Feminismus

Für die feministische Wende!

Der Kampf für mehr Gleichstellung, für mehr Gerechtigkeit, für mehr Liebe und weniger Hass hat kein bisschen an Dringlichkeit verloren. Feministische Arbeit ist sogar notwendiger, denn je. Fortschritte werden systematisch angegriffen: Die Rechten wollen das Schweizer Rentensystem reformieren und greifen das Recht auf Schwangerschaftsabbruch an. Ein Backlash ist auch bei der Zunahme häuslicher Gewalt zu erkennen. Der Kapitalismus und das Patriarchat stützen sich gegenseitig. Das kapitalistische Wirtschaftssystem könnte ohne die unzähligen Stunden an unbezahlter Care-Arbeit, die zum grössten Teil von FLINTA-Personen verrichtet werden, nicht funktionieren. (FLINTA = Frauen, Lesben, Inter, Non-binär, Trans, Agender). Der Kapitalismus vermittelt durch das Patriarchat, dass Care-Arbeit, wie die Betreuung von Kindern oder die Pflege von Kranken aus Liebe geleistet wird und deshalb nicht oder nur schlecht bezahlt werden muss. Das Patriarchat wird wiederum durch den Kapitalismus unterstützt, indem unter anderem durch Lohndiskriminierung von FLINTA-Personen Abhängigkeiten aufrechterhalten und Rollenbilder manifestiert werden. Im Jahr 2018 war beispielswiese das Einkommen von Frauen 43.2% niedriger als das der Männer in der Schweiz – basierend auf die geleisteten Arbeitsstunden aller 15- bis 64-jährigen Erwerbstätigen. Diskriminierung, Gewalt und strukturelle Unterdrückung von FLINTA-Personen sind Ausdruck der herrschenden patriarchalen und kapitalistischen Machtstrukturen. FLINTA-Personen organisieren sich deshalb, um gemeinsam für eine feministische Zukunft zu kämpfen, wie beispielsweise am feministischen Streik vom 14. Juni. Kapitalismus und Patriarchat müssen deshalb gemeinsam bekämpft werden. Ein intersektionaler Feminismus fordert herrschende patriarchale Machtstrukturen heraus: Er anerkennt, dass diverse Diskriminierungsformen miteinander verbunden sind und bekämpft diese. Intersektional heisst aber nicht nur, dass die kapitalistische und die patriarchale Unterdrückung zusammengedacht werden müssen, sondern beispielsweise auch die rassistische Unterdrückung oder die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen.

Unsere Hauptforderungen

Abtreibungsrechte und körperliche Selbstbestimmung sichern!

Das Recht auf körperliche Selbstbestimmung ist eine der zentralsten feministischen Errungenschaften. Dazu gehören der Zugang zu ergebnisoffener Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Schwangere und die garantierte Option sicherer, selbstbestimmter Schwangerschaftsabbrüche.

In den vergangenen Jahren wurde dieses Recht allerdings verstärkt von rechtskonservativen, fundamentalistischen Kreisen in Frage gestellt und angegriffen. Sowohl im internationalen Raum als auch in der Schweiz gibt es Bestrebungen, Abtreibungsrechte einzuschränken. Die JUSO Schweiz wehrt sich konsequent gegen solche Angriffe – Das Recht auf körperliche Selbstbestimmung ist nicht verhandelbar.

Heute sind Abtreibungen in der Schweiz im Strafgesetzbuch geregelt, gelten als rechtswidrig und sind nur unter bestimmten Bedingungen straffrei. Für uns ist klar: Selbstbestimmte Abtreibungen gehören nicht ins Strafgesetzbuch, sondern als verfassungsmässiges Recht garantiert. Wir fordern die Verankerung des Rechts auf körperliche Selbstbestimmung, insbesondere das Recht auf selbstbestimmte Schwangerschaftsabbrüche in der Bundesverfassung.
Weiter ist es zentral, dass der Zugang zu professioneller und neutraler Beratung sowie Leistungen im Bereich der sexuellen Gesundheit sichergestellt und ausgebaut wird. Dafür braucht es eine Erhöhung von finanziellen Mitteln an Fachstellen für sexuelle Gesundheit und offizielle Kriterien für Beratungsstellen, welche eine professionelle, ergebnisoffene Beratung und Unterstützung garantieren.

Zur körperlichen Selbstbestimmung gehört auch jene von trans Menschen. Beispielsweise muss der Zugang zur Hormontherapie und geschlechtsangleichenden Eingriffen für jene trans Personen, welche dies wollen, niederschwellig gestaltet werden. Es darf nicht sein, dass die Willkür bei den Krankenkassen weitergeführt wird! Stattdessen braucht es eine generelle Verpflichtung zur vollständigen Kostenübernahme und die Abschaffung erniedrigender Hürden, mit welchen heute viele trans Menschen konfrontiert werden.


Höhere Renten und feministische Altersvorsorge - Volkspension jetzt!

Das Rentensystem ist ein zentraler Teil unseres Sozialstaates und soll ein würdevolles Leben im Alter garantieren. Doch diesem Ziel wird das aktuelle System nicht gerecht.

Altersarmut ist für viele Menschen in der Schweiz eine bittere Realität. Davon betroffen sind insbesondere Menschen, die im Niedriglohnsektor gearbeitet haben oder in Teilzeitpensen Lohnarbeit geleistet haben. Frauen machen 2/3 der von von Altersarmut betroffen Personen aus und sind damit überdurchschnittlich stark betroffen. Das hat neben der Lohnungleichheit und unterbezahlten Frauenbranchen primär damit zu tun, dass viele Frauen jahrelang unbezahlte Care-Arbeit geleistet haben. Kindererziehen, Verwandte pflegen, Haushaltsarbeit – diese Arbeit ist wertvoll und zentral für eine funktionierende Gesellschaft. Doch das wird im aktuellen Rentensystem nicht annähernd genügend gewürdigt und das muss sich ändern. Wir fordern eine Stärkung der AHV durch die finanzielle Anerkennung unbezahlter Care Arbeit und die Abschaffung der 2. und 3. Säule, welche die soziale Ungerechtigkeit fördert. Stattdessen soll eine Volkspension eingeführt werden, welche auch unbezahlte Care-Arbeit würdigt und von welcher man im Alter in Würde leben kann.


Für eine 25-Stunden Woche!

Für einen Grossteil der Bevölkerung bleibt neben der Lohnarbeit kaum Zeit, um diversen anderen Verpflichtungen nachzukommen. Klassische unbezahlte Care- Tätigkeiten wie Kochen, Einkaufen, Putzen, Waschen beanspruchen viel Zeit und gerade Betreuungs- und Erziehungsarbeit ist mit einem Vollzeitpensum kaum vereinbar. Heutige Lohnarbeitsstrukturen, wie etwa die 42-Stundenwoche sind nicht auf die Bedürfnisse der Menschen ausgerichtet, sondern darauf, dass in einer traditionellen Kleinfamilie praktisch die gesamte Care-Arbeit unbezahlt von der Frau erledigt wird und die Familie vom Lohn des Mannes lebt. Dieses Konzept war und ist für Lohnabhängige ausbeuterisch und gesundheitsschädigend. Schon früher war es für viele Familien nicht möglich, von einem Lohneinkommen zu leben, mit den heutigen Reallöhnen ist das ebenfalls für die wenigsten eine Option und ein Grossteil der Frauen geht ebenfalls einer Lohnarbeit nach. Doch die anstehende Last an Care-Arbeit besteht noch immer- so verstärkt sich die Doppelbelastung aus Lohn- und unbezahlter Care-Arbeit für viele Frauen. Jene, die es sich leisten können, lagern einen Teil der Haushalts- und Betreuungsarbeit aus – meist an andere, weniger privilegierte FLINTA-Personen.

Dieser Missstand ist besonders stossend, in Hinblick auf die Tatsache, dass die Gesellschaft immer produktiver und effizienter ist. Dennoch nimmt die Arbeitslast der arbeitenden Bevölkerung nicht ab. Dabei wäre es heute ohne Probleme möglich, eine Wochenarbeitszeit von 25 Stunden Erwerbsarbeit einzuführen. Dafür müssen aber die Produktivitätsgewinne zum Wohle der gesamten Bevölkerung eingesetzt werden und die Menschen ins Zentrum der Wirtschaft gestellt werden – nicht der Profit einiger Wenigen. Wir wollen eine Gesellschaft, in der wir Zeit für unsere Liebsten, unser Engagement und uns selbst haben und nicht nur für die Kapitalist*innen. Die 25-Stunden-Woche bricht mit dem Maximierungszwang und gibt Care-Arbeit den Platz, Stellenwert und die Zeit, die sie verdient. Sie ermöglicht es auch mehr Zeit für Care-Arbeit wie Hausarbeit und Kinderbetreuung zu haben und diese gerechter zu verteilen.


Weitere Forderungen

Effektive Bekämpfung von sexualisierter Gewalt und Diskriminierung!

Praktisch alle FLINTA-Personen erfahren in ihrem Leben Formen von sexualisierter Gewalt. Dazu gehören unter anderem sexuelle Belästigung, geschlechtsspezifische und häusliche Gewalt. Es handelt sich dabei um ein strukturelles Problem, welches auf verschiedenen Ebenen bekämpft werden muss. Neben Präventions- und Bildungsarbeit braucht es auch einen massiven Ausbau von Schutz- Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Menschen aller Geschlechtsidentitäten. Das Angebot an Schutzunterkünften für Personen, welche von häuslicher und patriarchaler Gewalt betroffen sind muss stärker subventioniert und ausgebaut werden. Heute müssen in Frauen- und Schlupfhäusern regelmässig Personen mangels Platz und Ressourcen weggewiesen werden- das ist nicht haltbar und verstösst gegen die Istanbul-Konvention. Wir fordern einen massiven Ausbau an Plätzen und Ressourcen für Schlupfhäuser und Unterstützungsangebote für Betroffene von sexualisierter Gewalt, um kostenfreie, kompetente und schnelle Hilfe zu ermöglichen. Diese Schutzunterkünfte müssen für alle patriarchal unterdrückten Personen zugänglich sein, für Frauen und insbesondere auch für TINA Personen (trans, inter, nonbinäre und agender Personen). TINA Personen haben heute oftmals mangelhafte Unterstützungsmöglichkeiten, welche sie in Anspruch nehmen können – Es muss sichergestellt werden, dass sie fachkompetente Unterstützung erhalten.

Patriarchale Diskriminierungsformen äussern sich in verschiedenen gesellschaftlichen Sphären, darunter auch im Erwerbsleben. Die Mehrheit der Frauen in der Schweiz erlebt in ihrem Leben sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Trans Personen sind auch am Arbeitsplatz regelmässig Diskriminierungserfahrungen aufgrund ihrer Geschlechtsidentität ausgesetzt, vor welchen sie das geltende Recht und gesellschaftliche Strukturen nicht schützen, da die Geschlechtsidentität nicht von der Antidiskriminierungsnorm erfasst ist. Wir fordern Präventionsmassnahmen zur Bekämpfung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und einen konsequenter Diskriminierungsschutz, welcher FLINTA-Personen und insbesondere trans Personen vor Diskriminierung und willkürlicher Kündigung am Arbeitsplatz schützt.

Zeitgemässe und inklusive Bildung

Bildung ist eines der effektivsten Mittel für Kinder sowie auch für Erwachsene, sich zu selbstbestimmten, empathischen Menschen zu entwickeln. Sie soll einen wichtigen Teil präventiver Arbeit leisten, um patriarchale Strukturen abzubauen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, muss Bildung stetig an die Zeit und Lebensrealitäten der Menschen angepasst werden. Wir fordern eine diskriminierungsfreie und allumfassende Aufklärung zu sexueller Gesundheit.

Bildung darf nicht auf das binäre Geschlechtersystem ausgerichtet sein! Der Aufklärungsunterricht soll die Realität der Geschlechtervielfalt aufzeigen. Intergeschlechtlichkeit und trans Identitäten sollen vorurteilsfrei und offen thematisiert werden. Auch soll in der Ausbildung medizinischen Fachpersonals der Fokus auf Binarität aufgehoben werden und Sensibilisierung für Intergeschlechtlichkeit und trans Identitäten stattfinden.

Im Aufklärungsunterricht soll Schüler*innen bewusst gemacht werden, dass jede Person das Recht hat, die eigenen Grenzen zu setzen und, dass sexuelle Handlungen ausschliesslich mit Konsens, also unter Einwilligung aller Beteiligten, stattfinden dürfen.

Um sexualisierte Gewalt zu bekämpfen ist es zentral, die Thematik auf eine sensible und offene Weise zu behandeln. Bildung hat in diesem Bereich ein grosses Präventionspotential. Neben dem Thematisieren von Konsens sollen Schüler*innen und Lernende auch proaktiv über ihre Rechte aufgeklärt und die bestehenden Beratungsangebote informiert werden. Diese Informationen und Unterstützungsangebote sollen auch gesamtgesellschaftlich sichtbar und zugänglich gemacht werden.

Diskriminierungsschutz und medizinische Selbstbestimmung

Patriarchale Diskriminierungsstrukturen bestehen auch in der Medizin. Dort zeigt sich eine Form der Auslegung von Androzentrismus, einer Sichtweise, welche cis Männer als Norm und Massstab sieht. Weiter ist auch ein patriarchales und binäres Geschlechtersystem vorherrschend. Das führt unter anderem dazu, dass trans Identitäten und Körper pathologisiert werden und ein Gender Data Gap besteht, welcher dazu führt, dass etwa Krankheitssymptome oder Auswirkungen gewisser Medikamente auf Frauen und bei Geburt als weiblich klassifizierte Menschen völlig unzureichend erforscht werden. Es braucht eine Ausweitung der medizinischen Forschung im Bereich der Gendermedizin, um diese Wissenslücken zu schliessen. Auch intergeschlechtliche Personen sind in ihrer Selbstbestimmung stark gefährdet. Geschlechtsverändernde Operationen an intergeschlechtlichen Babies werden heute noch unternommen, obwohl dafür in den meisten Fällen keinerlei medizinische Notwendigkeit besteht. Diese Operationen, welche im Säuglings- und Kleinkindalter nicht mit Einverständnis der Betroffenen geschehen können, bringen oftmals schwerwiegende Folgen mit sich. Wir fordern ein Verbot von geschlechtsverändernden Operationen an intergeschlechtlichen Babies sowie fachpersonelle Beratung. Intergeschlechtliche Personen sollen auf eigenen Wunsch hin Zugang zu medizinischen Behandlungen bekommen, welche von der Krankenversicherung vollumfänglich zu übernehmen sind.

Lohngleichheit, nationaler Mindestlohn von 5000.- und verbesserte Arbeitsbedingungen!

Die Lohngleichheit ist zwar in der Verfassung verankert, aber dennoch zeigen die Zahlen, dass wir in der Realität noch weit davon entfernt sind. FLINTA-Personen verdienen bis heute fast ein Fünftel weniger und pro Erwerbsstunde durchschnittlich 19.5% weniger als Männer. Ein Teil der Faktoren, die zur Lohnungleichheit führen, werden als “erklärbare Faktoren” bezeichnet. Darunter auch berufliche Stellung, Ausbildung und Branche. Doch auch die erklärbaren Faktoren beruhen auf der historischen Benachteiligung und der ökonomischen Diskriminierung von FLINTA-Personen. Zur historischen Benachteiligung gehört unter anderem, dass Berufe, die traditionell gesehen vor allem von FLINTA- Personen ausgeführt werden, schlechter bezahlt und gewerkschaftlich kaum organisiert sind. Dies erschwert ein Vorgehen gegen die schlechten Arbeitsbedingungen in diesen Berufen und Branchen enorm. Es braucht entsprechend insbesondere in diesen Branchen, wie z.B. in der Pflege, Betreuung und Gastronomie konkrete Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und höhere Löhne. Gemäss Bundesamt für Statistik sind rund 2/3 der Arbeitenden im Tieflohnbereich Frauen.1 Wir fordern die Einführung eines nationalen branchenübergreifenden Mindestlohnes von 5000 Franken. Weiter fordern wir effektive Massnahmen zur Erreichung von Lohngleichheit, daruntersystematische Lohnkontrollen, Lohntransparenz und Lohndiskriminierungskontrollen.

Gesellschaftliche Care-Strukturen ausbauen

Care-Arbeit ist Arbeit, die zentral für eine funktionierende Gesellschaft ist. Neben einer Arbeitszeitsreduktion, welche es ermöglicht, mehr Zeit für das Leisten von Care-Arbeit zu investieren, ist es auch notwendig, gesamtgesellschaftliche Care-Strukturen auszubauen und zu stärken. Care-Arbeit muss auch als Teil des Service Public gesehen werden – kostenlose Kinderbetreuungsstrukturen sowie ein ausgebautes Gesundheitswesen entlasten auch Personen, die im privaten Rahmen sehr viel unbezahlte Betreuungs- und Pflegearbeit leisten. Auch Projekte wie generationenübergreifendes Wohnen können dazu beitragen, dass Care-Strukturen und die zu leistende Arbeit kollektiver organisiert und gerechter verteilt wird. Heute herrschen in Berufen im Care-Sektor, z.B. in der Pflege oder Kinderbetreuung oft prekäre Arbeitsbedingungen. Wir fordern, dass auch der Teil der Care-Arbeit, welcher im formellen Arbeitssektor organisiert ist, wertgeschätzt und angemessen entlöhnt wird. Dafür braucht es massive Investitionen in das Gesundheitswesen, Betreuungsstrukturen und die Ausbildung von Fachkräften. Damit Care-Arbeit aufgewertet und sichtbar gemacht wird, muss diese auch in unsere Wirtschaftsdarstellung und -forschung aufgenommen werden. Wir fordern diesbezüglich Lehrstühle und Ressourcen an den Hochschulen sowie die statistische Erfassung von bezahlter und unbezahlter Care-Arbeit und deren Einbindung ins Bruttoinlandprodukt.

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