Franken zahlen zusätzlich zum Grundbeitrag 2 Lohnprozente an die AHV, Einkommen über 1 Mio. Fr. zahlen zusätzlich zum Grundbeitrag 4 Lohnprozente.
  • Unser heutiges System der Sozialversicherungen ist in unzählige Kassen aufgesplittet (AHV, IV, ALV, EO, SUVA, KVG, Sozialhilfe, etc.). Dieses System führt zu einer Entsolidarisierung der einzelnen Gruppen. Langfristig muss die AHV Teil einer allgemeinen Erwerbsversicherung (AEV) werden. Diese nationale Kasse fasst alle bisherigen Sozialversicherungen zusammen und sichert die Menschen gegen die Folgen von Erwerbsausfall (Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit, Alter, Elternschaft, etc.) ab.

Keine Zwangsspekulation für alle!

Zweite Säule

Anders als bei der AHV sind die Pensionskassen eigentlich nichts anderes als Sparkonten, in die alle Arbeitnehmer_innen einen Teil ihres Einkommens einzahlen müssen, den die Positionspapier verabschiedet von der DV der JUSO Schweiz vom 15. Dezember 2012 Pensionskassen dann möglichst gewinnbringend anlegen – zum Beispiel in Aktien, Obligationen oder in Liegenschaften. Bei der Pensionierung wird das angesparte individuelle Kapital in eine lebenslängliche Rente umgewandelt.

Im Gegensatz zur AHV trägt die 2. Säule nicht zur Umverteilung bei. Wer viel in die Pensionskasse einzahlt, bekommt auch eine höhere, nach oben fast unbegrenzte Rente. Zudem können die Einzahlungen von der Steuer abgezogen werden. Während die AHV die sozialen Unterschiede etwas mildert, werden sie vom Pensionskassensystem bestätigt.

Die zweite Säule bindet gewaltige Mittel, die auf den Finanzmärkten angelegt werden. Dieses System ist krisenanfällig und zwingt die Bevölkerung, sich am Casino der Finanzspekulation zu beteiligen.

In diesem Zusammenhang ist der (Mindest-) Umwandlungssatz wichtig. Dies ist der Prozentsatz des angesparten Kapitals, den die Pensionskasse jährlich als Rente ausbezahlen muss.

Um den aktuellen Mindestumwandlungssatz von 6.8% auszahlen zu können, müssen die Pensionskassen ungefähr eine Rendite von 5% erwirtschaften – was im heutigen wirtschaftlichen Umfeld illusorisch ist. Damit steckt die Linke in einem Dilemma. Denn eine Senkung des Mindestumwandlungssatzes bedeutet eine Kürzung der Renten. Doch auf einem hohen Umwandlungssatz zu beharren, bedeutet zu fordern, dass Pensionskassen auf den Finanzmärkten immer höhere Risiken eingehen und sich auch an fragwürdigen Geschäften beteiligen, um die nötige Rendite zu erreichen. Dies ist mit unserer Kritik am kapitalistischen Finanzsystem nicht vereinbar.

Deshalb fordert die JUSO-Schweiz:

  • Das Pensionskassensystem muss abgeschafft werden. Die AHV soll die Pensionskasse schrittweise ersetzen.
  • Pensionskassen müssen zu einer nachhaltigen Anlagestrategie verpflichtet werden. Eine reine Renditepolitik, wie sie Pensionskassen zurzeit verfolgen, muss untersagt werden. Die Anlagen müssen einem öffentlichen Interesse dienen und wirtschaftsund sozialethischen Grundsätzen verpflichtet sein.
  • Der Umwandlungssatz muss zur Erreichung dieser Grundsätze gesenkt werden, während gleichzeitig die AHV-Beiträge und -Renten angehoben werden müssen.
  • Einzahlungen in die Pensionskassen sollen nicht mehr von den Steuern abgezogen werden können.
  • Wir fordern Transparenz bei den Pensionskassen. Es muss klar ersichtlich sein, wie hoch die Verwaltungskosten, Löhne und Gewinnausschüttungen sind. Es darf nicht sein, dass sich ein paar Wenige mit unseren Vermögen bereichern. Zudem braucht es in den Pensionskassen eine Lohnbandbreite von 1:12.

Keine Steuerbefreiung für Reiche! Dritte Säule

Die dritte Säule ist eine freiwillige, individuelle und steuerlich begünstigte private Vorsorge in Ergänzung zur ersten und zweiten Säule. Dies ist ein eigentliches Geschenk an die Gutbetuchten und Reichen, welche es sich leisten können, zusätzlich zu den AHV- und Pensionskassenbeiträgen weitere grössere Geldbeträge zu bevorzugten Zinsen anzusparen und diese sogar noch von den Steuern abziehen können.

Die JUSO Schweiz fordert:

  • Die Einlagen in die 3. Säule dürfen nicht länger von den Steuern befreit werden. Damit wird dieses Bereicherungsinstrument für Wohlhabende seinem Sinn beraubt. Keine Erhöhung des Rentenalters!

Die JUSO Schweiz will ein Sozialsystem, welches auf Generationen-Solidarität und Gerechtigkeit aufbaut. Wir wehren uns gegen die bürgerliche Taktik, die verschiedenen Generationen und Geschlechter gegeneinander auszuspielen.

  • Die JUSO Schweiz fordert: Ein flexibles Rentenalter für alle. Es muss möglich sein, dass sich Erwerbstätige, die z.B. schwere körperliche oder emotionale Arbeit verrichten, frühpensionieren lassen können, ohne finanzielle Einbussen in Kauf zu nehmen.
  • Bis das gesetzliche flexible Rentenalter tatsächlich umgesetzt wird, sind die Sozialpartner angehalten, Modelle gemäss dem Flexiblen Altersrücktritt (FAR) im Bausektor zu entwickeln.
  • Gleiches Rentenalter für alle, wenn die Lohngleichheit der Geschlechter erreicht ist.