Resolution verabschiedet an der Jahresversammlung der JUSO Schweiz vom 19. Februar 2022 in Bern
Klimapolitik ist nicht gleich Klimapolitik. Heute wird in den meisten europäischen Ländern, darunter der Schweiz, vornehmlich eine liberale Form der Klimapolitik betrieben. Für lange Zeit hiess dies: Eigenverantwortung und technologische Lösungen. In den letzten Jahren wurde aber auch den Mächtigen klar, dass die technologische Entwicklung und deren Übernahme zu langsam laufen, um die internationalen Klimaziele zu erreichen. Zur gleichen Zeit wissen sie auch, dass konsequenter Klimaschutz ihre Vormachtstellung in Frage stellen würde. Zur Verteidigung dieser Privilegien müssen sie deshalb einen Weg zwischen totaler Verweigerung und konsequentem Handeln finden. Die Scheinlösung fanden sie mit dem Fokus auf den Konsumbereich (u.a. mit kostenbasierten Lenkungsmassnahmen) und die Anwendung von Marktlogiken bei der Dekarbonisierung (Zertifikatshandel).
Dies reichte bekannterweise nicht annähernd aus. Diese Form der Klimapolitik lässt die grössten Verschmutzer aus der Verantwortung und bürdet die Kosten der breiten Bevölkerung auf. Leider hat es auch die institutionalisierte Linke bis jetzt nicht geschafft, vollständig aus dieser Logik auszubrechen. Nicht zuletzt aufgrund der Dringlichkeit der Klimakrise schien es für sie stets unausweichlich, den liberalen Kompromissen zuzustimmen.
Im Juni 2021 hat diese Art der Klimapolitik, die auf den individuellen Konsum und Eigenverantwortung abzielt, in der Schweiz brutal Schiffbruch erlitten: Das CO2-Gesetz wurde knapp abgelehnt. Ein knappes Ja hätte aber auch nicht gereicht. Klimaschutz, insbesondere so zurückhaltender, müsste nämlich deutliche Mehrheiten erhalten. Es stellt sich uns also die Frage, was inhaltlich zu dieser Ablehnung geführt hat. Ein wichtiger Treiber für das Nein war das Argument, das Gesetz führe zu höheren Kosten im Alltag (Benzinpreis, Flugticketabgabe). Die Message schien für viele klar: Diese Form von Klimaschutz führt dazu, dass sich die 99% gewisse Dinge nicht mehr leisten können, während die Reichsten weiter um die Welt jetten dürfen. Auch wenn wir wissen, dass das CO2-Gesetz bei Weitem nicht so unsozial war, wie die Nein-Kampagne dies suggerierte, ziehen wir daraus folgenden Schluss: Wollen wir breite gesellschaftliche Mehrheiten für den notwendigen Umbau der Wirtschaft und Gesellschaft mobilisieren, so muss Klimaschutz im Grundsatz anders gedacht werden. Weg von Massnahmen, bei welchen die 99% für die Klimakrise bezahlen.
Im Dezember 2021 präsentierte der Bundesrat die schwache Neuauflage des CO2-Gesetzes. Diese macht zu grossen Teilen die gleichen Fehler wie die letzte Ausgabe und die Zielsetzung ist weiterhin lächerlich schwach. Konkret würde der Gesetzesentwurf in der aktuellen Form zu einer noch stärkeren Umverteilung von Unten nach Oben führen. Die CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe soll zukünftig noch weniger an die Bevölkerung rückverteilt werden, sondern zu 50% in die finanzielle Unterstützung des Heizungsersatzes und in die Forschung und Innovation fliessen. Erneut sollen zukünftig alle Unternehmen von der CO2-Abgabe befreit werden, wenn sie sich zu einem moderaten Absenkpfad verpflichten. Mit dem Emissionshandelssystem werden auch in Zukunft die grössten Verbraucher von der Pflicht zur CO2-Abgabe befreit, um offenbar international konkurrenzfähig zu bleiben. Dafür erhalten sie vom Bund sogar Gratis-Zertifikate, während sie trotzdem von der Rückverteilung der CO2-Abgabe profitieren. Dass der Finanzplatz wieder nur einer Berichterstattungspflicht unterliegen soll, erstaunt vor diesem Hintergrund kaum. In Kürze: Die Rückverteilung für uns, die 99% sinkt gegenüber heute, sodass wir für den Umbau bezahlen müssen, während die emittierenden Unternehmen sowie der Finanzsektor geschont werden. Das ist Klimapolitik gegen die 99%!
Das neue CO2-Gesetz ist in dieser Form keine Antwort auf die grundlegendste Krise unserer Zeit. Klimapolitik muss neu gedacht werden! Für den schnellen und tiefgreifenden Umbau unserer Produktions- und Lebensweise braucht es massive Investitionen. Diese dürfen aber nicht den 99% aufgebürdet werden, denn die 99% bezahlen für diese Krise nicht! Das Geld muss bei denen geholt werden, welche in den letzten Jahrzehnten von diesem zerstörerischen System profitiert haben! Die notwendigen Mehrheiten kann Klimaschutz nur erhalten, wenn dieser konsequent für die Interessen der 99% gemacht wird. Das nächste Initiativprojekt der JUSO Schweiz hat genau dies zum Ziel und ist damit der erste Schritt in Richtung einer Klimapolitik für die 99%!