Resolution verabschiedet an der ao. Jahresversammlung der JUSO Schweiz vom 29. Juni 2024 in Solothurn
Die multiplen Krisen dieser Welt treiben immer mehr Menschen auf die Flucht. Die Anzahl gestellter Asylgesuche ist in der Schweiz im Vergleich zum Vorjahr um 5712 Gesuche gestiegen, insgesamt haben 2023 rund 30‘223 Personen Asyl beantragt.[1] Das Recht auf Asyl in der Schweiz wird systematisch angegriffen. Die Zahl der Abschiebungen ist im Gegensatz zu 2022 gestiegen, 3720 Personen wurden zwangsweise in einen Dritt- oder Dublin-Staat abgeschoben. Insgesamt ist die Zahl der Ausreisen im Vergleich zum Jahr 2022 um satte 45,8 % gestiegen (ebd). Der Entscheid des Eidgenössischen Justiz und Polizeidepartements (EJPD) im November 2022 hatte die Konsequenz, dass ab April 2023 Resettlement-Einreisen eingestellt wurden und erst für das Jahr 2024 wieder Aufnahmen geplant sind (ebd). sind. Gleichzeitig beschloss der Bundesrat Ende Februar dieses Jahres, 300 Mio. Franken für den Border Management Visa Policy Instrument Fonds (BMVI-Fonds) freizugeben, um im Rahmen der Reform des gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) die Abrieglung der Europäischen Aussengrenzen mitzufinanzieren.[2]
An vorderster Front dieser restriktiven Migrationspolitik steht SP-Asylminister Beat Jans.
Er begrüsst die Abriegelung Europas, da man so weniger Probleme an den eigenen Grenzen hätte. Der Schweizer Beitrag zur Aushöhlung des Asylrechts auf europäischer Ebenen dient also auch der nationalen Einwanderungsbegrenzungspolitik. Die Konsequenzen davon sind verheerend: Wie eine Recherche der Rundschau[3] aus 2021 beschreibt, werden Menschen von Grenzregimes misshandelt und “regelrecht aus der EU rausgeprügelt”.
Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) - eine Legalisierung dessen, was bisher illegal war
Ende Dezember 2023 wurde die GEAS-Reform diskutiert, am 10. April hat das EU-Parlament ein menschverachtender Pakt sondergleichen verabschiedet. Ein grosser Teil der sozialdemokratischen Fraktion hat die Menschenrechte verraten und der Reform zugestimmt.[4] Der neue GEAS-Pakt bedeutet einen erneuten Ausbau von Europas Asyl- und Repressionsregime. Bis 2026 will die EU an ihren Aussengrenzen Lager installieren, wo Geflüchtete in einem Schnellverfahren einen Negativ-Entscheid für ihren Asylantrag erhalten sollen. Selbst Kinder sollen in solche Lager interniert werden können, ohne Bildung und somit guten Lebensperspektiven. Mit sogenannten Sceeningverfahren sollen die Daten der Geflüchteten systematisch erfasst und in einer gesamteuropäischen Datenbank gespeichert werden. Die Menschen müssen ableistische Gesundheitschecks und akribische Befragungen und Abklärungen über sich ergehen lassen - ohne rechtlichen Beistand[5] und Kindern oder besonders gefährdeten Personen sind dabei nicht ausgenommen.
Ähnliche Lager oder sog. Hotspots existieren bereits in Griechenland, wo unzählige Menschen gleich nach Abweisung des Asylgesuchs wieder in die Türkei abgeschoben werden.
Zusätzlich zu den Lagern sollen die Anforderungen an die Sicherheit in Drittstaaten stark gesenkt werden, und die Gesuche von Menschen, welche über "sichere" Drittstaaten eingereist sind, werden abgelehnt, sofern sie eine “Reasonable Connection“[6] zum Drittstaat haben. Das sieht man am Beispiel der Türkei, welche die Genfer Flüchtlingskonvention zwar unterzeichnet hat, aber geografische Ausnahmen machen. Beispielsweise Afghan*innen oder Syrer*innen werden aus der Türkei abgeschoben, weil sie Geflüchtete aus diesen Ländern nicht anerkennen.[7]
Rassistisches Migrationsregime in der Schweiz
Die Schweiz hat eigenen Pläne, das Recht auf Asyl einzuschränken. Im April hat die Staatspolitische Kommission einen FDP-Vorstoss von Petra Gössi zugestimmt, welcher Eritreer*innen über einen Drittstaat abschieben will. [8] Dies entspricht dem britischen Ruanda-Plan, der von zahlreichen Instanzen kritisiert wurde, gegen das Völkerrecht verstösst[9] und kürzlich trotzdem angenommen wurde. Seither wurden bereits unzählige Razzien und willkürliche Verhaftungen durchgeführt mit dem Ziel, bis Ende Jahr rund 5700 Eritreer*innen nach Ruanda abzuschieben. Die Schweiz begibt sich nun auf einen ähnlichen Kurs, was mit aller Kraft verhindert werden muss!
Hauptverantwortlich für die Hetze gegen Geflüchtete in der Schweiz ist die SVP. Im Mai 2024 hat die Partei ihre sogenannte „Grenzschutz“-Initiative lanciert. Die Initiative fordert, dass an den Landesgrenzen wieder systematische Kontrollen eingeführt werden. Gleichzeitig sollen keine Asylsuchende mehr ins Land kommen, die aus einem «sicheren Drittstaat» einreisen. Da die Schweiz gemäss Definition des Bundesrats von «sicheren Drittstaaten» umgeben ist, möchte die SVP dem grössten Teil der Asylsuchenden das Recht verwehren, in der Schweiz ein Asylgesuch zu stellen. Gleichzeitig legalisieren sie Rückschaffungen direkt ab der Grenze – ohne individuelle Fallprüfung.[10] Eindeutig ein rassistischer Angriff auf das Asylrecht!
SP-Bundesrat Beat Jans verrät sozialdemokratische Werte mit seiner Asylpolitik
Der der frischgewählte SP-Asylminister Beat Jans macht nichts, um der rechten Hetze entgegenzuhalten, im Gegenteil: Er trägt die repressive Asylpolitik massgeblich mit. Keine 100 Tage im Amt war klar: Jans’ Asylpolitik entspricht nicht den sozialdemokratischen Werten. So sagt er in einem Interview gegenüber SRF “Wir wollen aber bis zum Schluss garantieren, dass wir den echten Flüchtlingen nach Flüchtlingskonvention die Möglichkeit geben, bei uns Asyl zu bekommen." Doch Fakt ist: Die Genfer Flüchtlingskonvention anerkennt nur wenige, individuelle, Fluchtgründe, Krieg beispielsweise ist keiner davon.
Wenn es um das Leben von Menschen geht und Jans Menschen in “echte” und “unecht” Geflüchteten kategorisiert, dann ist das einem SP-Repräsentanten unwürdig. Die Einigung der EU auf neue Regeln zu Asyl und Migration bezeichnet er als «historischer Meilenstein» und aus Sicht der Schweiz “ein grosser Fortschritt”. Diese Haltung äussert sich auch in seinen Taten: so möchte er das 24-Stunden-Asylverfahren einführen und noch mehr Menschen möglichst schnell abschieben. Diese Verfahren sind höchst problematisch und kritisieren wir als JUSO aufs Schärfste.
Solche kurzen Verfahren ermöglichen es kaum, eine Situation ganzheitlich zu beurteilen und setzen die Betroffenen unter extremen Druck. Auch wenn eine rechtliche Vertretung gewährleistet ist, wird sie durch die Kürze des Verfahrens sehr stark erschwert. Zudem wird eine Verfahrensart pauschal auf eine Gruppe von Personen angewandt, ohne vorher zu beurteilen, ob diese Verfahrensart überhaupt geeignet ist, um den konkreten Fall zu beurteilen. Bei einer solchen Regelung besteht eine hohe Gefahr, dass grundrechtliche Verfahrensgarantien verletzt werden. Das hat Racial Profiling, noch mehr Rassismus und Diskriminierung zur Folge.
Ein SP-Bundesrat, der lieber Menschen an der EU-Grenze in Internierungslager steckt, als die Verantwortung der Schweiz wahrzunehmen, vertritt nicht unsere Grundsätze. Der SP-Slogan für die Wahlen 23 lautete "Wir ergreifen Partei”. Es wäre entsprechend wünschenswert, dass der SP-Bundesrat für die vulnerabelsten Menschen “Partei ergreift” und nicht menschenverachtende Projekte, wie die GEAS-Reform, gut heisst.
Für die JUSO Schweiz ist klar: Eine solch menschenverachtende Asylpolitik zu betreiben, ist als Schweiz untragbar und als SP-Bundesrat noch untragbarer. Wir müssen unsere Verantwortung wahrnehmen und alles in der Macht Stehende tun, um Menschen auf der Flucht den notwendigen Schutz zu bieten, bis wir eine Welt geschaffen haben, in der niemand mehr flüchten muss.
Die JUSO Schweiz appelliert neben den Forderungen in unserem Positionspapier No Borders No Nations, und der Resolution Rechte Instrumentalisierung der Not von Geflüchteten stoppen! an verschiedene Instanzen:
An das Schweizer Parlament:
- Eine Erweiterung des Resettlement-Programmes für besonders Schutzbedürftige auf 10’000 Menschen
- Dass Abschiebungen über Drittstaaten, wie Ruanda, muss unterbunden sein und das Völkerrecht darf nicht verletzt werden.
- Dass die Schweizer Grosskonzerne in Ländern des sogenannten Globalen Südens endlich für ihre Machenschaften zur Verantwortung gezogen werden. Schweizer Grosskonzerne sollen für Verstösse gegen Menschenrechte und bei Ausbeutung in der Schweiz juristisch belangt werden können.
- Dass Geflüchtete einen unkomplizierten Zugang zum Schweizer Arbeitsmarkt eine oder eine (weitere) Ausbildung mit den dafür notwendigen Stipendien absolvieren können
- Die Anerkennung des Fluchtstatus von Personen, die vor ihrer Ankunft in der Schweiz Drittländer durchquert haben
An die offizielle Schweiz bei den Verhandlungen auf Europäischer Ebene:
- Ihre Beisitz-Funktion zu nutzen, um sich gegen die geplante GEAS-Reform auszusprechen.
- Für den nächsten Zeitraum (ab 2027) soll die Schweiz kein Geld mehr in den Border Management Visa Policy Instrument Fonds einbezahlen.
- Für die Stärkung der Mobilitätsrechte: Alle Personen, die internationalen Schutz bekommen, sollen ab Anerkennung ihres Status Freizügigkeit innerhalb des europäischen Raumes.
An SP-Bundesrat und Asylminister Beat Jans:
- Die Rücknahme der Die von ihm breit eingeführten 24-Stunden-Verfahren gegen Menschen aus Nordafrikanischen Ländern
- Ein sofortiger Stopp mit der Stimmungsmache gegenüber gewissen Bevölkerungsgruppen, darunter insbesondere Menschen, die aus nordafrikanischen Ländern migrieren
- Die Entsendung einer Schweizer Mission zur Seenotrettung auf dem Mittelmeer
- Die Durchsetzung der zeitnahen Behandlung von Asylgesuchen von afghanischen Geflüchteten
- Die fachgerechte Betreuung von unbegleiteten, minderjährigen Asylsuchenden schweizweit durchzusetzen
- Die Verbesserung der Situation im Schweizer Asylwesen: Dazu gehören u.a. kostenlose Bildungsangebote, genügend geschultes Personal in den Asylzentren und den verbesserten Schutz von FLINTA-Personen in den Asylunterkünften
[2] https://www.woz.ch/taeglich/2024/03/05/millionen-fuers-eu-grenzregime-bringts-ein-referendum
[3] https://www.srf.ch/news/international/pushbacks-an-eu-grenze-video-beweis-kroatische-polizisten-pruegeln-migranten-aus-der-eu
[4] https://www.proasyl.de/news/europawahl-das-sagen-die-parteien-zum-fluechtlingsschutz/
[5] https://www.woz.ch/2405/gemeinsames-europaeisches-asylsystem/licht-ins-wirrwarr-der-paragrafen/!Q4SR0EY1X1NZ
[6] Begriffserklärung von WOZ: Wenn Menschen eine «vernünftige» Verbindung zum Drittstaat haben, ist ihr Gesuch unzulässig – und sie können dorthin abgeschoben werden. Der blosse Transit durch ein Land reicht dafür nicht aus, aber Fluchtmigration erfolgt meist nicht auf schnellstem Weg.
[7] https://www.proasyl.de/news/geas-reform-im-eu-parlament-historischer-tiefpunkt-fuer-den-fluechtlingsschutz-in-europa/ Beispiel 2
[8] https://www.srf.ch/news/schweiz/abschiebungen-nach-ruanda-nationalratskommission-will-asylsuchende-in-drittstaat-abschieben
[9] https://www.nytimes.com/2024/04/23/world/europe/uk-rwanda-policy-explained.html
[10] https://www.tagesanzeiger.ch/grenzschutzinitiative-neue-svp-initiative-fordert-fluechtlingsobergrenze-195111059477